Leitsatz
Es verletzt nach der im Jahr 2010 geltenden Rechtslage nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, dass Dividenden, die ein öffentlich-rechtliches Versorgungswerk von inländischen Kapitalgesellschaften in seinem gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG steuerbefreiten BgA bezieht, für Körperschaftsteuerzwecke gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 KStG einem abgeltenden Kapitalertragsteuerabzug von den Bruttoeinnahmen mit einer teilweisen Abstandnahme auf drei Fünftel des Steuerabzugs unterliegen.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 2 Nr. 1, § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 KStG, § 37 Abs. 2, § 115 Abs. 1 Satz 3 Alternative 1 AO, § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 43a Abs. 1, § 44a Abs. 4, Abs. 7, Abs. 8 EStG, § 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 15 Abs. 1 Satz 7 InvStG 2004
Sachverhalt
Bei der Klägerin handelte es sich um ein öffentlich-rechtliches berufsständisches Versorgungswerk. Ihr Zweck war, ihre Kammerangehörigen im Alter, bei Berufsunfähigkeit und deren Hinterbliebenen abzusichern. Körperschaftsteuerlich wurde die Tätigkeit des berufsständischen Versorgungswerks im Streitjahr 2010 als Betrieb gewerblicher Art (BgA) i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG 2010 eingeordnet. Die hierbei erzielten gewerblichen Einkünfte waren gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG für Zwecke der KSt steuerbefreit. Die Klägerin erzielte im BgA auch Kapitalerträge aus der Beteiligung an Investmentfonds, für die sie die Freistellung von der KapESt und vom SolZ begehrte. Es handelte sich bei den dem Teileinkünfteverfahren unterliegenden Kapitalerträgen zum Teil um inländische Gewinnausschüttungen (Dividenden), die auf der Fondsebene erzielt worden waren. Soweit die Fondsausschüttungen an die Klägerin auf den inländischen Dividenden beruhten, unterlagen die Ausschüttungen nach § 7 Abs. 3 InvStG dem Einbehalt von KapESt und SolZ auf der Fondsebene. Der Einbehalt hatte gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 KStG für die KSt-Schuld der Klägerin abgeltende Wirkung. Der Klägerin wurde für diesen Teil der Fondsausschüttungen nach § 44a Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG und § 7 Abs. 3 Satz 2 InvStG eine teilweise Abstandnahme vom Steuerabzug auf drei Fünftel des Kapitalertrags (15 % zuzüglich SolZ) gewährt.
Ferner erzielte die Klägerin über eine Beteiligung an der XY-KG, einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft, Vergütungen aus partiarischen Darlehen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Die Vergütungen hatten bei den Schuldnern der XY-KG zunächst dem KapESt-Abzug i. H. v. 25 % (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) unterlegen, der Abgeltungswirkung für die KSt-Schuld der Klägerin entfaltete (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 Halbsatz 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 KStG). Der Klägerin wurde auf Antrag vom FA eine teilweise Abstandnahme vom Steuerabzug auf drei Fünftel der Kapitalerträge gewährt (§ 44a Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 44a Abs. 8 Satz 2 EStG).
Die Klägerin trug im Zusammenhang mit den Fondsbeteiligungen an den Spezialfonds eigene Verwaltungsaufwendungen i.H.v. insgesamt 10.252,47 EUR. Im Zusammenhang mit den Vergütungen aus den partiarischen Darlehen entstanden ihr Verwaltungsaufwendungen i.H.v. 3.417,49 EUR.
Sie beantragte für die Kapitalerträge und Wertpapierleiherträge, soweit diese dem KapESt-Einbehalt und dem besonderen Steuerabzug für Wertpapierleiherträge unterlegen hatten, die Erteilung eines Bescheids über die Freistellung von KapESt und SolZ (§ 155 Abs. 1 Satz 3 Alternative 1 AO) mit dem Ziel, sich die Abzugsbeträge erstatten zu lassen. Sie war der Auffassung, dass die abgeltende Besteuerung der Kapital- und Wertpapierleiherträge gegen das Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit verstoße. Das FA lehnte den Antrag ab. Die hiergegen erhobene Sprungklage hatte keinen Erfolg (Niedersächsisches FG, Urteil vom 24.11.2017, 6 K 150/15, Haufe-Index 11808714, EFG 2018, 1389).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Im vorliegenden Fall waren die von den Steuerentrichtungspflichtigen abgegebenen KapESt-Anmeldungen bestandskräftig geworden. Die Klägerin konnte daher die von ihr begehrte Erstattung der KapESt gemäß § 37 Abs. 2 AO nur aufgrund des Erlasses eines Feststellungsbescheides nach § 155 Abs. 1 Satz 3 Alternative 1 AO erreichen. In diesem sollte festgestellt werden, dass der Steuerabzug rechtsgrundlos erfolgte, da ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt. Zuständig für die Erteilung des Freistellungsbescheids ist das für den Schuldner der KapESt (hier: die Klägerin) örtlich und sachlich zuständige FA (vgl. § 20 Abs. 3 und 4 AO).
2. Die Klägerin wird nicht dadurch in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, dass der abgeltende KapESt-Abzug für inländische Dividenden ohne Berücksichtigung der sachlichen Steuerbefreiung gemäß § 8b Abs. 1 und 5 KStG und ohne Berücksichtigung der Aufwendungen der Klägerin von den Bruttoeinnahmen (vgl. § 43a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 43a Abs. 2 Satz 1 EStG) erfolgte und der Klägerin nur ei...