OFD Münster, Verfügung v. 15.12.2011, Kurzinformation Einkommensteuer Nr. 25/2011
Die Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht und – damit einhergehend – der Verpflichtung zur Ableistung des Zivildienstes wirft auch für den steuerlichen Familienleistungsausgleich einige Rechtsfragen auf. Die Fragen sind auf Bund-Länder-Ebene erörtert worden. Zudem entstehen neue Fragestellungen hinsichtlich des neu eingeführten Bundesfreiwilligendienstes.
1. Kinder, die einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 14b des Zivildienstgesetzes (ZDG) leisten
Dienste im Sinne des § 14b ZDG sind Dienste im Ausland, die das friedliche Zusammenleben der Völker fördern, von einem nach § 14b Abs. 3 ZDG anerkannten Träger durchgeführt werden und von einem anerkannten Kriegsdienstverweigerer unentgeltlich anstelle des Zivildienstes geleistet werden. Die Aussetzung der Verpflichtung zur Ableistung des Zivildienstes führt dazu, dass der in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG geregelte Berücksichtigungstatbestand „anderer Dienst im Ausland im Sinne von § 14b des Zivildienstgesetzes” nicht mehr verwirklicht werden kann.
Nach der Übergangsregelung in § 83 ZDG ist Zivildienst nach dem 30.6.2011 nur noch freiwillig ableistbar. Kinder, die einen anderen Dienst im Ausland im Sinne des § 14b ZDG absolvieren, werden nur berücksichtigt, wenn die nach § 14b Abs. 1 Nr. 1 ZDG erforderliche vertragliche Vereinbarung vor dem 1.7.2011 abgeschlossen wurde. Nach § 83 ZDG G sind Zivildienstleistende spätestens mit Ablauf des 31.12.2011 zu entlassen. Deshalb erscheint es nicht vertretbar, den inländischen Zivildienst am 31.12.2011 auslaufen zu lassen und dessen Ersatzdienst im Ausland nach § 14b ZDG länger zu fördern. Eine Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG i.V.m. einem anderen Dienst im Ausland nach § 14b ZDG kann längstens bis zum 31.12.2011 erfolgen.
2. Zusätzliche Dienstzeiten als Verlängerungstatbestand nach § 32 Abs. 5 EStG
Durch das Wehrrechtsänderungsgesetz 2010 wurde die Dauer des Grundwehrdienstes und des als Kriegsdienstverweigerer zu leistenden Zivildienstes von neun auf sechs Monate verkürzt. Nach den im Gesetz bestehenden Übergangsregelungen können Wehr- und Zivildienstleistende auf Antrag auch Dienst in der ursprünglichen Dauer von neun Monaten leisten. Diese drei zusätzlichen Monate sind beim möglichen Verlängerungszeitraum nach § 32 Abs. 5 EStG einzubeziehen.
Durch das Wehrrechtsänderungsgesetz 2010 wurde die Möglichkeit geschaffen, im Anschluss an den sechs- bzw. neunmonatigen Zivildienst einen freiwilligen zusätzlichen Zivildienst von mindestens drei bis höchstens sechs Monaten zu leisten (§ 41a ZDG). Auch diese zusätzlichen Dienstzeiten sind bei der Ermittlung des Verlängerungszeitraums nach § 32 Abs. 5 Satz 1 EStG zu berücksichtigen.
3. Neue Freiwilligendienste ab 1.7.2011
Mit der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Umsetzung des „Internationalen Jugendfreiwilligendienstes” vom 20.12.2010 (GMBl S. 1778) und dem Gesetz zur Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes vom 28.4.2011 (BGBl 2011 I S. 687) wurden zum 1.7.2011 zwei neue Freiwilligendienste geschaffen. Der Bundesfreiwilligendienst wird als Nachfolgedienst für den Zivildienst eingeführt.
Der Gesetzgeber hat die Aufnahme dieser neuen Freiwilligendienste in den Katalog des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG mit dem Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften verwirklicht (BeitrRLUmsG vom 7.12.2011, BGBl 2011 I S. 2592). Es besteht also auch in diesen Fällen – anders als beim bisherigen Zivildienst – Anspruch auf Kindergeld bzw. auf die Freibeträge für Kinder.
Das BZSt hatte die Familienkassen zunächst mit Schreiben vom 24.6.2011 (BStBl 2011 I S. 579) angewiesen, offene Kindergeldanträge zu den o.g. Freiwilligendiensten zurückzustellen, bis das parlamentarische Verfahren zum Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften abgeschlossen ist.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d
EStG § 32 Abs. 5;
ZDG § 14b