3.1 Hauptanwendungsfall: Untersuchung der Rohgewinnaufschläge der Gastronomie

Die Technik des Zeitreihenvergleichs analysiert zwar nicht explizit das Kassenbuch oder Baraufzeichnungen, sie setzt aber bei bargeldintensiven Betrieben die Überprüfung auf einer anderen Ebene an.

Der Zeitreihenvergleich ermittelt ein Verhältnis ausgewählter Betriebsdaten, d. h. gewisse Daten werden einander gegenübergestellt. Dabei können (müssen jedoch nicht) Daten verwendet werden, die voneinander abhängig sind. Um die Gegenüberstellung plastischer aufzuzeigen, wird in der Praxis der Zeitreihenvergleich i. d. R. auch grafisch dargestellt. Der Zeitreihenvergleich wird normalerweise für kurzfristigere Zeiträume angewandt. Eine Überprüfung mittels Zeitreihenvergleich durch die Betriebsprüfung erfolgt vor allem zur Überprüfung gastronomischer Betriebe jedweder Art. Hiermit lässt sich aus den in der Buchführung ausgewiesenen Wareneinkäufen und Erlösen beispielsweise wöchentlich der Rohgewinnaufschlagsatz ermitteln.

Der für eine Kalenderwoche ermittelte Wareneinkauf wird als Wareneinsatz den für diese Woche ermittelten Erlösen zugerechnet. Die Differenz zwischen Wareneinkäufen und Erlösen stellt hierbei rechnerisch der Rohgewinn der betreffenden Woche dar. Das Verhältnis dieses Differenzbetrags zum Wochenwareneinkauf wird als Wert behandelt, der einem Wochen-Rohgewinnaufschlagsatz gleichkommt.

 
Achtung

Etwaige Warenbestände bleiben unberücksichtigt

Beim Zeitreihenvergleich wird davon ausgegangen, dass Lebensmittel

  • nur begrenzt haltbar sind,
  • jederzeit neu geliefert werden können und
  • in überschaubaren Zeitabschnitten preisstabil sind.

Es wird davon ausgegangen, dass Lagerbestände so gut wie nicht vorkommen. Ebenso wird angenommen, dass von jeder einzelnen Warenart erst dann wieder zugekauft wird, wenn kein oder nur noch ein wertmäßig unbedeutender Bestand vorrätig ist. Unter diesen Voraussetzungen werden die sich für die einzelnen Wochen ergebenden Wareneinkäufe als Wochen-Wareneinsätze behandelt. Soweit keine Besonderheiten eintreten – z. B. Feste, außergewöhnliche Veranstaltungen usw. – müssten die so errechneten Rohgewinnaufschlagsätze von Woche zu Woche ähnlich sein.

3.2 Folgerungen bei Schwankungen im Rohgewinnaufschlag

Um Schwankungen im so ermittelten Rohgewinnaufschlag deuten zu können, müssen saisonale Ereignisse in die Betrachtungen der ermittelten Zeitreihen miteinbezogen werden. Handelt es sich um ein Speiserestaurant, dessen Geschäftsbetrieb keinen saisonal schwanken unterliegt, sollten sich die Rohgewinnaufschlagsätze von Woche zu Woche gleichen. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass eine Umsatzerhöhung, analog auch eine Steigerung des Wareneinsatzes zur Folge hat. Werden jedoch für einzelne Wochen Abweichungen der Rohgewinnaufschlagsätze festgestellt, kann ein Prüfer daraus folgende Schlüsse ziehen:

  • Sind die Rohgewinnaufschlagsätze höher als in den übrigen Wochen, können Wareneinkäufe verschwiegen worden sein.
  • Sind die Rohgewinnaufschlagsätze niedriger als in den anderen Wochen, können Erlöse nicht gebucht worden sein.

Ursachenermittlung bei Unregelmäßigkeiten

Werden vom Unternehmer im Rahmen der Prüfungsvorbereitungen derartige Abweichungen auch festgestellt, sollten diese aufgeklärt und erläutert werden.

Sofern in der Praxis Wareneinkäufe in der Buchführung verschwiegen wurden, kann auch davon ausgegangen werden, dass die Betriebseinnahmen analog ebenfalls einer Kürzung unterlagen. Abweichungen im Zeitreihenvergleich können auf derartige Manipulationen hinweisen. Sollten das Kassenbuch bzw. die übrigen Aufzeichnungen trotz Auffälligkeiten beim Zeitreihenvergleich formell keinen Anlass zu Beanstandungen geben, bleibt dem Prüfer nur eine aufwendige Verprobung bzw. genaue Nachkalkulation um die steuerlichen Bemessungsgrundlagen wegen materieller Mängel ändern zu können.

3.3 Wie sich der BFH zu den mathematisch-statistischen Analysen stellt

3.3.1 Konstantes Verhältnis zwischen Wareneinsatz und Erlösen

In den Urteilen vom 25.3.2015[1] nahm der BFH erstmalig explizit Stellung zum Zeitreihenvergleich. Voraussetzung für einen Zeitreihenvergleich ist nach Meinung des BFH, dass das Verhältnis zwischen dem Wareneinsatz und den Erlösen in dem betrachteten Zeitraum weitgehend konstant ist. Insbesondere darf es im maßgebenden Zeitraum nicht zu solchen Änderungen in der Betriebsstruktur gekommen sein, die eine andere Betrachtungsweise des Zahlenwerks erforderlich machen.

3.3.2 Formell ordnungsmäßige Buchführung

In den oben erwähnten Urteilen sieht der BFH bei formell ordnungsmäßigen oder nur mit geringfügigen Mängeln behafteten Aufzeichnungen wenig Spielraum für eine Änderung der Besteuerungsgrundlagen aufgrund eines auffälligen Zeitreihenvergleichs. Änderungen aufgrund eines auffälligen Zeitreihenvergleichs sind nur i. V. m. weiteren formellen und/oder materiellen Beanstandungen der Aufzeichnungen möglich.

3.3.3 Formell nicht ordnungsmäßige Buchführung

Materielle Unrichtigkeiten der Erfassung der Einnahmen nicht nachweisbar

Sind die Aufzeichnungen zwar formell nicht ordnungsgemäß, können aber materielle Unrichtigkeiten der Erfassung der Einnahmen nicht nachgewiesen werden, könnten nach den oben erwähnten Urteilen des BFH die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs allenfalls ein Anha...

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