Dr. Ulf-Christian Dißars, Alexander Wernet
Eine weitere Verprobungsmöglichkeit die in Betriebsprüfung angewandt wird, sind die Richtsätze der amtlichen Richtsatzsammlungen. Diese Richtsatzsammlung wird jährlich vom Bundesministerium für Finanzen veröffentlicht. Die in der Richtsatzsammlung dargestellten Werte basieren auf Zahlen, die die Außenprüfer der Finanzverwaltung gesammelt haben. Den Finanzämtern werden hierzu einzelnen Branchen zugeteilt. Finanzamtsintern werden diese Branchen dann an bestimmte Prüfer verteilt, die den Auftrag erhalten einen Betrieb der jeweiligen Branche zu prüfen. Die Prüfer geben die ermittelten Werte nach der Prüfung wieder an das Bundesministerium für Finanzen zurück. Anschließend fließen diese Werte in die neue Richtsatzsammlung ein.
Abweichungen bei den Richtsätzen alleine können grundsätzlich keine Hinzuschätzungen von Betriebseinnahmen rechtfertigen. Die Abweichungen können jedoch, soweit noch andere formelle oder materielle Mängel im Bereich der Buchführung vorliegen, ein negatives Gesamtbild bestätigen.
Letztendlich sind immer die Besonderheiten des einzelnen Betriebes zu beachten. Die Richtsätze stellen lediglich den Durchschnitt der vom Finanzamt für die Richtsätze geprüften Betriebe dar. Dies bedeutet nicht, dass jeder Betrieb die gleichen Werte aufweisen muss. Vielmehr hat jeder Betrieb seine eigenen Besonderheiten, die ihn von anderen Betrieb abgrenzen.
Abweichungen von der Richtsatzsammlung klären und dem Betriebsprüfer erklären
Wer Abweichungen feststellt, sollte den Betriebsprüfer auf Besonderheiten des Unternehmens hinweisen und stichhaltig begründen, weshalb ein Vergleich mit den Werten aus der Richtsatzsammlung nicht gerechtfertigt ist.
Weiterhin sind aus der amtlichen Richtsatzsammlung nur die Werte hinsichtlich Rohgewinn I und mit Abstrichen die Werte zum Rohgewinn II aussagekräftig. In den Halbreingewinn fließen bereits die "Allgemeinen sachlichen Betriebsaufwendungen" mit ein. Dieser letztgenannte Ausgabenblock setzt sich aus vielen verschiedenen Posten zusammen, die stark von dem Unternehmen selbst und auch dem Unternehmer abhängig sind. Daher lässt diese Kennzahl meiner Meinung nach keine verlässlichen Schlüsse auf andere Betrieb zu. Noch deutlich wird dies beim Reingewinn, da sich auf diesen auch die "Besonderen sachlichen und personellen Betriebsaufwendungen" auswirken.
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Wirtschaftlicher Umsatz |
./. |
Waren-/ Materialseinsatz |
= |
Rohgewinn I |
./. |
Einsatz an Fertigungslöhnen |
= |
Rohgewinn II |
./. |
Allgemeine sachliche Betriebsaufwendungen |
= |
Halbreingewinn |
./. |
Besondere sachliche und personelle Betriebsausgaben |
= |
Reingewinn |
Tab. 1: Ermittlung der Richtsätze
Die Richtsatzsammlungen der Finanzverwaltung wurden in der Vergangenheit immer wieder kritisiert. Die Kritikpunkte sind dabei unterschiedlich, insbesondere wird die mangelnde Transparenz der Grundlagen, die für diese herangezogen werden, bemängelt. Bislang werden die Richtsatzsammlungen aber von der Verwaltung ohne größere Bedenken angewendet. Auf einen Beschluss des FG Schleswig-Holstein v. 8.5.2024 wird hierzu verwiesen. Das FG sieht keine Bedenken an der Anwendung der Sammlungen. Es bleibt aber zu hoffen, dass sich nunmehr der BFH in der nächsten Zeit ebenfalls der Frage annehmen wird, ob die Richtsatzsammlungen weiter und im bisherigen Umfang verwendet werden dürfen. Zumindest ist ein Verfahren beim BFH anhängig, in dem gewisse Aspekte der Grundlagen der Richtsatzsammlung eine Rolle spielen dürften. Betroffene Steuerpflichtige sollten auf dieses Verfahren verweisen, zumal der BFH das BMF in diesem Verfahren zum Beitritt aufgefordert und gewisse Kritik hat erkennen lassen.