9.1 Abgrenzung zur Betriebsaufgabe
Rz. 100
Im Unterschied zu einer Betriebsaufgabe (vgl. Rz. 64 ff.) wird bei einer Betriebsverlegung als solcher kein Gewinn realisiert. Es können sich aber – nicht begünstigte – Gewinne aus der Veräußerung oder Entnahme einzelner Wirtschaftsgüter ergeben.
9.2 Fälle der Betriebsverlegungen
Rz. 101
Oft finden Betriebsverlegungen im Zuge von Straßenbaumaßnahmen statt, in deren Rahmen an den Betriebsinhaber Entschädigungen gezahlt werden.
H betreibt eine Bäckerei auf eigenem Grundstück. Aus Anlass eines Brückenneubaus veräußert er sein Grundstück an die öffentliche Hand und erhält hierfür, für das Inventar und für den Geschäftsausfall, eine Entschädigung. Zunächst zieht er mit seiner Bäckerei in vorübergehend angemietete Geschäftsräume um. Gleichzeitig erwirbt er ein Grundstück in einer Entfernung von ca. 300 m zu seinem ehemaligen Geschäftslokal und errichtet dort ein Geschäftshaus mit Bäckerei, die er anschließend dort betreibt.
Rz. 102
Wird der bisherige Betrieb an einen neuen Standort verlegt, so kann dies steuerlich
- eine Aufgabe des bisherigen Betriebs und die Eröffnung eines neuen Betriebs oder
- eine bloße Betriebsverlegung sein.
Die Entscheidung hängt davon ab, ob der "stillgelegte" und der "wieder aufgenommene" Betrieb bei wirtschaftlicher Betrachtung (auch hinsichtlich des Kundenstamms) identisch sind.
Diese Identität ist regelmäßig zu bejahen, wenn wesentliche Betriebsgrundlagen in den neuen Betrieb überführt werden (vgl. Rz. 17 ff.).
Rz. 103
Bei einem in einem Ladenlokal betriebenen Handelsgeschäft sind der örtliche Wirkungskreis und die davon bestimmte Kundschaft von besonderer Bedeutung. Es spielt daher für die Frage der Identität zwischen dem stillgelegten und dem wieder aufgenommenen Betrieb die räumliche Entfernung des bisherigen vom neuen Ladenlokal eine wichtige Rolle. Die Identität wurde bei einem Lebensmitteleinzelhandelsgeschäft vom BFH verneint und daher ein steuerlich begünstigter Aufgabegewinn angenommen bei einer Entfernung von mehr als 10 Kilometern zwischen altem und neuen Ladenlokal.
In einem Fall, der wie der vorstehend geschilderte Beispielsfall gelagert war, sah aber der BFH die Identität zwischen dem bisherigen und dem neuen Betrieb als gewahrt an mit der Folge, dass die Entschädigungszahlungen zum laufenden Gewinn rechneten. Das folge aus der fortlaufend und artgleich ausgeübten Tätigkeit, der geringen Entfernung (300 m) zwischen den beiden Standorten und der sich fortsetzenden Umsatzentwicklung.