Leitsatz
1. Der Begriff der Bereederung eines Handelsschiffs im Sinne des § 5a Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) meint die Geschäftsbesorgung des Schiffsbetriebs in technischer, kommerzieller und personeller Hinsicht und damit das Management des Schiffsbetriebs. Der Ort der Durchführung der Bereederung bestimmt sich danach, wo die jeweils maßgeblichen (Management‐)Entscheidungen getroffen werden und deren Durchführung beziehungsweise Umsetzung überwacht wird.
2. Zur Konkretisierung der zur Bereederung eines Handelsschiffs gehörenden Tätigkeiten kann auf die im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 12.06.2002 (BStBl I 2002, 614) unter Tz 1 (seitdem insoweit unverändert, vgl. BMF-Schreiben vom 10.07.2023, BStBl I 2023, 1486, Tz 1) genannten Tätigkeiten zurückgegriffen werden.
3. § 5a Abs. 1 Satz 1 EStG setzt voraus, dass die Bereederung der Handelsschiffe fast ausschließlich im Inland durchgeführt wird. Ob dies der Fall ist, ist im Rahmen einer Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls zu entscheiden.
Normenkette
§ 5a Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 1, § 5 EStG, Art. 56, Art. 107, Art. 108, Art. 267 Abs. 3 AEUV
Sachverhalt
Gegenstand der Klägerin, einer GmbH & Co. KG, war der Bau und Betrieb eines Handelsschiffs, das 2002 fertiggestellt und in Fahrt gesetzt wurde. Die Klägerin schloss mit der in Deutschland ansässigen G-GmbH einen Bereederungsvertrag. Diese schloss weitere Verträge (insbesondere "Technical Management Agreement", "Manning Agreement", Maklervertrag über den Abschluss von Versicherungen) mit Gesellschaften mit Sitz im europäischen Ausland ab. Nachdem die Klägerin ihre Gewinne in den Jahren 2002 und 2003 zunächst nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG ermittelt hatte, beantragte sie für das Streitjahr 2004 die Gewinnermittlung nach der Tonnage gemäß § 5a EStG. Dies lehnte das beklagte FA ab, nachdem eine Außenprüfung zu dem Ergebnis gekommen war, dass die Bereederung des Seeschiffs nicht, wie im BMF-Schreiben für die Anwendung des § 5a EStG vorausgesetzt werde, fast ausschließlich im Inland durchgeführt worden sei. Das FG (Niedersächsisches FG, Urteil vom 15.12.2020, 12 K 247/17, Haufe-Index 14933238, EFG 2022, 91) wies die Klage ab. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung sei eine Bereederung im Inland zwar bereits dann gegeben, wenn diese überwiegend im Inland durchgeführt werde. Dass die Klägerin die Bereederung ihres Handelsschiffs überwiegend im Inland durchgeführt habe, könne jedoch nicht festgestellt werden.
Entscheidung
Der BFH wies die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin zurück. Zu Unrecht sei das FG zwar davon ausgegangen, dass § 5a Abs. 1 Satz 1 EStG lediglich eine überwiegende, nicht aber eine fast ausschließliche Durchführung der Bereederung im Inland voraussetze. Seiner Entscheidung liege somit ein unzutreffender rechtlicher Maßstab zugrunde. Die Entscheidung erweise sich gleichwohl als im Ergebnis zutreffend, denn ausgehend von den vom FG getroffenen und für den Senat bindenden Feststellungen fehle es an einer fast ausschließlichen Bereederung des Handelsschiffs der Klägerin im Inland.
Hinweis
1. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewinnermittlung nach § 5a EStG ist eine im Gewinnfeststellungsbescheid gesondert festzustellende und selbstständig anfechtbare Besteuerungsgrundlage. Der Steuerpflichtige ist durch die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Gewinnermittlung nach § 5a EStG nicht vorliegen, unabhängig von den konkreten Auswirkungen auf die Höhe des Gesamthandsgewinns beschwert.
2. Der Begriff der Bereederung eines Handelsschiffs i.S.d. § 5a Abs. 1 Satz 1 EStG meint die Geschäftsbesorgung des Schiffsbetriebs in technischer, kommerzieller und personeller Hinsicht und damit das Management des Schiffsbetriebs. Der Ort der Durchführung der Bereederung bestimmt sich danach, wo die jeweils maßgeblichen (Management-)Entscheidungen getroffen werden und deren Durchführung bzw. Umsetzung überwacht wird.
3. Zur Konkretisierung der zur Bereederung eines Handelsschiffs gehörenden Tätigkeiten kann auf die im BMF-Schreiben vom 12.6.2002, IV A 6 – S 2133a- 11/02, BStBl I 2002, 614, bzw. im BMF-Schreiben vom 10.7.2023, IV C 6 – S 2133-a/20/10001 :003 BStBl I 2023, 1486 genannten Tätigkeiten zurückgegriffen werden, auch wenn es sich hierbei weder um eine detaillierte noch um eine abschließende Aufzählung handelt und sich die genannten Tätigkeiten bzw. Tätigkeitsbereiche nicht immer trennscharf voneinander abgrenzen lassen.
4.§ 5a Abs. 1 Satz 1 EStG setzt voraus, dass die Bereederung der Handelsschiffe fast ausschließlich im Inland durchgeführt wird. Ob diese Auslegung mit Unionsrecht vereinbar ist, können nationale Gerichte nicht prüfen. Denn bei der Besteuerung nach der Tonnage gemäß § 5a EStG handelt es sich um eine (steuerliche) Beihilfe, die von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften als mit dem EG-Vertrag, insbesondere mit dessen Art. 92 Abs. 3 Buchst. c (jetzt: Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV), vereinbar angesehen und durch das Schreiben des Gene...