Im Zusammenhang mit der Versorgung eines Unternehmens mit den benötigten Produktionsfaktoren werden Begriffe wie Einkauf, Beschaffung, Materialwirtschaft, Beschaffungslogistik oder Supply (Chain) Management verwendet. Die Definitionen überschneiden bzw. widersprechen sich teilweise, die Aufgaben und Ziele sind unterschiedlich definiert und abgegrenzt.[1] Im vorliegenden Beitrag wird der Begriff Beschaffung verwendet; darunter werden alle strategischen wie auch operativen Tätigkeiten subsumiert, die auf die Bereitstellung der zur Erfüllung der unternehmerischen Aufgaben notwendigen (Beschaffungs-)Objekte – Sachgüter, Materialien, Dienstleistungen, Rechte, Information und Energie – abzielen, über die ein Unternehmen nicht selbst verfügt.

 
Hinweis

Beschaffung im engeren Sinn

Dabei handelt es sich um die Beschaffung ‹im engeren Sinn›. Im weiteren Sinn umfasst die Beschaffung die Versorgung des Unternehmens mit allen Produktionsfaktoren, also auch Personal und Finanzmittel.

[1] Vgl. ausführlich Tschandl/Schentler, 2008, S. 7–9.

2.1 Große Hebelwirkung auf Gewinn und Rentabilität

Die Bedeutung des Beschaffungscontrollings korreliert mit der Bedeutung der Beschaffung und diese wiederum mit ihrem Beitrag zum Unternehmenserfolg. In vielen Branchen ist der Beschaffung ein bedeutender Einfluss auf die gesamte Wertschöpfungskette zuzuschreiben, bewirken doch Kostenoptimierungen in diesem Bereich eine enorme Hebelwirkung auf das Unternehmensergebnis. Die Kosten- und teilweise auch Nutzenaspekte können anhand des ROI-(Return-on-Investment-)Schemas vereinfacht dargestellt werden (s. Abb. 1).

In der Grafik zeigen die Zahlen in den dunklen Ellipsen ein Beispiel: 1.000 Geldeinheiten Umsatz führen bei 70 % variablen Kosten (am Umsatz, davon 60 % Materialzukauf) und 25 % Fixkosten zu 50 Einheiten Gewinn und somit zu 5 % Umsatzrentabilität bzw. 10 % ROI. Eine Senkung der Materialkosten durch Beschaffungsaktivitäten ist in den hellen Ellipsen angeführt: Bei einer Reduktion um 10 % erhöht sich der Gewinn bei gleichbleibenden sonstigen Kosten um 60 Einheiten auf 110 Einheiten. Die Umsatzrentabilität steigt auf 11 %, der ROI auf 22 %.

Um eine ähnliche Ergebnis- und Rentabilitätsverbesserung umsatzseitig zu erreichen, wären bei gleichbleibender Kosten- und Preisstruktur (und ohne Fixkostensprünge) für 60 zusätzliche Gewinneinheiten 200 zusätzliche Umsatzeinheiten notwendig, also in diesem Beispiel eine 20%ige Umsatzsteigerung gegenüber 10 % Materialkostensenkung. Möchte man allerdings dieselbe Rentabilität erreichen, so ist eine Umsatzsteigerung von über 31 % notwendig. Das bedeutet: Für gleiche Rentabilitäten sind entsprechend höhere Umsatzsteigerungen erforderlich, die aber tendenziell höhere Produktionsmengen und damit Investitionen (Fixkostensprünge) erfordern.

Abb. 1: Einfluss der Beschaffung auf das Unternehmensergebnis[1]

[1] Entnommen aus Bäck et al., 2007; Ähnlich auch Schentler, 2008.

2.2 Ansatz des Beschaffungscontrollings

Wo muss nun das Beschaffungscontrolling im Unternehmen wirken, um die Realisierung der dargestellten Gewinn- und Rentabilitätspotenziale zu unterstützen und zu ermöglichen?

2.2.1 Einzelkosten, Strukturkosten und Prozesse

Grundsätzlich haben die Materialkosten (oder umfassender die Beschaffungsobjektkosten) einen wesentlichen Einfluss auf das Unternehmensergebnis. Sie umfassen die Einkaufspreise, Rabatte und Zuschüsse, öffentliche Abgaben (beispielsweise Zölle), Subventionen, Vermittlungsentgelte, Transport-, Verpackungs- und Versicherungskosten. Die Effektivitätspotenziale der Beschaffung zu nutzen, bedeutet aber nicht nur, eine Kostenreduzierung im Vergleich zu Vorperioden oder dem (Beschaffungs-)Budget zu realisieren. Auch Kostenvermeidung wie beispielsweise die Abwehr einer vom Lieferanten beabsichtigten Preiserhöhung oder die Verringerung von Produkt- bzw. Produktionskosten durch die Integration der Beschaffung in die Entwicklung können drohende (Opportunitäts-)Kosten verhindern. Über den Einstandspreis hinaus beeinflussen die Beschaffungsobjekte zusätzlich zu beachtende Folgekosten im Unternehmen, beispielsweise höhere Rüstkosten in der Produktion oder Mehraufwand für die Entsorgung. Es ist daher wichtig, eine Kostenbetrachtung über den gesamten Lebenszyklus durchzuführen.

Zudem werden durch die Beschaffungsaktivitäten auch Nutzenaspekte möglich. So kann die Materialwirkung erhöht werden, indem beispielsweise die Kompetenzen der Lieferanten in die eigene Leistungserstellung eingebunden und so Differenzierungsvorteile realisierbar werden – als Beispiele bei Automobilen wären das Marken von Sound- bzw. Techniksystemen, Produktqualitäten bei Kunststoffen für ein Armaturenbrett oder Know-how-Potenziale bei Hybridantrieben bzw. Lichtsystemen.

Die Effizienzpotenziale der Beschaffung lassen sich durch eine Optimierung der Beschaffungsprozesse und der damit verbundenen Transaktionskosten, also Anbahnungs-, Vereinbarungs-, Abwicklungs- und Kontrollkosten, erschließen. Dabei sind auch die Kosten des Lieferantenmanagements (inklusive Lieferantenanalyse, -bewertung und -förderung), der Lieferantenwahl sowie auch die Kosten der Pflege und der Auflösung von Geschäf...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?