Prof. Dr. rer. pol. Claudia Rademacher-Gottwald
Leitsatz
Bei der Bewertung des Sachbezugs, den der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber durch die zinsgünstige Überlassung eines Darlehens erhält, ist für das Jahr 1999 ein Zinssatz von 4,8% zugrunde zu legen. Der von der Finanzverwaltung durch Schätzung festgelegte Mindestzinssatz von 6% (R 31 Abs. 8 LStR 1999) ist für die Gerichte nicht bindend, weil sich die behördliche Schätzung nicht am Marktwert orientiert und daher offensichtlich unzutreffend ist.
Sachverhalt
Der Kläger, ein Arbeitnehmer, hatte von seinem Arbeitgeber ein Darlehen zum Erwerb einer Eigentumswohnung bekommen. Der vereinbarte Zinssatz betrug jährlich 4,77%. Die Differenz zwischen dem durch die Finanzverwaltung festgelegten Mindestzinssatz von 6% (R 31 Abs. 8 LStR 1999) und dem vereinbarten Zinssatz unterwarf der Arbeitgeber als Sachbezug dem Lohnsteuerabzug. Gegen den Steuerbescheid erhob der Kläger Einspruch mit der Begründung, ihm sei kein geldwerter Vorteil zugeflossen, da der effektive Jahreszins im Februar auf dem Kreditmarkt 4,6% betragen hätte. Der Einspruch blieb jedoch ohne Erfolg.
Entscheidung
Das FG gab der Klage statt. Die Bewertung des Sachbezugs aus der Gewährung eines zinsgünstigen Arbeitgeberdarlehens für den Erwerb eines Wohngrundstücks bemesse sich nach der von der deutschen Bundesbank ermittelten Zinsuntergrenze für Hypothekarkredite (üblicher Endpreis am Abgabeort). Im Februar 1999 habe diese Untergrenze 4,80 % betragen. Bei einem vereinbarten Zinssatz von 4,77 % sei daher kein geldwerter Vorteil für den Kläger anzusetzen.
Die Verwaltungsanweisung in R 31 Abs. 8 LStR 1999 sei im Streitfall nicht anzuwenden, weil es sich dabei um eine behördliche Schätzung handelte, die von den Gerichten dann beachtet werden müsse, wenn sie nicht offensichtlich unzutreffend sei. Im Vergleich zu den tatsächlichen Zinssätzen auf dem Markt für Hypothekarkredite seit 1995 (Streubreite von 8,75% stetig sinkend bis 4,80%) sei der Mindestzinssatz von 6% nach R 31 Abs. 8 LStR 1999 für das Jahr 1999 zu hoch, so dass er nicht mehr dem üblichen Endpreis am Abgabeort als Maßstab für die Bewertung von Sachbezügen (§ 8 Abs. 2 Satz 1 EStG) entspreche.
Hinweis
Das Urteil des FG ist nicht rechtskräftig (Az. BFH VI R 18/05, vgl. auch FG Köln v. 10.3.2005, 10 K 999/01). Es bleibt daher noch abzuwarten, wie die Streitfrage höchstrichterlich geklärt wird. Arbeitnehmer, die ein zinsgünstiges Darlehen von ihrem Arbeitgeber erhalten und den geldwerten Vorteil gemäß A 31 Abs. 8 LStR 1999 versteuert haben, sollten gegen die Steuerfestsetzung Einspruch erheben. Die Arbeitgeber sollten ihre Arbeitnehmer auf die beim BFH anhängigen Revisionsverfahren aufmerksam machen.
Link zur Entscheidung
FG Hamburg, Urteil vom 10.02.2005, V 280/01