Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Die Anerkennung des Besuchs einer Jüngerschaftsschule als Berufsausbildung im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG kommt nur in Betracht, wenn ein hinreichender Zusammenhang mit einem konkret angestrebten Beruf vorliegt.
Sachverhalt
Im Streitfall ging es um die Kindergeldgewährung für den am 30.9.1996 geborenen Sohn der Antragstellerin ab Oktober 2014. Nach dem Erwerb der allgemeinen Hochschulreife nahm dieser vom 25.9.2014 bis zum 21.2.2015 an einem internationalen missionarischen Trainingsprogramm ("missionary training program") auf Hawaii teil. Veranstalter war die Organisation "Youth with am mission - YWAM", deren Abteilung YWAM Ships ihren Sitz in Orange County, Kalifornien, USA, hat. Der deutschsprachige Zweig von YWAM heißt "Jugend mit einer Mission - JMEM" und versteht sich als internationale Bewegung junger Christen, die sich dazu berufen wissen, Jesus Christus zu dienen und das Evangelium vom Reich Gottes ganzheitlich zu leben und zu verkünden. Ausweislich der Teilnahmebestätigungen der Organisation absolvierte der Sohn das Programm "Discipleship Training School", zu deutsch Jüngerschaftsschule. Einem 3-monatigen Schulungsblock in Deutschland folgt ein 2-3-monatiger Aufenthalt in einem anderen Land. Dort werden die Teilnehmer Gelerntes in die Praxis umsetzen lernen und in Projekten vor Ort mitarbeiten, die u. a. folgende Inhalte haben: Kinder- und Jugendarbeit, Familiendienste, Entwicklungshilfe, Gemeindebau und Evangelisation, karitative Dienste & Völkerverständigung.”
Die Familienkasse hob die Festsetzung des Kindergeldes ab dem Monat Oktober 2014 auf, weil die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 EStG nicht mehr erfüllt seien. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren machte die Antragstellerin im Klageverfahren geltend, die Jüngerschaftsschule sei Teil des Studienprogramms Bachelor of Arts und damit unmittelbar berufsqualifizierend. Der Abschluss der Jüngerschaftsschule sei außerdem Voraussetzung, um ein Studium beginnen zu dürfen.
Entscheidung
Das Finanzgericht wies die Klage ab mit der Begründung, der Besuch der Jüngerschaftsschule sei keine Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, da es an einem hinreichenden Zusammenhang mit einem konkret angestrebten Beruf fehlt. Denn das vom Sohn der Antragstellerin durchlaufene Programm diente nicht in erster Linie der Ausbildung für einen bestimmten Beruf. Vielmehr standen - sowohl nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin als auch nach der Selbstdarstellung der Organisation im Internet - die Vertiefung des Fundaments des christlichen Glaubens, die Vermittlung biblischen Wissens, die Stärkung des Charakters und der Persönlichkeit der Teilnehmer und das Ausloten ihrer Begabungen im Vordergrund. Zu diesem Zweck umfasste das Studienprogramm allgemeinbildende und zahlreiche theologische Einheiten. Es lag somit eine Betätigung vor, deren Ausbildungscharakter nicht per se gegeben ist. Ist dies der Fall, kann von einer Berufsausbildung nur ausgegangen werden, wenn ein enger Bezug zu dem späteren Studium oder dem angestrebten Beruf vorliegt, was im Streitfall aber nicht gegeben war.
Hinweis
Kinder, die einen Freiwilligendienst leisten, werden grundsätzlich nicht für einen Beruf ausgebildet und können daher auch nicht nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG berücksichtigt werden. Nur ausnahmsweise kommt eine abweichende Beurteilung dann in Betracht, wenn der Freiwilligendienst, der von einer nicht von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG erfassten Organisation angeboten wird, einen so engen Bezug zu einem späteren Studium oder einer betrieblichen Ausbildung hat, dass er - wie ein Praktikum - als Bestandteil einer Berufsausbildung angesehen werden kann. Das Finanzgericht hat die Revision zugelassen, da höchstrichterliche Rechtsprechung zum Besuch von Glaubensschulen nicht vorliegt und das Finanzgericht Baden-Württemberg in seinem Urteil v. 11.10.2011 (Az.: 11 K 1908/10, EFG 2012, 934) zu einem mit dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalt zu einer Bejahung des Kindergeldanspruchs kam.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 14.12.2015, 7 K 18/15