Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
4.1 Sachverhalt
Architekt A hat etwas außerhalb von Hamburg einen alten Resthof erworben, den er sowohl für seine selbstständige unternehmerische Tätigkeit als auch für private Wohnzwecke nutzen möchte. Der Kaufvertrag wurde im Januar 2023 abgeschlossen, Übergang von Nutzen und Lasten war für den 1.4.2023 vereinbart. Der Kaufpreis für den Resthof betrug nur 250.000 EUR, da ein nicht unerheblicher Instandhaltungsrückstau vorhanden war. In dem Kaufvertrag war kein Hinweis auf eine umsatzsteuerrechtliche Behandlung enthalten.
Ab April 2023 ließ A den Hof umfassend renovieren. Insgesamt wandte er 500.000 EUR zzgl. in ordnungsgemäßen Rechnungen gesondert ausgewiesener USt auf. Darüber hinaus musste A zur Sanierung des vom Holzbock befallenen Dachstuhls ein dänisches Spezialunternehmen beauftragen, das für 80.000 EUR – eine Rechnung wurde nicht ausgestellt – den Dachstuhl des Hofs sanierte. Sämtliche Arbeiten wurden im Juni 2023 fertig gestellt.
In dem Haus richtete A – wie von Beginn an geplant – sein Architekturbüro auf einer Fläche von 200 m² ein. Die restliche Fläche von 300 m² wird von ihm für private Wohnzwecke genutzt.
4.2 Fragestellung
A möchte wissen, in welchem Umfang er die Vorsteuer aus der Sanierung des Resthofs ziehen kann.
Darüber hinaus möchte A wissen, was er weiterhin unternehmen sollte, wenn er davon ausgeht, in den nächsten Jahren die Nutzfläche seines Architekturbüros zu erweitern.
4.3 Lösung
A ist Unternehmer, da er im Rahmen seines Architekturbüros selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht tätig ist. Soweit er das Haus für seine privaten Wohnzwecke nutzt, ist er nicht unternehmerisch tätig.
Generell kann er Leistungen, die er sowohl für unternehmerische als auch für private Zwecke verwenden möchte, insgesamt seinem Unternehmen zuordnen. Voraussetzung ist, dass der Gegenstand (Grundstück) zu mindestens 10 % für unternehmerische Zwecke verwendet wird.
Grundsätzlich ist A nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt, da hier davon ausgegangen wird, dass die Zuordnung der Leistungen insgesamt zum Unternehmen erfolgte.
Zuordnung zum Unternehmen muss dokumentiert werden
Soll ein nur teilweise unternehmerisch genutzter Gegenstand dem Unternehmen vollständig zugeordnet werden, muss die Zuordnungsentscheidung (materielle Voraussetzung) zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs getroffen werden. Die Zuordnungsentscheidung muss auch dokumentiert werden (formelle Voraussetzung). Nach der Rechtsprechung des BFH muss sich die Zuordnungsentscheidung aus objektiven Nachweisen innerhalb der gesetzlichen Abgabefrist für die Jahressteuererklärung ergeben. Gegenüber der Finanzverwaltung kann diese Dokumentation dann auch zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen werden.
Vorsteuerabzugsschädliche Ausgangsleistungen nach § 15 Abs. 2 UStG werden von A offensichtlich nicht ausgeführt.
Allerdings kann der Vorsteuerabzug nur insoweit vorgenommen werden, wie A das Grundstück/Gebäude für seine unternehmerischen Zwecke verwendet. Im Umfang der privaten Verwendung ist der Vorsteuerabzug ausgeschlossen.
Abzugsbeschränkung und Zuordnungsentscheidung trennen
Die Frage der Zuordnung des Grundstücks zum Unternehmen und die Beschränkung des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1b UStG sind systematisch zu trennen. Erst wenn das Grundstück nach § 15 Abs. 1 UStG dem Unternehmen vollständig zugeordnet worden ist, kann sich die Beschränkung des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1b UStG ergeben. Ist das Grundstück nur zum Teil dem Unternehmen zugeordnet worden, geht die Beschränkung nach § 15 Abs. 1b UStG ins Leere.
Grundsätzlich ist in der Praxis eine Vollzuordnung eines gemischt genutzten Grundstücks (privat und unternehmerisch verwendet) zu empfehlen, da nur in diesem Fall innerhalb des maßgeblichen (10-jährigen) Berichtigungszeitraums eine Erhöhung der unternehmerischen Nutzung zu einer Vorsteuerberichtigung führen kann.
Soweit einzelne Arbeiten nicht einem bestimmten Teil des Gebäudes zuzurechnen sind, muss eine Aufteilung des Vorsteuerabzugs erfolgen. Obwohl für solche Fälle des Ausschlusses des Vorsteuerabzugs keine speziellen Regelungen vorhanden sind, erfolgt die Aufteilung analog § 15 Abs. 4 UStG.
Analoge Anwendung
§ 15 Abs. 4 UStG regelt eigentlich die Aufteilung der Vorsteuer, wenn eine Eingangsleistung sowohl für vorsteuerabzugsberechtigende (steuerpflichtige) als auch für vorsteuerabzugsschädliche (steuerfreie) Ausgangsleistungen verwendet wird. Für den hier vorliegenden Fall des gesetzlich vorgeschriebenen Abzugsverbots wird § 15 Abs. 4 UStG deshalb nur analog angewendet.
Im vorliegenden Fall erscheint das Verhältnis der für unternehmerische und für private Zwecke genutzten Flächen das wirtschaftlich sinnvollste Aufteilungskriterium, sodass eine Vorsteuerabzugsberechtigung i. H. v. 40 % besteht (200 m² unternehmerische Nutzung von insgesamt 500 m²).
Da A insgesamt 500.000 EUR zzgl. 95.000 EUR (19 %) USt berechnet werden, kann er – soweit ordnungsgemäße Rechnungen vorliegen – 38.000 EUR Vorsteuer geltend machen.
Darüber ...