Leitsatz
1. Auf Kapitalerträge aus Kapitalforderungen, die zum Zeitpunkt des vor dem 01.01.2009 erfolgten Erwerbs zwar Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung (EStG a.F.), aber nicht Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. (sog. Finanzinnovationen) sind, ist § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 vom 14.08.2007 (BGBl I 2007, 1912) nicht anzuwenden.
2. § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG ist nur auf Sachverhalte anwendbar, für die der Anwendungsbereich der durch das UntStRefG 2008 vom 14.08.2007 (BGBl I 2007, 1912) neu eingeführten Veräußerungstatbestände in § 20 Abs. 2 Satz 1 EStG eröffnet ist.
3. Die bis zum Senatsurteil vom 11.07.2017 – IX R 36/15 (BFHE 258, 427, BStBl II 2019, 208) anerkannten Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen sind weiter anzuwenden, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum 27.09.2017 geleistet hatte oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden war und er keinen Antrag auf Anwendung der Neuregelung in § 17 Abs. 2a EStG i.V.m. § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG i.d.F. des Gesetzes zur weiteren Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 (BGBl I 2019, 2451) gestellt hat.
Normenkette
§ 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 2a, § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 EStG, § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F.
Sachverhalt
Der Kläger war zu 30 % an einer GmbH beteiligt und deren Geschäftsführer. Im Jahr 2003 nahm die GmbH Bankkredit in Anspruch, für den u.a. der Kläger Sicherheiten aus seinem Privatvermögen stellte. Im Jahr 2007 gewährte der Kläger der GmbH ein Darlehen, um das Bankdarlehen zurückführen zu können. Die Kündigung war ausgeschlossen. Zum 31.12.2017 erklärte der Kläger den Rangrücktritt. Am 30.9.2011 verzichtete der Kläger gegenüber der GmbH auf sämtliche Forderungen aus dem Darlehen und veräußerte anschließend seinen Geschäftsanteil mit Verlust. Steuerlich machte er den Verlust des Stammkapitals und des Darlehens geltend. Das FA berücksichtigte nur den Verlust des Stammkapitals. Das FG gab der Klage statt. Zwar seien die Voraussetzungen des § 17 EStG nicht gegeben. Das Darlehen sei nicht in der Krise gewährt worden. Der Verzicht auf den Rückzahlungsanspruch sei jedoch gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG steuerbar (FG Münster, Urteil vom 12.3.2018, 2 K 3127/15 E, Haufe-Index 11721246, EFG 2018, 947).
Entscheidung
Auf die Revision des FA hat der BFH das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. § 20 Abs. 2 EStG war im Streitfall nicht anwendbar, weil der Kläger seine Forderung 2007 erworben hatte. Und bei der Anwendung von § 17 EStG fand der BFH keinen Fehler.
Forderungsverzicht bei § 17 Abs. 2a geltend machen!
Nach den bisherigen Grundsätzen führte ein Forderungsverzicht bei § 17 EStG nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten. Vielmehr musste im Hinblick auf den Zeitpunkt der Entstehung des Verlusts der endgültige Ausfall der Forderung abgewartet werden. Allerdings könnte dies unter § 17 Abs. 2a EStG anders sein. Der Wortlaut ("Forderungsverluste") ist insofern eindeutig (§ 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 2 EStG). Verluste können durch Tun realisiert werden; ein Forderungsausfall muss abgewartet werden. Auch unter diesem Aspekt empfiehlt es sich, in entsprechenden Fällen den Antrag auf rückwirkende Anwendung von § 17 Abs. 2a EStG zu stellen.
Hinweis
Der Besprechungsfall hatte im Vorfeld wohl hohe Erwartungen ausgelöst, versprach er doch eine höchstrichterliche Klärung zu der aktuell viel diskutierten Frage, bei welcher Norm (§ 17 oder § 20 EStG) der Verzicht auf ein Gesellschafterdarlehen zu berücksichtigen ist. Daran gemessen, ist das Ergebnis ernüchternd:
1. Das FG hatte übersehen, dass (der neue) § 20 Abs. 2 EStG nach der einschlägigen Anwendungsvorschrift auf vor dem 1.1.2009 erworbene Kapitalforderungen, die keine Finanzinnovationen sind, nicht anzuwenden ist (Leitsatz 1; wie BFH, Urteil vom 9.7.2019, X R 9/17, BFH/NV 2020, 124, BFH/PR 2020, 60). Damit entfiel die tragende Begründung des angefochtenen Urteils, denn das FG hatte den Forderungsverzicht (mit dem VIII. Senat des BFH) unter § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG subsumiert. Der IX. Senat konnte deshalb offenlassen, ob die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung des Verlusts aus dem Forderungsverzicht gegeben waren. Die Sachfrage konnte also nicht geklärt werden.
2. Hinsichtlich des vom FG zuvor verneinten § 17 EStG hielt der BFH die tatsächliche Würdigung des FG für revisionsrechtlich unbedenklich (vertretbar und bindend). Sie befasste sich mit der Frage, ob das Darlehen in der Krise gewährt oder stehen gelassen worden war und wie es zu bewerten war.
3. Die danach eigentlich nicht zu erwartende Veröffentlichung des Urteils ist wohl einerseits dem öffentlichen Interesse an diesem Verfahren und andererseits dem Umstand geschuldet, dass de...