Leitsatz
1. Die Besteuerungsgrundlage für Umsätze aus der Veranstaltung eines Wettbewerbs ist der Gesamtbetrag der vom Veranstalter eingenommenen Teilnahmegebühren, wenn der Veranstalter über diese Beträge frei verfügen kann (Anschluss an EuGH, Urteil vom 17.9.2002, Rs. C-498/99, Town & County Factors Ltd., Slg. 2002, I-71/73).
2. Eine Brieftaubenvereinigung hat die Wettumsätze, die sie an die Wett-Teilnehmer ausführt, mit den vollen Wetteinsätzen (ohne Abzug der wieder ausgeschütteten Gewinne) zu versteuern.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG, Art. 2 Nr. 1, Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Kläger veranstaltete Wettbewerbsflüge mit Brieftauben und bietet Züchtern, die Tauben bei den Flügen starten lassen, die Möglichkeit, in verschiedenen Gewinnklassen auf die jeweils von ihnen selbst zu dem Wettbewerbsflug mitgegebenen Vögel Geldwetten abzuschließen. Der Kläger schüttet die Wetteinsätze in den verschiedenen Gewinnklassen unter den an der Wette beteiligten Züchtern der jeweils am schnellsten heimkehrenden Tauben als Gewinn aus. Nach den Spielbedingungen verbleiben dem Kläger nur die nicht als Gewinn ausgeschütteten Einsätze, nämlich dann, wenn ein Drittel aller gestarteten Tauben nicht binnen der Wettbewerbsdauer das Flugziel, ihren Heimatschlag, erreichen.
Der Kläger meinte, Bruttobemessungsgrundlage für die Spielumsätze seien nur die nicht als Gewinn ausgeschütteten Wetteinsätze. Das FA sah dies anders. Das FG gab dem Kläger Recht: die Einsätze, die wieder als Gewinn ausgeschüttet würden, könnten nicht als Entgelt für die an die Wetter erbrachten Leistungen angesehen werden, weil hier dem Kläger – wie vorgesehen – nur die nicht als Gewinn ausgeschütteten Einsätze als Gegenleistung für seine Dienste gegenüber den Wettern verblieben seien.
Entscheidung
Der BFH hob aus verfahrensrechtlichen Gründen das FG-Urteil auf und gab ihm auf, die vorstehenden Grundsätze ggf. bei der Entscheidung zu berücksichtigen.
Da der Kläger (und nicht eine neben dem Kläger bestehende Gemeinschaft der Mitspieler) die Wetteinsätze vereinnahmt hat, hat auch der Kläger die Wettumsätze an die Wett-Teilnehmer ausgeführt; entgegen der Ansicht des Klägers haben nicht die Spieler untereinander gewettet.
Hinweis
1. Besteuerungsgrundlage für die Umsatzsteuer ist "alles was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger ... erhält oder erhalten soll" (Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-RL).
Es mag zwar sein, dass bei Wetten die Auszahlung der Gewinne "an und für sich" keine Leistung im umsatzsteuerlichen Sinn ist, sie kann aber Teil einer steuerpflichtigen Dienstleistung sein, die auf die Befriedigung der Spiellust der Wett-Teilnehmer gerichtet ist. Um diese Leistungen zu erhalten, haben die Wett-Teilnehmer die Wetteinsätze aufgewendet; für diese Umsätze hat der Kläger die Wetteinsätze erhalten.
2. Der EuGH hatte zwar im Urteil vom 5.5.1994, Rs. C-38/93, Glawe (Slg. 1994, I-1697) entschieden, dass bei Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit, die aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften so eingestellt sind, dass ein bestimmter Prozentsatz der Spieleinsätze als Gewinn an die Spieler ausgezahlt wird, die vom Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhaltene Gegenleistung nur in dem Teil der Einsätze besteht, über den er effektiv selbst verfügen kann.
Nach diesem Urteil ist Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-RL dahin auszulegen, dass bei solchen Automaten der gesetzlich zwingend festgelegte Teil der Gesamtheit der Spieleinsätze, der den an die Spieler ausgezahlten Gewinnen entspricht, nicht zur Besteuerungsgrundlage gehört. Wie der EuGH im Urteil vom 17.9.2002, Rs. C-498/99 – Town & County Factors Ltd. – (RdNr. 30) BFH-PR 2003, 229, klargestellt hat, war für jene Geldautomaten kennzeichnend, dass sie im Einklang mit durch Gesetz zwingend vorgeschriebenen Verpflichtungen so konzipiert waren, dass ein bestimmter Mindestprozentsatz, nämlich 60 %, der von den Spielern geleisteten Einsätze als Gewinn an die Spieler ausgeschüttet wurde und dass diese Einsätze technisch und gegenständlich von den Einsätzen getrennt waren, die der Betreiber tatsächlich für sich verbuchen konnte.
Die Grundsätze des Urteils Glawe können deshalb nicht auf andere Spiele ausgedehnt werden, bei denen eine Mindestausschüttung nicht gesetzlich vorgeschrieben ist und die wieder ausgeschütteten Einsätze nicht technisch und gegenständlich von den Einsätzen getrennt sind, die der Betreiber tatsächlich für sich verbuchen kann.
Diese Rechtsprechung des EuGH ist auch bei der Anwendung der Vorschriften des UStG zu beachten.
Beachten Sie: Unerheblich ist, ob der Unternehmer die Wettgelder getrennt – von sonstigen Geldern – aufbewahrt. Entscheidend ist nach der Rechtsprechung, ob die wieder ausgeschütteten Einsätze technisch und gegenständlich von den beim Veranstalter endgültig verbleibenden Einsätzen getrennt sind und eine Mindest...