Leitsatz
Ein nach Eintritt in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft von Todes wegen erworbener Pflichtteilsanspruch ist eine rechtlich geschützte Position von wirtschaftlichem Wert, die bei Berechnung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung dem Anfangsvermögen des erwerbenden Ehegatten hinzuzurechnen ist.
Normenkette
§ 3 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1 ErbStG, § 1363, § 1371 Abs. 2, § 1373, § 1374, § 1376 Abs. 1, § 1922 Abs. 1, § 2317 Abs. 1 BGB
Sachverhalt
Der Kläger ist der Ehemann und Miterbe der im April 2009 verstorbenen Erblasserin. Das FA zog bei der Berechnung der gegen den Kläger festgesetzten Erbschaftsteuer vom Wert des Erwerbs nach § 5 Abs. 1 ErbStG eine fiktive Zugewinnausgleichsforderung ab. Bei der Ermittlung des Werts dieser Forderung wurde als Teil des güterrechtlichen Anfangsvermögens der Erblasserin nach § 1374 Abs. 2 BGB u.a. der Pflichtteilsanspruch berücksichtigt, den die Erblasserin durch den Tod ihrer Mutter im Januar 2005 erworben und auch geltend gemacht hatte. Der Pflichtteilsanspruch war zum Todeszeitpunkt der Erblasserin verjährt und wurde von den Erben der Mutter deshalb nicht erfüllt. Das FA berücksichtigte daher den Pflichtteilsanspruch weder als Erwerb des Klägers i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 ErbStG noch als Endvermögen der Erblasserin bei der Berechnung des fiktiven Zugewinnausgleichs.
Mit der Einspruchsentscheidung blieb das FA im Grundsatz bei dieser Handhabung. Es zog aber vom Wert des Pflichtteilsanspruchs die Erbschaftsteuer ab, die es für den Erwerb dieses Anspruchs gegen die Erblasserin festgesetzt hatte, und nahm auf den verbleibenden Betrag eine Inflationsbereinigung nach zivilrechtlichen Grundsätzen vor.
Das FG gab der gegen die Hinzurechnung des Pflichtteilsanspruchs zum Anfangsvermögen der Erblasserin gerichteten Klage statt. Nur die Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs führe zu einer Erhöhung des anzusetzenden Anfangsvermögens (FG München, Urteil vom 17.10.2018, 4 K 1948/17, Haufe-Index 12475104, EFG 2019, 188).
Entscheidung
Der BFH gab der Revision des FA statt und wies die Klage unter Berücksichtigung der in den Praxis-Hinweisen dargelegten Grundsätze ab. Das FA habe die Erbschaftsteuer in zutreffender Höhe festgesetzt.
Hinweis
Der BFH befasst sich im Besprechungsurteil mit der Frage, wie sich ein Pflichtteilsanspruch, den die Erblasserin erworben hatte, bei der Berechnung der fiktiven, nicht der Erbschaftsteuer unterliegenden Zugewinnausgleichsforderung des überlebenden Ehemannes auswirkt, wenn der Anspruch nicht erfüllt wurde. Der BFH geht dabei von der Rechtsprechung des BGH zur Berechnung des Zugewinnausgleichs aus.
1. Der Erbschaftsteuer unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG u.a. der Erwerb durch Erbanfall i.S.d. § 1922 Abs. 1 BGB. Wird der Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§ 1363 BGB, § 6 LPartG) durch den Tod eines Ehegatten oder den Tod eines Lebenspartners beendet und der Zugewinn nicht nach § 1371 Abs. 2 BGB ausgeglichen, gilt beim überlebenden Ehegatten oder beim überlebenden Lebenspartner der Betrag, den er nach Maßgabe des § 1371 Abs. 2 BGB als Ausgleichsforderung geltend machen könnte, nicht als Erwerb i.S.d. § 3 ErbStG (§ 5 Abs. 1 ErbStG). Dieser fiktive Zugewinnausgleichsanspruch wird nach denselben zivilrechtlichen Grundsätzen berechnet wie ein tatsächlich geltend gemachter Zugewinnausgleichsanspruch.
2. Nach § 1371 Abs. 2 BGB kann der überlebende Ehegatte, wenn er nicht Erbe wird und ihm auch kein Vermächtnis zusteht, Ausgleich des Zugewinns nach den Vorschriften der §§ 1373 bis 1383, 1390 BGB verlangen.
a) Zugewinn ist nach § 1373 BGB der Betrag, um den das Endvermögen eines Ehegatten das Anfangsvermögen übersteigt. Übersteigt der Zugewinn des einen Ehegatten den Zugewinn des anderen, so steht die Hälfte des Überschusses dem anderen Ehegatten als Ausgleichsforderung zu (§ 1378 Abs. 1 BGB).
b) Vermögen ist die Wertsumme aller Gegenstände, die einem Ehegatten beim Eintritt des Güterstands (§ 1374 Abs. 1 BGB, Anfangsvermögen) bzw. bei Beendigung (§ 1375 Abs. 1 Satz 1 BGB, Endvermögen) nach Abzug der Verbindlichkeiten gehören.
c) Zum Anfangsvermögen i.S.d. §§ 1374 Abs. 1, 1363 Abs. 1 BGB zählen alle dem Ehegatten am Stichtag zustehenden rechtlich geschützten Positionen von wirtschaftlichem Wert, d.h. also neben den einem Ehegatten gehörenden Sachen alle ihm zustehenden objektiv bewertbaren Rechte, die beim Eintritt des Güterstands bereits bestanden haben.
Dazu gehören u.a. auch geschützte Anwartschaften mit ihrem gegenwärtigen Vermögenswert sowie die ihnen vergleichbaren Rechtsstellungen, die einen Anspruch auf künftige Leistung gewähren, sofern diese nicht mehr von einer Gegenleistung abhängig und nach wirtschaftlichen Maßstäben (notfalls durch Schätzung) bewertbar sind. Der Wert muss nicht zwingend sogleich verfügbar sein. Die Berücksichtigung eines Rechts im Anfangsvermögen setzt auch nicht voraus, dass das Recht bereits fällig, unbedingt oder vererblich ist.
Nicht zum Anfangsvermögen gehören demgegenüber noch in der Ent...