Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
2.1 Sachverhalt
Der selbstständige Übersetzer Ü hatte ein Einfamilienhaus mit insgesamt 300 m² Nutzfläche errichtet. Von dieser Fläche nutzte er nachweislich für seine unternehmerische Tätigkeit 100 m². Die restliche Fläche wurde von ihm für private Wohnzwecke verwendet.
Die Abnahme des schlüsselfertig zu errichtenden Gebäudes, das aufgrund eines im Sommer 2010 eingereichten Bauantrags gebaut wurde, erfolgte am 29.1.2011, die Nutzung des Gebäudes begann am 1.2.2011. Aus dem Bau des Hauses sind ihm in ordnungsgemäßen Rechnungen insgesamt 600.000 EUR zuzüglich 19 % Umsatzsteuer (114.000 EUR) berechnet worden. Das Grundstück hatte Ü Ende 2009 umsatzsteuerfrei nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG erworben.
2.2 Fragestellungen
Ü wünschte in der Investitionsphase einen möglichst hohen Vorsteuerabzug. Er bittet um Auskunft, wie die Eigennutzung des Gebäudes in den Folgejahren zu beurteilen ist.
2.3 Lösung
Für die Einordnung als "Altobjekt" kommt es auf Bauantrag oder Kaufvertrag an
Da der Bauantrag für das Objekt vor dem 1.1.2011 gestellt worden war, handelt es sich unabhängig von der Fertigstellung um ein Altobjekt. Für dieses Objekt ergeben sich noch nicht die Beschränkungen des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1b UStG.
Beurteilung der Eigennutzung
Übersetzer Ü hatte bezüglich der Zuordnung des Gebäudes mehrere Möglichkeiten:
- Er konnte das Gebäude insgesamt seinem Unternehmen zuordnen. In diesem Fall hatte er den vollen Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten, da das Gebäude im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit für den Vorsteuerabzug nicht ausschließende Umsätze verwendet wird. Die nichtunternehmerische Verwendung schließt den Vorsteuerabzug ebenfalls nicht aus. Da das gesamte Gebäude dem Unternehmen zugeordnet worden ist, muss Ü die privat genutzten Gebäudeteile als sonstige Leistung gegen Entgelt nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG der Besteuerung unterwerfen.
- Er konnte das Gebäude insgesamt seiner nichtunternehmerischen Sphäre zuordnen. In diesem Fall wäre ein Vorsteuerabzug grundsätzlich nach § 15 Abs. 1 UStG ausgeschlossen; eine Vorsteuerberichtigung in Folgejahren wäre grundsätzlich ausgeschlossen. Diese Möglichkeit wird im Regelfall in der Praxis nicht gewünscht werden.
- Er konnte das Gebäude zum Teil (soweit unternehmerisch genutzt) dem Unternehmen zuordnen und zum Teil (soweit nicht unternehmerisch genutzt) dem nichtunternehmerischen Bereich zuordnen. Aus dem unternehmerisch genutzten Teil des Gebäudes hätte Ü dann einen Vorsteuerabzug für die diesem Teil zuzuordnenden Herstellungskosten bzw. für die nach § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilenden Herstellungskosten. Aus den auf den nichtunternehmerisch zugeordneten Teil des Gebäudes entfallenden Herstellungskosten hätte Ü nach § 15 Abs. 1 UStG keinen Vorsteuerabzug. Da in diesem Fall nur der tatsächlich unternehmerisch genutzte Teil dem Unternehmen zugeordnet worden wäre, ergäbe sich für Ü keine Besteuerung einer Eigennutzung. Diese Variante wird sich in der Praxis auch nicht als gewünschte Lösung ergeben, da eine später (innerhalb des Berichtigungszeitraums) erfolgende Erhöhung der unternehmerischen Nutzung nicht zu einer Vorsteuerberichtigung führen kann.
Dokumentation der Zuordnungsentscheidung notwendig
Die Entscheidung über die Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmen hat der Unternehmer sofort bei Bezug der Leistung zu treffen. Diese Entscheidung kann nicht aufgeschoben oder nachträglich verändert werden. Wurde die Zuordnung zum Unternehmen gewählt, kann der Gebäudeteil nur durch Entnahme wieder aus dem Unternehmen entnommen werden. Wurde der Gebäudeteil nicht als für das Unternehmen bezogen erfasst, kann dies nur für die Zukunft durch eine den Vorsteuerabzug aus der Eingangsleistung ausschließenden Einlage verändert werden. Der letzte Zeitpunkt, eine Zuordnungsentscheidung gegenüber dem Finanzamt zu dokumentieren, ist nach Auffassung der Finanzverwaltung der 31.7. des auf den Leistungsbezug folgenden Jahres. Dies gilt nicht nur für die Fertigstellung, sondern auch schon für den Bezug von Einzelleistungen eines später fertig zu stellenden Gebäudes.
Ordnete Ü das Gebäude insgesamt seinem Unternehmen zu (Möglichkeit 1), hatte er den vollständigen Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG i. H. der ihm berechneten Umsatzsteuerbeträge von 114.000 EUR. Aus dem Erwerb des Grundstücks ergab sich kein Vorsteuerabzug, da die Lieferung an ihn steuerfrei nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG erfolgte.
Die Verwendung des Teilgebäudes für die privaten Wohnzwecke stellt nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG eine sonstige Leistung gegen Entgelt dar. Da Ü aus der unternehmerischen Tätigkeit heraus auch zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, konnte er zulässigerweise Vorsteuer abziehen, sodass die Voraussetzung des § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hatte, ebenfalls erfüllt ist. Die unentgeltliche Leistung ist nach § 3f UStG dort ausgeführt, wo der Unternehmer sein Unternehmen betreibt, hier offensichtlich im Inland. Damit ist die Priva...