Sachverhalt

Bei dem Vorabentscheidungsersuchen des BFH vom 3.11.2022[1] ging es um die Besteuerung von Gutscheinen. Der BFH fragte den EuGH:

1. Liegt ein Einzweck-Gutschein i. S. v. Art. 30a Nr. 2 MwStSystRL vor, wenn

  • zwar der Ort der Erbringung von Dienstleistungen, auf die sich der Gutschein bezieht, insoweit feststeht, als diese Dienstleistungen im Gebiet eines Mitgliedstaats an Endverbraucher erbracht werden sollen,
  • aber die Fiktion des Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 MwStSystRL, nach der auch die Übertragung des Gutscheins zwischen Steuerpflichtigen zur Erbringung der Dienstleistung, auf die sich der Gutschein bezieht, zu einer Dienstleistung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats führt?

2. Falls die Frage 1 verneint wird (und damit im Streitfall ein Mehrzweck-Gutschein vorliegt): Steht Art. 30b Abs. 2 Unterabs. 1 MwStSystRL, wonach die tatsächliche Erbringung der Dienstleistungen, für die der Erbringer der Dienstleistungen einen Mehrzweck-Gutschein als Gegenleistung oder Teil einer solchen annimmt, der Mehrwertsteuer gem. Art. 2 MwStSystRL unterliegt, wohingegen jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der Mehrwertsteuer unterliegt, einer anderweitig begründeten Steuerpflicht[2] entgegen?

Die Beteiligten stritten darüber, ob die Übertragung von Guthabenkarten oder Gutscheincodes für den Erwerb digitaler Inhalte für das X-Network (X), sog. (sog.) X-Cards, der USt unterliegt. Die Klägerin, eine BGB-Gesellschaft, vertrieb im Streitjahr 2019 über ihren Internetshop Guthabenkarten oder Gutscheincodes zum Aufladen von Nutzerkonten für X. Herausgeber der X-Cards war im Streitjahr Y mit Sitz in London. Die Gutscheincodes ermöglichten dem Erwerber die Aufladung seines X-Nutzerkontos mit einem näher bestimmten Nennwert in EUR. Nach der Kontoaufladung konnten vom Kontoinhaber im X-Store von Y digitale Inhalte zu den dort angeführten Preisen erworben werden. Die X-Cards wurden von Y mit unterschiedlicher Länderkennung über verschiedene Zwischenhändler vertrieben. Für Kunden mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthaltsort im Inland und einem deutschen X-Nutzerkonto war die Kennung DE vorgesehen.

In 2019 bezog die Klägerin die X-Cards der Y von Lieferanten aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet (L1 und L2) unter Angabe ihrer USt-IdNr. L1 und L2, die weder im Vereinigten Königreich noch im Inland, sondern in anderen Mitgliedstaaten ansässig waren, hatten die X-Cards zuvor von Y erworben. Die Klägerin erfasste in ihren Steueranmeldungen weder den Erwerb der X-Cards von L1 und L2 noch die Übertragung der X-Cards an die Endkunden (Endverbraucher). Sie ging dabei davon aus, dass es sich bei den X-Cards um Wert- oder Mehrzweck-Gutscheine handele. Bei der Veräußerung der X-Cards sei der Wohnsitz oder der Ansässigkeitsort des Endkunden nicht sicher bekannt, sodass der Leistungsort gem. § 3a Abs. 5 UStG nicht sicher bestimmbar sei. Die von Y den jeweiligen Gutscheinen zugewiesene Länderkennung reiche zur sicheren Bestimmung des Leistungsorts nicht aus, da Y die Angaben der Kunden bei der Eröffnung der X-Nutzerkonten und deren spätere Nutzung nicht überprüfe. Eine Vielzahl im Ausland ansässiger X-Kunden hätte u.a. aufgrund von Preisvorteilen ein deutsches Nutzerkonto eröffnet und ebenfalls bei ihr, der Klägerin, Karten mit der Kennung DE eingekauft.

Das Finanzamt sah die Umsätze der Klägerin mit X-Cards als im Inland steuerbar an, weil diese mit der Kennung DE von Y ausschließlich für Endkunden mit Wohnsitz im Inland und einem deutschen Nutzerkonto bestimmt seien, weshalb sich der Leistungsort gem. § 3a Abs. 5 UStG im Inland befinde. Dass Erwerber mit Wohnsitz im Ausland die vorgegebene regionale Nutzungsbeschränkung durch bewusst wahrheitswidrige Angaben, Missachtung der Nutzungsbedingungen von Y und/oder Verschleierung ihrer IP-Adresse möglicherweise umgehen könnten, sei nicht ausschlaggebend für die steuerrechtliche Einordnung des Gutscheins; es sei vielmehr Sache der Klägerin dafür Sorge zu tragen, Karten mit der Kennung DE nicht an Kunden mit Wohnsitz im Ausland zu verkaufen. Für die Einordnung der Karten als Waren- oder Einzweck-Gutscheine spreche auch, dass Y die Karten als solche in den Verkehr gebracht habe und diese in der weiteren Leistungskette von allen anderen Beteiligten auch so behandelt worden seien. Allerdings nahm das Finanzamt Umsätze von X-Cards der Kennung DE, die an Kunden mit Wohnsitz im Ausland ausgegeben wurden, von der Besteuerung aus.

In der Revision rügte die Klägerin die Verletzung von § 3a Abs. 5 Satz 1 i. V. m. § 3 Abs. 13 - 15 UStG und begehrte, dass die Umsätze von X-Cards als nicht steuerbar erfasst werden. Da der Leistungsort und die geschuldete Steuer nicht feststünden, handele es sich um einen Mehrzweck-Gutschein, dessen Übertragung nicht der USt unterliege. Die X-Cards enthielten keine Kennzeichnung als Einzweck-Gutschein oder eine Beschränkung der mit ihnen zu beziehenden Leistung auf eine Gattung, sondern sie bezögen sich auf das gesamte Angebot des X, weshalb im Zeitpu...

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