Sachverhalt
Bei dem Verfahren ging es um die Umsetzung von Art. 11 Teil C Abs. 1 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 90 MwStSystRL; Verminderung der Bemessungsgrundlage) sowie Art. 26a der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 311 f. MwStSystRL; Sonderregelungen u.a. für Gebrauchtgegenstände) in das britische Recht.
Der zugrunde liegende Sachverhalt betraf den Verkauf von Kraftfahrzeugen auf Ratenzahlung an Privatpersonen im Rahmen von Mietkaufverträgen. Die Klägerin hatte für diese Lieferungen die MwSt auf den Gesamtpreis des Fahrzeugs zu entrichten, obwohl der Preis nicht sofort in voller Höhe bezahlt wurde. In dem Verfahren ging es speziell geht es um Fälle, in denen der Kunde in Zahlungsverzug geriet und die Klägerin berechtigt war, das Kraftfahrzeug wieder in Besitz zu nehmen und im Wege der Versteigerung zu veräußern.
Im maßgeblichen Zeitraum (1978 bis 1997) waren nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts die Bestimmungen zur Minderung der Bemessungsgrundlage nach Art. 11 Teil C Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie nicht umgesetzt bzw. waren die britischen Regeln mit dem Unionsrecht unvereinbar. So hatte die Klägerin nach britischem Recht keinen Berichtigungsanspruch hinsichtlich der uneinbringlich gewordenen Kaufpreisforderungen und wollte sich unmittelbar auf Art. 11 Teil C Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie berufen. Das britische Umsatzsteuerrecht enthielt aber auch eine (nicht dem Unionsrecht entsprechende) Regelung, wonach die erneute Veräußerung nach Wiederinbesitznahme als Nicht-Lieferung gilt.
Die Klägerin wollte sich hinsichtlich der uneinbringlich gewordenen Kaufpreisforderung aus der Mietkaufveräußerung unmittelbar auf Art. 11 Teil C Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie berufen und die Steuerbemessungsgrundlage mindern. Hinsichtlich der erneuten Veräußerung nach Wiederinbesitznahme allerdings berief die Klägerin sich auf die nationalen Regelungen zur Nicht-Lieferung. Die erneute Veräußerung hätte damit nicht der MwSt unterlegen. Die britische Steuerbehörde hielt eine solche punktuelle Anwendung der 6. EG-Richtlinie nicht für möglich, da sie dem von der Richtlinie bezweckten Gesamtergebnis widerspreche.
Vor diesem Hintergrund fragte das vorlegende Gericht, ob ein Steuerpflichtiger bei zwei den gleichen Gegenstand betreffenden Umsätzen sich hinsichtlich des einen Umsatzes unmittelbar auf die 6. EG-Richtlinie und hinsichtlich des anderen Umsatzes auf das nationale Recht berufen kann.
Entscheidung
Der EuGH hat entschieden, dass einem Unternehmer die unmittelbare Berufung auf Art. 11 Teil C Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie nicht mit der Begründung versagt werden kann, dass sich der Unternehmer im Hinblick auf einen anderen, den gleichen Gegenstand betreffenden Umsatz auf eine nationale [unionsrechtswidrige] Bestimmung berufen kann und die kumulative Anwendung im Gesamtergebnis nicht dem nationalen Recht und der 6. EG-Richtlinie entspricht. Art. 11 Teil C Abs. 1 Unterabs. 1 der 6. EG-Richtlinie entfaltet unmittelbare Wirkung, so dass bei teilweiser oder vollständiger Uneinbringlichkeit des Entgelts für einen Umsatz (hier Fahrzeugverkauf im Rahmen eines Mietkaufs) der Unternehmer unionsrechtlich einen Anspruch auf Minderung der Bemessungsgrundlage hat. Diese Berufungsmöglichkeit gilt nach dem Urteil auch dann, wenn nationalrechtlich ausgeschlossen ist, dass die Veräußerung des gleichen Fahrzeugs im Wege der Versteigerung besteuert werden kann. Der Mitgliedstaat muss sich insoweit die fehlerhafte Umsetzung von Unionsrecht entgegenhalten lassen.
Hinsichtlich der Nichtbesteuerung des Versteigerungsumsatzes nach britischem Recht verweist der EuGH auf die Zuständigkeit des nationalen Gerichts zur Feststellung, ob die Voraussetzungen einer missbräuchlichen Praktik vorliegen. Im Übrigen verweist er auf die grundsätzliche Gestaltungsfreiheit des Unternehmers.
Hinweis
Das deutsche Umsatzsteuerrecht ist von dem Urteil zwar nicht unmittelbar betroffen, da Art. 11 Teil C Abs. 1 Unterabs. 1 und Art. 26a der 6. EG-Richtlinie im UStG vollständig umgesetzt worden sind. Nach der vorliegenden Entscheidung ist jedoch festzustellen, dass es der EuGH bei nichtrichtlinienkonformer nationaler Rechtslage für zulässig erachtet, dass sich ein Unternehmer bei zwei in Zusammenhang stehenden Umsätzen hinsichtlich des einen Umsatzes unmittelbar auf das Unionsrecht und hinsichtlich des anderen Umsatzes auf das für ihn günstigere nationale Recht beruft, auch wenn das Gesamtergebnis weder dem nationalen Recht noch der Richtlinie entspricht. Für den Fall einer (zugunsten des Unternehmers wirkenden) unionsrechtswidrigen Steuerbefreiung hat der EuGH eine solche "Rosinenpickerei" im Hinblick auf den Vorsteuerabzug dagegen nicht für zulässig erachtet: Nach dem Urteil vom 28.11. 2013, Rs. C-319/12 (MDDP) erlaubt es Art. 168 MwStSystRL einem Unternehmer nicht, sowohl von einer unionsrechtswidrigen nationalen Steuerbefreiung Gebrauch zu machen als auch (unter Berufung auf das Unionsrecht) das Vorsteuerabzugsrecht in Anspruch zu nehmen.
Nach alledem ist fraglich wie der EuGH die "Rosi...