Alexander Becker, Jörg Leyk
3.1 Kurzvorstellung Bayer MaterialScience
Bayer MaterialScience ist als Tochterunternehmen des Bayer-Konzerns mit etwa 14.800 Mitarbeitern weltweit präsent. Die Schwerpunkte liegen in Europa, Asien und Amerika. Produziert wird an rund 30 größeren und diversen kleineren Standorten. Mit einem Umsatz von knapp 11 Mrd. EUR im Jahr 2011 gehört Bayer MaterialScience zu den weltweit größten Herstellern von Hightech-Werkstoffen.
Bayer MaterialScience entwickelt und produziert als weltweiter Marktführer Komponenten für harten und weichen Schaumstoff sowie für feste Stoffe. Das Spektrum an Anwendungen reicht von Matratzen über Skischuhe bis zu Dämmstoffen für Kühlgeräte und Gebäude. Führend ist Bayer MaterialScience auch bei der Entwicklung und Herstellung von Polycarbonaten. Diese Hochleistungskunststoffe werden beispielsweise in der Automobil- und Bauindustrie eingesetzt. Mit seinen Rohstoffen für Lacke, Beschichtungen, Kleb- und Dichtstoffe, die z. B. Autos, Flugzeuge und Windturbinen vor Witterungseinflüssen schützen, zählt Bayer MaterialScience ebenfalls zu den führenden Anbietern weltweit.
3.2 Dynamisches Umfeld
Veränderte Marktsituation
Die Marktsituation hat sich für Bayer MaterialScience in den letzten Jahren aufgrund der Veränderungen im petrochemischen Umfeld dramatisch gewandelt:
- Durch den Markteintritt aggressiver neuer Wettbewerber mit niedrigeren Kostenstrukturen und anderem Finanzierungshintergrund hat sich die Wettbewerbsstruktur signifikant verändert.
- Die Volatilität der Preise für petrochemische Rohstoffe ist stark gestiegen mit Schwankungen von bis zu 30 % innerhalb weniger Wochen. Diese Rohstoffe sind verantwortlich für den größten Teil der Herstellkosten. Dennoch ist eine Weitergabe der veränderten Kostensituation nur mit zeitlicher Verzögerung möglich und auch nur, wenn es die Marktsituation zulässt.
Infolgedessen benötigt Bayer MaterialScience agile Steuerungsinstrumente und -prozesse, um auf das volatile Umfeld adäquat und erfolgreich reagieren zu können. Die Planungs- und Forecast-Prozesse wurden erstmals 2009 signifikant überarbeitet.
3.3 Grundphilosophie des Planungs- und Forecast-Prozesses
10-jährige Langfristplanung
Der Planungsprozess der Bayer MaterialScience ist verankert im Rahmenprozess, den die Bayer AG als Holding vorgibt. Basis für die langfristige Unternehmenssteuerung ist darin die strategische Planung mit einem Horizont von 10 Jahren (BMS-spezifisch), davon 5 Jahre mit finanzieller Ergebnisrechnung. Diese findet im Frühjahr statt und wird jährlich rollierend aktualisiert. Der Fokus der Aktualisierung liegt dabei auf den Kernprämissen, d. h. primär der Nachfrage- und Kapazitätsentwicklung sowie dem Management von Investitionsvorhaben. Eine grundlegende strategische Planung über die Aktualisierung hinaus findet anlassbezogen alle 3 bis 5 Jahre statt.
1- bis 3-jährige Kurz- und Mittelfristplanung
Die Jahre 1 bis 3 der strategischen Planung bilden nachfolgend den Rahmen für die kurz- und mittelfristige Planung und sind die Basis für die sogenannte Konzernentwicklungskonferenz im Juli, in der die Ziele für die Teilkonzerne der Bayer AG festgelegt werden.
Unterjährige Planung
Unterjährig wird über einen quartalsweisen Finanz-Forecast gesteuert, der auf aggregiertem Detailniveau (Produktgruppe, Region) konsolidiert erstellt. Im zentralen SAP-BI-IP-System wird dazu auf Basis der Ist-Werte eine Trendfortschreibung erstellt. Darüber hinaus werden Treiber wie Währungskurse, Veränderung der Kosten für relevante Rohstoffe, etc. automatisch berücksichtigt, ebenso bereits im abgelaufenen Ist erfasste und berichtete Effekte, die in einer entsprechende Datenbank abgelegt sind (z. B. Kosten für ungeplante Stillstände). Weitere wesentliche Veränderungen können ergänzend manuell im Rahmen des Forecasts zentral eingegeben werden. Im Rahmen des Forecasts 3 wird der Horizont teilrollierend um die 12 Monate des Folgejahrs erweitert wird (s. Abb. 8).
Abb. 8: Übersicht Forecast-Horizonte bei Bayer MaterialScience
Wie in Abb. 8 dargestellt, wird im Forecast 3 für das Folgejahr analog zum laufenden Jahr automatisiert eine Trendfortschreibung (Run Rate) erstellt. Dabei werden Effekte aus dem abgelaufenen Ist (Ist-Effekte) bereits bei der Erstellung des Vorschlags berücksichtigt. Diese sog. Planbasis wird ergänzt durch vorher geplante Kostensteigerungsfaktoren (Inflation). Der Vorschlag wird dann um Effekte für den prognostizierten Horizont (Plan-Effekte) ergänzt und ergibt damit den fertigen Forecast.
Budgetentwicklung
Der Teil des Forecasts für das Folgejahr stellt im Rahmen der nachfolgenden operativen Planungskonferenz mit dem Executive Committee (ExCo) eine wichtige Basis dar, um die Ziele für das Budget zu definieren. Als Ergebnis aus den Managementabstimmungen werden die vereinbarten Maßnahmen als sogenannte Budgeteffekte eingegeben und somit der Forecast zum Budget entwickelt.
Abb. 9: Effektbasierte Planung mit Deltaansatz
Die Ausplanung erfolgt auf gleicher Aggregationsebene wie der Forecast. Erwartete Effekte bzw. Maßnahmen können schnell und effizient innerhalb der Management Community angepasst, ergänzt oder gestrichen werden. A...