Dipl.-Finanzwirt Rüdiger Happe
Leitsatz
Wird die bisherige Nutzung eines Betriebsgebäudes durch den Erwerber fortgeführt, liegt Betriebsbereitschaft vor. Wird das Gebäude für eine andere unternehmerische Nutzung hergerichtet, ändert sich die Betriebsbereitschaft und der Zustand wird wesentlich verbessert. Die Aufwendungen dafür sind als Anschaffungs-/Herstellungskosten zu qualifizieren.
Sachverhalt
Im Jahr 1992 erwarb die Klägerin das wirtschaftliche Eigentum an einem Grundstück, das mit einem Kohleheizwerk, bestehend aus mehreren Gebäuden sowie zwei Schornsteinen, bebaut war. Die Klägerin passivierte in ihrer Bilanz zum 31.12.1992 eine Rückstellung für Abbruchkosten. Bis zum Mai 1994 wurde die Anlage endgültig stillgelegt, demontiert und die Schornsteine gesprengt, um das Gelände einer anderweitigen Nutzung als Müllentsorgungsanlage zuzuführen. Dazu wurden die Baulichkeiten wesentlich verändert.
Entscheidung
Ein Vermögensgegenstand ist betriebsbereit, wenn er entsprechend seiner Zweckbestimmung genutzt werden kann. Zu den Anschaffungskosten zählen daher die Aufwendungen, die erforderlich sind, um den Vermögensgegenstand bestimmungsgemäß nutzen zu können. Den Zweck, zu dem das angeschaffte Wirtschaftsgut genutzt werden soll, bestimmt der Erwerber. Dabei definiert sich Zweck als die konkrete Art und Weise, in der der Erwerber das Wirtschaftsgut zur Erzielung von Einnahmen im Rahmen einer Einkunftsart nutzen will. Die auf dem erworbenen Grundstück stehenden Hallen waren zum Zeitpunkt des Besitzüberganges im April 1992 betriebsbereit, da die Klägerin diese zunächst weiterhin zu dem bisherigen Zweck einsetzte. Die Abrisskosten sind somit keine Anschaffungskosten i.S.d. § 255 Abs. 1 HGB. Bei den streitigen Aufwendungen für den Abriss der Energieerzeugungsanlagen handelt es sich aber um Herstellungskosten, denn aus der Sicht der Klägerin wurde der Zustand der Hallen dadurch wesentlich verbessert, dass sie nach dem Abriss der Energieerzeugungsanlagen die Maschinen zur Müllentsorgung aufnehmen konnten. Nach der neueren Rechtsprechung des BFH ist das Kriterium der wesentlichen Verbesserung i.S.d. § 255 Abs. 2 HGB inhaltsgleich mit dem Merkmal betriebsbereit i.S.d. § 255 Abs. 1 HGB. Während der BFH bei Wohngebäuden im Rahmen der Beurteilung der Betriebsbereitschaft darauf abstellt, welchem Standard (sehr einfach - mittel - oder sehr anspruchsvoll) das Gebäude entsprechen soll, tritt bei Betriebsgebäuden die Änderung der Betriebsbereitschaft an diese Stelle. Denn wenn der Inhaber eines Betriebsgebäudes dieses für eine neue unternehmerische Nutzung herrichtet, verhält er sich vergleichbar einem Wohnungsinhaber, der den Standard seiner Wohnung zur besseren Vermietbarkeit verändert. Die Entscheidung des Erwerbers, in dem erworbenen Betriebsgebäude eine andere betriebliche Nutzung auszuüben, als zum Zeitpunkt des Erwerbs, qualifiziert die Aufwendungen als Herstellungskosten, weil sie eine neue Betriebsbereitschaft begründen. Die Bildung einer Rückstellung somit scheidet aus, soweit der künftig zu erwartende Aufwand als Herstellungsaufwand zu aktivieren ist. Für die Kosten, die keine Herstellungskosten darstellen, lag eine privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Verpflichtung zum Abbruch nicht vor, so dass auch insoweit keine Rückstellung gebildet werden durfte.
Hinweis
Das vorliegende FG-Urteil könnte enorme Auswirkungen zeigen, wenn der BFH sich im Revisionsverfahren (I R 58/04) der Meinung des FG anschließt. Schließlich fasst das FG jede Umbaumaßnahme im Rahmen von Nutzungsänderungen eines Betriebsgebäudes als wesentliche Verbesserung auf, mit der Folge, dass die Aufwendungen als Herstellungskosten anzusehen sind. Das FG rechtfertigt seine Rechtsauffassung mit der Vermeidung von Umgehungsgestaltungen. Lägen in einem Fall grundlegender Veränderungen nach vorliegender Betriebsbereitschaft keine Herstellungskosten vor, hätten es der Veräußerer und der Erwerber eines Gebäudes durch die Gestaltung von dessen Nutzung im Zeitpunkt des Erwerbs in der Hand, ob die entstehenden Kosten zu Anschaffungskosten oder sofort abzugsfähigen Erhaltungsaufwendungen führen. Ob der BFH sich diese Begründung zu Eigen machen wird, mag bezweifelt werden.
Link zur Entscheidung
FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 21.04.2004, 1 K 356/01