Leitsatz

Das Vermächtnis an einem inländischen Grundstück unterliegt nicht der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, § 121 Nr. 2 BewG § 1939, § 2147 BGB

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist die Nichte der im Jahr 2013 verstorbenen Erblasserin. Weder die Klägerin noch die Erblasserin verfügten in der Bundesrepublik Deutschland über einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt. Die Erblasserin hatte der Klägerin ein Vermächtnis über einen Anteil an einem im Inland belegenen Grundstück zugewandt. Im Jahr 2014 wurde in Erfüllung dieses Vermächtnisses ein entsprechender Miteigentumsanteil an dem Grundstück auf die Klägerin übertragen.

Das FA setzte für diesen Erwerb ErbSt gegenüber der Klägerin fest. Einspruch und Klage blieben erfolglos (FG München, Urteil vom 10.7.2019, 4 K 174/16, Haufe- Index 13380474, EFG 2019, 1545).

 

Entscheidung

Der BFH hob auf die Revision der Klägerin das FG-Urteil auf und gab ihrer Klage statt. Der durch Vermächtnis erworbene Anspruch auf Übertragung des Miteigentumsanteils an dem inländischen Grundstück unterliege nicht der beschränkten ErbSt-Pflicht.

 

Hinweis

1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt der ErbSt u.a. der Erwerb von Todes wegen. Als Erwerb von Todes wegen gilt nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG u.a. der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 BGB) oder durch Vermächtnis (§§ 2147ff. BGB). In Fällen, in denen keine unbeschränkte Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 ErbStG gegeben ist, tritt nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 ErbStG die Steuerpflicht für den Vermögensanfall ein, der in Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG besteht (beschränkte Steuerpflicht). Der Begriff des Inlandsvermögens wird in § 121 BewG abschließend bestimmt. In den dort genannten Fällen weist der Erwerbsvorgang Inlandsbezug z.B. dadurch auf, dass ein Gegenstand im Inland belegen ist (sachliche Anknüpfung). Zum Inlandsvermögen gehört u.a. das inländische Grundvermögen (§ 121 Nr. 2 BewG). Dieses muss Gegenstand des Erwerbs sein. Ein lediglich schuldrechtlicher Anspruch auf Übertragung von inländischem Grundvermögen als Erwerbsgegenstand reicht nicht aus.

2. Der im Wege eines Vermächtnisses erworbene Anspruch auf Übertragung eines inländischen Grundstücks ist kein Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG und unterliegt daher nicht der beschränkten Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 ErbStG.

a) Gegenstand des Vermögensanfalls i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG durch Vermächtnis, das einen Anspruch auf Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem inländischen Grundstück verschafft, ist nicht das anteilige inländische Grundstück, sondern vielmehr der Sachleistungsanspruch auf Verschaffung von Miteigentum an diesem Grundstück. Bei diesem Anspruch handelt es sich weder um inländisches Grundvermögen i.S.d. § 121 Nr. 2 BewG noch ist der Anspruch einer der anderen in § 121 BewG abschließend aufgezählten Kategorien zuzuordnen. Eine erweiternde Auslegung des § 121 BewG auf Vermächtnisse, die auf die Übertragung inländischen Grundvermögens gerichtet sind, kommt nicht in Betracht. Die in § 121 BewG gewählten Formulierungen sind abschließend.

b) Nach § 1939 BGB liegt ein Vermächtnis vor, wenn der Erblasser einem anderen, ohne ihn als Erben einzusetzen, einen Vermögensvorteil zuwendet. Nach § 2174 BGB begründet das Vermächtnis einen Anspruch des Berechtigten gegen den Erben auf Leistung des vermachten Gegenstands. Die vermächtnisweise Zuwendung geht nach deutschem Recht zivilrechtlich nicht dinglich von selbst über, sondern begründet nur ein Forderungsrecht gegen den Beschwerten (sog. Damnationslegat). Der schuldrechtliche Vermächtnisanspruch ist sodann dinglich zu erfüllen. Dies erfolgt bei Grundstücken durch Übertragung des Eigentums an dem Grundstück auf den Vermächtnisnehmer und dessen Eintragung im Grundbuch (§§ 873, 925 BGB und §§ 20, 29 GBO).

c) Unerheblich ist dabei, welches ausländische Recht auf das Vermächtnis anwendbar ist und ob das Vermächtnis nach dem ausländischen Erbstatut dingliche Wirkung entfaltet (sog. Vindikationslegat). Im Inland ist es als Damnationslegat anzusehen.

Mögliche Rechtsänderung für Todesfälle ab dem 17.8.2015

Mit der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (VO 650/2012, ABlEU 2012, Nr. L 201, 107) sowie dem EuGH-Urteil vom 12.10.2017, C‐218/16, Kubicka (EU:C:2017:755), dem zufolge einem Vermächtnis, das nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaats dingliche Wirkung entfaltet, auch im Inland eine solche zuzubilligen ist, brauchte sich der BFH in dem von ihm entschiedenen Streitfall nicht zu befassen. Ausweislich ihres Art. 83 gilt die VO 650/2012 erst für Todesfälle ab dem 17.8.2015. Art. 25 EGBGB dehnt ihren Anwendungsbereich lediglich sachlich, nicht jedoch zeitlich aus.

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