Prof. Dr. rer. pol. Claudia Rademacher-Gottwald
Leitsatz
Bei der Bewertung des geldwerten Vorteils, den der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer zukommen lässt, kann die Finanzverwaltung auf Durchschnittswerte zurückgreifen, um eine gleichmäßige Besteuerung zu gewährleisten. Die Typisierung muss sich jedoch am Marktwert orientieren. Der in Abschn. 31 Abs. 8 Satz 3 LStR 1999 für ein Arbeitgeberdarlehen festgelegte Vergleichszinssatz von 6% wird dem marktüblichen Zinssatz für das Jahr 1999 nicht gerecht und kann daher für die Bewertung des Zinsvorteils nicht herangezogen werden.
Sachverhalt
Der Kläger war Arbeitnehmer einer Pensionskasse und hatte bei ihr ein Hypothekendarlehen aufgenommen, das mit einem Effektivzinssatz von 4,99% verzinst wurde. Unter Berücksichtigung des typisierten Zinssatz von 6% nach Abschn. 31 Abs. 8 Satz 3 LStR 1999 wurde der Zinsvorteil von 1,01% als Arbeitslohn versteuert. Gegen den Einkommensteuerbescheid erhob der Kläger Einspruch. Bezug nehmend auf die von der Deutschen Bundesbank festgestellten Effektivzinssätze für den maßgebenden Zeitraum von Mai bis Juli 1999 (4,84-6,17 %) verlangte der Kläger eine Minderung des Arbeitslohns um den Zinsvorteil, weil der von seiner Arbeitgeberin veranschlagte Zinssatz von 4,99% marktüblich sei und keinen geldwerten Vorteil darstellte. Der Einspruch blieb ohne Erfolg, da das Finanzamt bei der Bewertung des Zinsvorteils an der Regelung des Abschn. 31 Abs. 8 Satz 3 LStR 1999 festhielt.
Entscheidung
Das FG gab der Klage statt und sah in der Gewährung des Arbeitgeberdarlehens zu einem Effektivzinssatz von 4,99 % keinen Sachbezug. Ein geldwerter Vorteil sei erst dann anzunehmen, wenn der Zinssatz des Arbeitgebers den üblichen Marktzins unterschreite. Zwar dürfe die Finanzverwaltung für Sachbezüge Durchschnittswerte festlegen. Diese Durchschnittswerte müssten sich aber an den üblichen Marktwerten orientieren. Der Referenzzinssatz für Arbeitgeberdarlehen von 6% sei für das Jahr 1999 nicht mehr marktüblich und könne daher nicht mehr für die Bewertung zugrunde gelegt werden. Die Finanzverwaltung müsse die Typisierung realitätsnah vornehmen. Für das Jahr 1999 sei ein Zinssatz im Intervall von 4,84 bis 6,17% marktüblich, so dass der vom Arbeitgeber verlangte Zinssatz von 4,99% angemessen sei.
Hinweis
Gegen das Urteil ist die Revision zugelassen (Az. beim BFH: VI R 32/05). Es bedarf der höchstrichterlichen Klärung, welche Bewertungsgrundsätze bei der Festlegung von Durchschnittswerten für Sachbezüge zu beachten sind und welcher Referenzzinssatz für die Bewertung des geldwerten Vorteils bei Gewährung eines Arbeitgeberdarlehens zugrunde zu legen ist (der bundesweit geltende Wert, ermittelt durch die Bundesbank, oder der in der Umgebung des Arbeitnehmers vorherrschende übliche Wert).
Arbeitgeber, die ihren Mitarbeiter zinsgünstige Darlehen gewähren, sollten auf das offene Verfahren hinweisen; die betroffenen Arbeitnehmer sollten gegen ihre Einkommensteuerbescheide Einspruch erheben.
Link zur Entscheidung
FG Köln, Urteil vom 10.03.2005, 10 K 999/01