Leitsatz
Der nach Art. 2 Abs. 1 Anstrich 2 der VO (EG) Nr. 1484/95 in der Fassung vor Änderung durch die VO (EG) Nr. 816/2009 für die Berechnung des Zusatzzolls maßgebliche cif-Einfuhrpreis ist der fob-Preis des letzten drittländischen Verkäufers zuzüglich der tatsächlichen Transport- und Versicherungskosten. Dies gilt auch dann, wenn nach dem tatsächlichen Verbringen in das Zollgebiet der Union erst ein späterer Erwerber die Ware zum freien Verkehr anmeldet.
Normenkette
Art. 2 Abs. 1 Anstrich 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 4 VO (EG) Nr. 1484/95, Art. 5 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 2777/75, Art. 5 WTOÜbk
Sachverhalt
Die Klägerin erwarb gefrorene Hühnerteile aus Brasilien von der in Deutschland ansässigen H-GmbH, die die Erzeugnisse zuvor von einem brasilianischen Ausführer erworben hatte. Die Klägerin meldete die Waren zur Überführung in den freien Verkehr an. Das HZA berechnete die Einfuhrabgaben einschließlich des Zusatzzolls zunächst auf Grundlage der von der H-GmbH gestellten Handelsrechnung. Aufgrund einer Prüfung meinte das HZA jedoch, der Zusatzzoll sei nach dem vom brasilianischen Verkäufer berechneten (niedrigeren) cif-Einfuhrpreis zu berechnen, und erhob Einfuhrabgaben nach. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg (FG Hamburg, Urteil vom 23.12.2012, 4 K 89/09, Haufe-Index 3598201).
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Rechtsauffassung des FG aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen und wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück.
Hinweis
1.Auch nach Abschaffung der marktordnungsrechtlichen Abschöpfungen kann die EU, um eine Störung des Unionsmarkts zu verhindern, marktordnungsrechtliche Zusatzzölle erheben, wenn die Preise, zu denen EU-Importeure bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse in bestimmten Drittländern kaufen, einen festgelegten Schwellenpreis unterschreiten.
2. Entsprechende Regelungen enthält die VO (EG) Nr. 1484/95 für (u.a.) einige Sorten Geflügelfleisch. In der für den Streitfall maßgeblichen Fassung dieser VO wird zur Bestimmung der Höhe des Zusatzzolls der cif-Einfuhrpreis der Einfuhrsendung herangezogen. Die Höhe des zusätzlichen Einfuhrzolls variiert je nachdem, wie weit der cif-Einfuhrpreis den sog. Schwellenpreis unterschreitet. Der Zusatzzoll ist umso höher je geringer der cif-Einfuhrpreis ist. Letzterer ist in der hier maßgeblichen Fassung der VO definiert als der fob-Preis im Ursprungsland zuzüglich der tatsächlichen Transport- und Versicherungskosten bis zum Ort des Verbringens in das Zollgebiet der Gemeinschaft.
3. Im vorliegenden Fall war streitig, welcher Einfuhrpreis zugrunde zu legen ist, wenn die Erzeugnisse, nachdem sie aus dem Drittland in das Zollgebiet der Union verbracht worden sind, vom Käufer weiterverkauft werden und erst der folgende (oder sogar noch ein späterer) Käufer die Erzeugnisse zum freien Verkehr abfertigen lässt. Soll dann der neue – also i.d.R. höhere – Kaufpreis für die Bestimmung des Zusatzzolls herangezogen werden?
Die Klägerin des Streitfalls war dieser Ansicht und konnte hierfür immerhin anführen, dass es um den vom Einführer zu zahlenden Zusatzzoll gehe und Einführer nun einmal derjenige sei, der eine Ware in den freien Verkehr überführen lasse.
Der BFH war demgegenüber der Auffassung, es komme auf den Preis in der vom letzten drittländischen Verkäufer gestellten Rechnung zuzüglich der tatsächlichen Transport‐ und Versicherungskosten an. Dies folge aus dem klaren Wortlaut der in der VO enthaltenen Legaldefinition des "cif-Einfuhrpreises" sowie aus Sinn und Zweck der Erhebung marktordnungsrechtlicher Zusatzzölle. Die für die Berechnung der zusätzlichen Einfuhrzölle maßgebliche Größe sei der Preis, zu dem die Erzeugnisse die Grenze des Zollgebiets der Union überschritten. Daran ändere sich nichts, wenn die Erzeugnisse anschließend in einer Käuferkette weiterverkauft und erst am Ende dieser Kette in den freien Verkehr übergeführt würden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.4.2014 – VII R 1/13