Dr. Hubertus Gschwendtner
Leitsatz
* Eine Berufsausbildung im Sinn von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG kann auch vorliegen, wenn diese im Rahmen einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahme nach § 19 Abs. 2 Satz 1, Alternative 1 des Bundessozialhilfegesetzes erfolgt. Das in diesem Rahmen gezahlte Entgelt ist keine Sozialhilfe, sondern Arbeitslohn.
* Leitsatz nicht amtlich
Normenkette
§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a, Satz 2 EStG , § 2 BSHG , § 19 Abs. 2 Satz 1 BSHG
Sachverhalt
Die Tochter D der Klägerin lebte mit ihren eigenen beiden Kindern in B. Dort besuchte D bis Mai 1998 die Volkshochschule, um den Realschulabschluss zu machen. In dieser Zeit erhielt sie Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Ab dem 1. Juni nahm sie an einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahme für Sozialhilfeempfängerinnen nach § 19 BSHG teil. Diese Maßnahme hatte die Ausbildung zur "Kauffrau für Bürokommunikation" zum Ziel und sollte mit einer Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer enden. D schloss hierzu einen Arbeitsvertrag mit dem Bezirksamt B.
Nachdem der Beklagte davon Kenntnis erhalten hatte, dass D für diese Tätigkeit monatlich 2.772,57 DM bezog, hob er die Kindergeldfestsetzung für die Zeit ab dem 1.1.1998 auf. Hierbei vertrat er die Auffassung, D habe sich 1998 ganzjährig in Ausbildung befunden und mit ihren Einkünften und Bezügen den Jahresgrenzbetrag überschritten.
Entscheidung
FG und BFH bestätigten diese Beurteilung. D habe sich auch in der Zeit ab dem 1.6.1998 und damit im gesamten Jahr 1998 in Berufsausbildung befunden. Entscheidend sei, dass sie sich auf ein Berufsziel vorbereitet habe. Dagegen sei für die Qualifizierung der Tätigkeit als Berufsausbildung ohne Belang, ob und wie viel sie dabei verdient habe; diese Frage sei erst bei der Prüfung zu klären, ob der Jahresgrenzbetrag überschritten sei. Und es sei auch ohne Bedeutung, dass sich D unter Zwang auf die Ausbildung im Rahmen einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahme nach dem BSHG eingelassen habe. Auch solche Maßnahmen dienten noch einem "angestrebten" Berufsziel.
Hinweis
Berufsausbildung im Sinn von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG sind alle Maßnahmen, die dem Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen dienen, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind (vgl. dazu u.a. BFH, Urteil vom 16.4.2002, VIII R 58/01, BFH-PR 2002, 329). Soweit sich die Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) im üblichen Rahmenplan für einen angestrebten Beruf halten, sind sie deshalb inhaltlich Berufsausbildung. An dieser Beurteilung ändert sich nichts dadurch, dass das Kind gezwungen ist, sich auf diese Maßnahmen einzulassen oder auf die Sozialhilfeleistungen zu verzichten.
Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang aber auch, ob das vom Kind aufgrund einer solchen Maßnahme bezogene Entgelt eine Sozialhilfeleistung ist. Wäre das der Fall, müsste geprüft werden, ob das Entgelt zu den Bezügen i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zu rechnen ist mit der Folge, dass das Kindergeld entfällt, wenn der in dieser Bestimmung festgestellte Jahresgrenzbetrag überschritten ist; dieser Beurteilung könnte nach § 2 BSHG der "Grundsatz der Nachrangigkeit der Sozialhilfeleistungen" entgegenstehen (vgl. z.B. Mergler/Zink, BSHG, Fach B, § 90 RZ 69).
Einer Stellungnahme zu dieser Frage ist man im vorliegenden Fall enthoben. Denn jedenfalls dann, wenn ein Entgelt für die Zur-Verfügung-Stellung der Arbeitskraft gezahlt wird, handelt es sich um Arbeitslohn und mithin um Einkünfte, die am Jahresgrenzbetrag zu messen sind.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 1.7.2003, VIII R 75/02