Leitsatz
Für eine (Auslands-)Reise kann ein hinreichend konkreter beruflicher Anlass auch dann vorliegen, wenn es sich zwar um die Teilnahme an einer Gruppenreise handelt, die Organisation und Durchführung einer solchen Reise jedoch Dienstaufgabe des damit betrauten Arbeitnehmers ist.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG , § 12 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin war als wissenschaftliche Hilfskraft an einem Universitätsinstitut für Geografie beschäftigt. Sie nahm vom 25.9. – 15.10.1999 an einer unter ihrer Beteiligung vorbereiteten und organisierten Exkursion in den Südwesten der USA (Nationalparks usw.) teil. In ihrer ESt-Erklärung für 1999 machte die Klägerin Aufwendungen (u.a. Reisekostenanteil, Verpflegungsmehraufwendungen usw.) in Höhe von 7774 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend.
Das FA lehnte dies ab. Die Klage blieb erfolglos. Das FG hielt die Rechtsprechung des BFH zu Auslandsgruppenreisen für einschlägig. Die der Klägerin entstandenen Kosten unterfielen als sog. gemischte Aufwendungen dem Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG.
Entscheidung
Der BFH hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Dem FG wurde aufgegeben festzustellen, ob die Teilnahme der Klägerin an der von ihr vorbereiteten Exkursion durch ihre berufliche Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft veranlasst war. Insbesondere sei zu prüfen, welche Aufgaben im Einzelnen die Klägerin während der Reise wahrzunehmen hatte bzw. ob es sich bei der Klägerin um eine dienstliche (Pflicht-)Veranstaltung gehandelt habe.
Hinweis
1. Die Besprechungsentscheidung zeigt nochmals anschaulich, dass FÄ und FGe häufig geneigt sind, ohne hinreichende Aufklärung des Sachverhalts gemischte Aufwendungen anzunehmen und das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG durchgreifen zu lassen. Angesichts der Tatsache, dass die Finanzgerichtsbarkeit nur eine Tatsacheninstanz kennt, ist aber regelmäßig auf eine sorgfältige Aufklärung des Sachverhalts besonderen Wert zu legen.
2. Der BFH stellt mit der Besprechungsentscheidung nochmals klar, dass zunächst zu klären ist, ob ein unmittelbarer beruflicher Anlass besteht, der es erlaubt, die geltend gemachten Aufwendungen der beruflichen Sphäre zuzuweisen. Diese vorrangige Prüfung ist deshalb unerlässlich, weil beruflich bedingte Kosten keine gemischten Aufwendungen i.S.d. § 12 Nr. 1 EStG darstellen.
Der BFH betont abermals (ebenso wie im Urteil vom 3.7.2002, VI R 93/00, BFH-PR 2002, 452), dass die in der bisherigen Rechtsprechung angeführten Anlässe (Aufsuchen eines Geschäftsfreundes, Durchführung eines Forschungsauftrags, Vortrag auf einem Fachkongress usw.) lediglich Beispiele für einen solchen unmittelbaren beruflichen Anlass bilden bzw. für einen engen und konkreten Bezug zur beruflichen Tätigkeit darstellen.
Die FGe bleiben also aufgerufen, anhand des konkreten Sachverhalts in wertender Betrachtung zu prüfen, ob ein solcher vergleichbarer Sachverhalt vorliegt. Die tatrichterliche Würdigung des Tatrichters ist dabei revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar; sie ist nur insoweit revisibel, als Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze vorgekommen sind.
3. Konkret hat der BFH im Besprechungsfall die im Grund eindeutig zu beantwortende Frage bejaht, dass ein unmittelbarer beruflicher Anlass auch dann vorliegen kann, wenn ein Angestellter dienstliche Aufgaben, wie z.B. die Organisation einer Reise vor Ort, wahrnimmt. Ist dies der Fall, so ist seine Teilnahme selbst dann beruflich veranlasst, wenn es sich um eine typische (Auslands-)Gruppenreise mit häufigem Ortswechsel usw. handelt.
4. In vielen Fällen wird angenommen, eine fehlende Kostenerstattung durch den Arbeitgeber lasse den Schluss auf eine privat veranlasste Reise zu. Der BFH folgte dem in dieser Allgemeinheit nicht. Er betonte, der Schluss auf private Erwägungen des Steuerpflichtigen sei insbesondere dann nicht gerechtfertigt, wenn eine Kostenerstattung durch den Arbeitgeber (hier: Universitätsinstitut) wegen fehlender (öffentlicher) Mittel nicht erfolgen könne.
Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Gerade engagierte Arbeitnehmer (z.B. Lehrer) wären doppelt benachteiligt; einmal dadurch, dass sie aus den bezeichneten Umständen keine Kostenerstattung erhalten, zum anderen überdies dadurch, dass ihnen der Werbungskostenabzug versagt wird, obgleich sie dienstliche Aufgaben wahrgenommen haben.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 27.8.2002, VI R 22/01