Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
5.1 Sachverhalt
Immobilienbesitzer I – ein Unternehmer mit Wohnort in Deutschland – ist unter anderem auch Eigentümer eines Gebäudes in Schaffhausen (CH). Gelegentlich kauft I auch Ersatzteile für dieses Gebäude in Deutschland ein, da er bei seinem Großhändler in Deutschland Vorzugspreise erhält.
Im April 2023 hat er bei seinem Händler einen neuen Heizungsbrenner Typ "Vectron" für 3.200 EUR zzgl. gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer erworben. Nach Auslieferung hat I den Heizungsbrenner in seinem eigenen Fahrzeug in die Schweiz transportiert und seinem Hausmeister übergeben, der den Brenner fachgerecht montiert hat.
5.2 Fragestellung
I möchte wissen, in welcher Höhe er die Umsatzsteuer aus der Eingangsrechnung als Vorsteuer abziehen kann, wenn er das Gebäude wie folgt verwendet:
- I betreibt in dem Gebäude ein Hotel.
- I vermietet das Gebäude ausschließlich an Wohnungsmieter für Wohnzwecke.
- I vermietet das Gebäude an eine Rechtsanwaltssozietät.
5.3 Lösung
I bezieht die Leistung als Unternehmer für sein Unternehmen. Die Lieferung des Händlers ist auch ein in Deutschland ausgeführter, steuerbarer Umsatz (steuerbare Lieferung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, die an dem Ort ausgeführt wurde, an dem die Warenbewegung nach § 3 Abs. 6 UStG begann). Die Lieferung des Händlers ist in Deutschland auch nicht nach § 4 UStG steuerbefeit. Damit ist die Umsatzsteuer für die Lieferung des Heizungsbrenners eine in Deutschland gesetzlich für die Lieferung geschuldete Umsatzsteuer, die in einer ordnungsgemäßen Rechnung ausgewiesen wurde.
Keine steuerfreie Ausfuhr
Bei der Lieferung des Händlers kann es sich nicht um eine steuerbefreite Ausfuhrlieferung nach § 4 Nr. 1 Buchst. a i. V. m. § 6 UStG handeln. Da I den Gegenstand der Lieferung selbst in das Drittlandsgebiet befördert, könnte eine steuerfreie Ausfuhrlieferung nur dann vorliegen, wenn der Abnehmer ein ausländischer Abnehmer ist. I kann aber kein ausländischer Abnehmer sein, da er seinen Wohnort (Zentrum seiner Lebensinteressen) offensichtlich nicht im Ausland hat.
Da das Unternehmen des I auch die Vermietung in der Schweiz umfasst, ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG gegeben.
Ob die Vorsteuer nach § 15 Abs. 2 UStG vom Abzug ausgeschlossen ist, bestimmt sich nach der Art der Ausgangsumsätze. Die Leistungen sind – unabhängig von der Art der Verwendung – Leistungen, die im Zusammenhang mit einem Grundstück ausgeführt werden, sodass der Ort seiner Ausgangsleistung nach § 3 a Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a UStG dort ist, wo das Grundstück belegen ist. Somit sind seine Ausgangsleistungen nicht in Deutschland steuerbar. In Ermangelung eines steuerbaren Ausgangsumsatzes kann der Umsatz nicht auf eine Steuerbefreiung hin geprüft werden, sodass der Vorsteuerabzug grundsätzlich nicht nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG vom Abzug ausgeschlossen sein kann. Allerdings bestimmt § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG, dass bei den in Deutschland nicht steuerbaren Umsätzen der Vorsteuerabzug dann ausgeschlossen ist, wenn die Ausgangsleistung – wäre sie im Inland ausgeführt worden – steuerfrei wäre. Damit ist zu prüfen, ob die Verwendung des Grundstücks in Deutschland zu einem steuerfreien Umsatz geführt hätte.
- Wenn I in dem Gebäude ein Hotel betreiben würde, würde dies in Deutschland zu nicht steuerbefreiten Umsätzen führen, da die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden ausdrücklich nicht steuerfrei ist. I kann damit den Vorsteuerabzug i. H. v. (3.200 EUR × 19 % =) 608 EUR in Deutschland geltend machen.
- Bei der Vermietung von Mietwohnungen würde es sich im Inland um eine zwingend nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfreie sonstige Leistung handeln. Eine Option nach § 9 UStG würde schon alleine deshalb ausgeschlossen sein, weil die Leistung nicht an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird. Die Vermietungsleistung wäre daher im Inland steuerfrei und würde damit den Vorsteuerabzug im Inland ausschließen. Eine Ausnahme vom Abzugsverbot nach § 15 Abs. 3 UStG liegt nicht vor. I kann damit in diesem Fall keinen Vorsteuerabzug vornehmen.
Die Vermietung des Gebäudes im Inland an die Rechtsanwälte würde ebenfalls zu einem steuerfreien Umsatz nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG führen. Allerdings könnte I in diesem Fall im Inland auf die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 UStG (Option) verzichten, da die Leistung an andere Unternehmer für deren Unternehmen ausgeführt wird. § 9 Abs. 2 UStG würde der Option auch nicht entgegenstehen, da die Mieter zum Vorsteuerabzug berechtigt sind.
Soweit die Vermietung des Gebäudes in der Schweiz tatsächlich steuerpflichtig ausgeführt wird, ist der Vorsteuerabzug für den Kauf des Heizungsbrenners nicht nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG ausgeschlossen, da der Umsatz im Inland durch Option steuerpflichtig gestellt werden könnte. Damit kann I die Umsatzsteuer aus der Rechnung des Händlers i. H. v. 608 EUR als Vorsteuer abziehen.