Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Aufwendungen der Großeltern für Besuche ihres im Ausland lebenden Enkelkinds sind grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar.
2. Allein der Umstand, dass der Umgang der Großeltern mit dem von ihnen getrennt lebenden Enkelkind aus familiengerichtlicher Sicht dessen Wohl dient, führt nicht zur Zwangsläufigkeit der Aufwendungen für Besuche des Enkelkinds.
3. Solche Aufwendungen sind grundsätzlich mit dem Grundfreibetrag abgegolten.
Normenkette
§ 32a Abs. 1 S. 2; § 33 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 EStG
Sachverhalt
Die Kläger, zusammen veranlagte Eheleute waren die Großeltern der im Juli 1998 geborenen A. Der Vater von A und Sohn der Kläger war im Januar 2000 tödlich verunglückt; zu jener Zeit war ein Verfahren auf Scheidung der Ehe der Eltern von A anhängig. Die Mutter von A hatte sich gegen Besuchskontakte der Kläger gewehrt, darauf setzten die Kläger ihr Umgangsrecht aus § 1685 Abs. 1 BGB gerichtlich durch. Nachdem die Mutter nach Spanien verzogen war, führten die Kläger erneut familienrechtliche Auseinandersetzungen.
Im Streitjahr 2003 haben die Kläger ihre Enkelin A achtmal in Spanien besucht. In ihrer Einkommensteuererklärung 2003 machten sie außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 20 155 EUR geltend, davon 5 906 EUR für Anwaltskosten zur Durchsetzung des Umgangsrechts und 8 184 EUR für Reisekosten.
Das FA berücksichtigte zwar die Anwaltskosten, allerdings nicht die Reisekosten als außergewöhnliche Belastungen.
Das FG (FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.09.2007, 1 K 201/05, Haufe-Index 1812569, EFG 2008, 131) wies die Klage auf Berücksichtigung der Reisekosten als außergewöhnliche Belastung ab.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz aus den unter Praxishinweisen dargestellten Gründen.
Hinweis
Im Besprechungsfall war die schon häufig entschiedene Frage, unter welchen Voraussetzungen Aufwendungen für Fahrten eines Elternteils für Besuche seines von ihm getrennt lebenden Kinds als außergewöhnliche Belastung abziehbar sind, für den Fall zu entscheiden, dass Großeltern solche Aufwendungen hatten. Der BFH entschied, dass im Grundsatz für Besuchsfahrten der Großeltern nichts anderes gilt.
1. Die in solchen Konstellationen entscheidende Grundfrage ist, ob noch typische Aufwendungen der Lebensführung vorliegen: Sie gelten durch den Grundfreibetrag, familienbedingte Aufwendungen durch Freibeträge und Kindergeld und ab 1996 durch Freibeträge oder Kindergeld (§ 31, § 32 Abs. 6 und X. Abschnitt EStG) abgegolten. Hierzu gehören die Kosten für Fahrten, um nahe Angehörige zu besuchen, es sei denn, die Fahrten werden ausschließlich zum Zweck der Heilung oder Linderung einer Krankheit unternommen. Der BFH konnte auf seine langjährige Rechtsprechung verweisen, nach der auch die Kosten eines alleinstehenden Elternteils für Wochenendfahrten zu einem von ihm getrennt lebenden Kind in Erfüllung der elterlichen Pflicht zur Personensorge zu solchen abgegoltene Kosten gehören.
2.§ 1685 Abs. 1 BGB gibt Großeltern ein Umgangsrecht, aber keine Umgangspflicht. Der Umgang sei im Streitfall weder rechtlich noch tatsächlich zwangsläufig. Die Besuche seien auch weder medizinisch indiziert oder therapeutisch notwendig, selbst wenn der Umgang in psychologischen Gutachten befürwortet worden sei. Jedenfalls nach Maßstäben des EStR sei keine sittlich begründete Zwangsläufigkeit der Reisekosten gegeben. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass A keine Vollwaise sei, sondern bei ihrer sorgeberechtigten Mutter lebe.
Solche Reisekosten seien auch nach anderen Maßstäben nicht außergewöhnlich. Reisekosten von Großeltern zur Herstellung des Umgangs seien der Art und dem Grund nach nicht außerhalb des Üblichen. Enkelkinder leben typischerweise bei ihren Eltern oder einem Elternteil; ihr Aufenthaltsort spiegle die berufliche und persönliche Mobilität der Eltern wider. Wenn die Kläger über die Berücksichtigung ihres Existenzminimums hinaus keine Entlastung im Rahmen des Familienleistungsausgleichs erhielten, begründe dies keine steuerliche Anerkennung.
Was für von seinem Kind getrennt lebende Elternteile gelte, gelte erst recht, wenn keine Unterhaltspflicht bestehe. Greife kein Familienleistungsausgleich, so seien Aufwendungen der Kontaktpflege nicht ersatzweise als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Dies begegne auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken; der Gesetzgeber dürfe im Bereich des subjektiven Nettoprinzips generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne dass damit unvermeidlich verbundene Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstießen. Durch den Grundfreibetrag seien daher grundsätzlich auch Aufwendungen von Großeltern für den Umgang mit dem von ihnen getrennt lebenden Enkelkind abgegolten.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 05.03.2009 – VI R 60/07 (NV)