Leitsatz
Ein Kind, das an einem Tag in der Woche die Berufschule besucht und damit seine Berufschulpflicht erfüllt, sich jedoch weder in einem Berufsausbildungsverhältnis befindet, noch sonst ausbildungsfördernde Aktivitäten entfaltet, befindet sich nicht in Berufsausbildung.
Sachverhalt
Strittig ist, ob sich die am 15.05.1983 geborene Tochter V des Klägers ab Juni 2001 in Berufsausbildung befunden hat und demzufolge nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a) EStG als Kind für das Kindergeld zu berücksichtigen ist.
V besuchte von September 1999 bis Juli 2002 die Berufschule allein zur Erfüllung ihrer Berufschulpflicht. Sie stand daneben in keinem Berufsausbildungsverhältnis. V besuchte die Berufschule einmal in der Woche und nahm am Unterricht im Umfang von 9 Schulstunden teil.
Vom Ferienbeginn 30.07.2001 bis zum 21.09.2001 war V als Hilfsarbeiterin im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses tätig. Von Oktober 2001 bis Juni 2002 war V bei einer Reinigungsfirma mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von maximal 15 Stunden beschäftigt.
Die Familienkasse lehnte den Kindergeld-Antrag des Klägers für die Zeit nach Vollendung des 18. Lebensjahres ab. Die Tochter befinde sich nicht in Berufsausbildung, da der Berufschulunterricht nur in Teilzeit stattgefunden habe.
In dem auf die Anfechtung der Einspruchsentscheidung folgenden Klageverfahren trug der Kläger vor, seine Tochter befinde sich in Berufsausbildung, nachdem sie regelmäßig die Berufschule besucht habe und damit in eine schulische Mindestorganisation eingebunden gewesen sei. Neben den 9 wöchentlichen Unterrichtsstunden verbringe V auch Zeit für die häusliche Vor- und Nachbereitung des Unterrichtsstoffes, denn es erfolgten regelmäßig mündliche und schriftliche Leistungskontrollen. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass der häusliche Zeitaufwand den wöchentlichen Unterrichtsstunden entspreche. V habe während der gesamten Berufschulzeit den Wunsch gehabt, den Beruf der Einzelhandelskauffrau bzw. Verkäuferin zu erlernen. Aufgrund ihrer schulischen Leistungen, die auch durch die geringen Deutschkenntnisse bedingt gewesen seien, habe sie jedoch keine Ausbildungsstelle gefunden.
Die Familienkasse vertritt im Klageverfahren die Auffassung, der Berufschulbesuch sei im Streitfall keine Berufsausbildung, da er nicht dazu gedient habe, V auf einen künftigen Beruf vorzubereiten. V habe mit dem Berufschulbesuch kein konkretes Berufsziel verfolgt, weil damit nur der Berufschulpflicht Genüge getan worden sei. Auch sei die Zeit und die Arbeitskraft des Kindes durch die 9 wöchentlichen Berufschulstunden nicht ausreichend in Anspruch genommen worden. Zusätzliche ausbildungsfördernde Aktivitäten habe V nämlich neben dem Berufschulbesuch nicht entfaltet.
Entscheidung
Die Tochter V befand sich allein wegen des Berufschulbesuchs nicht in einer Berufsausbildung i.S. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a) EStG. Damit hat der Kläger keinen Anspruch auf Kindergeld.
Der Besuch einer allgemein-bildenden Schule ist nur dann als Berufsausbildung anzusehen, wenn die Schule Zeit und Arbeitskraft des Kindes dermaßen in Anspruch nehme, dass ein greifbarer Bezug zu dem angestrebten Berufsziel hergestellt werde. Die Rechtsprechung verlange hierzu einen Umfang von wöchentlich mindestens 10 Unterrichtsstunden. Die Unterschreitung dieser Grenze sei nur dann unschädlich, wenn das Kind neben dem Unterrichtsbesuch zusätzliche ausbildungsfördernde Aktivitäten entfalte, die über das übliche Maß hinausgehen.
Der Berufschulbesuch der Tochter V umfasse nur 9 wöchentliche Unterrichtsstunden und unterschreite damit die Grenz von 10 Stunden. Ausbildungsfördernde Aktivitäten, z.B. die praktische Anwendung des in der Schule Gelernten, habe V nicht entfaltet. Auch habe der Kläger nicht glaubhaft dargelegt, dass seine Tochter für die häusliche Vor- und Nachbereitung eine über das übliche Maß hinausgehende Zeit aufgewendet habe.
Im übrigen sei die Tochter V auch nicht als Kind zu berücksichtigen, das mangels Ausbildungsplatz eine Berufsausbildung nicht beginnen oder fortsetzen könne (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 b) EStG). Dies setze nämlich ernsthafte Bemühungen des Kindes um einen Ausbildungsplatz voraus, die vom Berechtigten durch geeignete Unterlagen (z.B. schriftliche Bewerbungen, Zwischennachrichten oder Ablehnungen der jeweiligen Bewerbungsadressaten) nachzuweisen seien. Derartige Bemühungen des Kindes habe der Kläger weder dargelegt noch belegt. Der bloße Wille eines Kindes, eine Berufsausbildung zu beginnen, reiche für eine Berücksichtigung beim Kindergeld nicht aus.
Hinweis
1. Das Urteil des Finanzgerichts ist rechtskräftig.
2. Der Berufschulbesuch eines volljährigen Kindes reicht allein nicht aus, den Tatbestand der Berufsausbildung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a) EStG zu begründen, wenn der wöchentliche Umfang der Unterrichtsstunden nicht mindestens 10 Stunden ausmacht und das Kind sich nicht in einem Berufsausbildungsverhältnis befindet. Lediglich die Erfüllung der Berufschulpflicht begründet nicht den Tatbestand der Berufsaus...