OFD Chemnitz, Verfügung v. 27.09.2004, S2221-86/17-St22
1) BFH-Rechtsprechung
Mit Urteilen vom 03.12.2003, Az. XI R 11/03, bzw. vom 26.02.2004, Az. XI R 54/03, hat der BFH zur Kürzung des Vorwegabzugs bei Steuerpflichtigen mit mehreren Arbeitsverhältnissen bzw. bei zusammenveranlagten Ehegatten Stellung genommen. Diese sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Gleichzeitig werden die Regelungen in R 106 Satz 2 und 3 EStR außer Kraft gesetzt.
Der Vorläufigkeitsvermerk hinsichtlich der beschränkten Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen eröffnet keine eigenständige Änderungsmöglichkeit, da die getroffenen Rechtsentscheidungen auf einer „einfachgesetzlichen” Auslegung der Vorschriften des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG und des § 26b EStG beruhen und der Hinweis des BFH im Urteil vom 03.12.2003 auf eine verfassungskonforme Auslegung des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG lediglich als eine zusätzliche Begründung zu verstehen sein dürfte.
Das entsprechende BMF-Schreiben vom 13.08.2004, Az. IV C 4 – S 2221 – 155/04, ist im Intranet unter „Steuer / Einzelsteuerarten / sonstige Fachinformationen / Einkommensteuer / Sonderausgaben” veröffentlicht worden.
In Fällen, in denen die Finanzbehörde gegenüber dem Steuerpflichtigen den unzutreffenden Eindruck erweckt haben sollte, auf Grund des Vorläufigkeitsvermerks könne der Einkommensteuerbescheid (zu seinen Gunsten) geändert werden, bitte ich analog den Ausführungen in Tz. 4 der Verfügung vom 22.07.2004, Az. S2221-86/14-St22, zu verfahren.
2) Maschinelle Berücksichtigung bei Erstveranlagungen
Durch die maschinelle Berücksichtigung der BFH-Urteile entfallen die Hinweisfälle 4312 und 4313 sowie der Prüfhinweis 4319:
HWF 4312: |
Es wurde eine gekürzte Vorsorgepauschale angewiesen (Kz 87/88.35 = „1”), obwohl nur Arbeitslohn ohne Rentenversicherungspflicht vorliegt (Kz 87/88.15). Ein ungekürzter Vorwegabzug (Eintrag in Kz 87/88.15) ist insbesondere dann nicht zutreffend, wenn der Arbeitslohn (Kz 47/48.10/11) nicht rentenversicherungspflichtig ist, aber Pensionsanwartschaften ohne eigene Beitragsleistung bestehen, z. B. bei einem GmbH-Geschäftsführer mit Pensionszusage. |
HWF 4313: |
Es wurden Sozialversicherungsbeiträge (Kz 52.30/31 (bis 1998: Kz 13.30/31)) gemeinsam mit ungekürztem Vorwegabzug eingegeben (Kz 87/88.15). |
PHW 4319: |
Es liegt rentenversicherungspflichtiger Arbeitslohn (ggf. bei dem Ehegatten, R 106 S.3 EStR) vor, für den der Vorwegabzug zu kürzen ist. Die Eintragung zum Arbeitslohn ohne Kürzung (Kz 87/88.15) wurde deshalb nicht berücksichtigt. Der Ausschluss der Kürzung ist nur dann zulässig, wenn es sich um einen GmbH-Geschäftsführer ohne Pensionszusage handelt und wenn daneben keine weiteren Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit erzielt wurden (ggf. auch nicht vom Ehegatten). |
Die Kürzung des Vorwegabzugs wird künftig nach den in den Kz 87/88.15 eingegebenen Werten berechnet.
Eine eventuell gegenüber den gesamten eingegebenen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit (z. B. Kz 47.10) verbleibende Differenz wird als Vorliegen eines weiteren Beschäftigungsverhältnisses interpretiert und führt nicht mehr zum Löschen der Kz 87/88.15. Gleiches gilt für die ehegattenübergreifende Betrachtung der Eingaben zu den Kz 87/88.15 und den Eingaben zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit der Ehegatten.
3) Berichtigungen/Änderungen von bereits bestandskräftigen Bescheiden
Wird eine Veranlagung berichtigt/geändert, in der auf Grund alter Rechtsauffassung der Vorwegabzug vollständig gekürzt wurde, werden je nach Fallkonstellation die Prüfhinweise 4566 und/oder 4577 ausgegeben:
PHW 4566: |
Es liegt rentenversicherungspflichtiger Arbeitslohn vor. Aufgrund des BFH-Urteils XI R 11/03 vom 03.12.2003 wird die Eintragung zum Arbeitslohn ohne Kürzung des Vorwegabzugs (Kz 87/88.15) berücksichtigt. Bisher wurde bei der Veranlagung gem. R 106 S. 3 EStR 2003 die Eintragung zur Kz 87/88.15 nicht berücksichtigt. Bei Änderungen / Berichtigungen ist der Änderungsrahmen des § 177 AO zu berücksichtigen. |
PHW 4577: |
Es liegen mehrere Beschäftigungsverhältnisse aus nichtselbständiger Arbeit vor. Bei der Kürzung des Vorwegabzugs wurden nur die Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit einbezogen, bei denen der Arbeitgeber Zukunftssicherungsleistungen im Sinne des § 3 Nr. 62 EStG erbracht hat (BFH-Urteil vom 26.02.2004 – XI R 54/03). Bisher wurde bei der Veranlagung gem. R 106 S. 2 EStR 2003 die Eintragung zur Kz 87/88.15 nicht berücksichtigt. Bei Änderungen / Berichtigungen ist der Änderungsrahmen des § 177 AO zu berücksichtigen. |
4) Anwendung des § 177 AO
Falls ein Änderungsrahmen nach § 177 AO zu beachten ist (bei allen Bescheidänderungen, die nicht auf § 164 AO gestützt werden), sind folgende Fallvarianten denkbar:
- Der bestandskräftige Bescheid wird zu Lasten geändert. Eine Fehlersaldierung nach § 177 Abs. 1 AO ist möglich, soweit die Änderung zu Ungunsten reicht. Als Änderungsuntergrenze ist die bisher festgesetzte Steuer einzugeben (Kz 30.44).
- Der bestandskräftige Bescheid wird zu Gunsten geändert. Da die Berücksichti...