Leitsatz
1. Der bewertungsrechtliche Begriff "Betrieb der Land- und Forstwirtschaft" ist tätigkeitsbezogen. Zivilrechtliches Eigentum an Grund und Boden oder am Besatz ist unerheblich.
2. Ist für die Bewertung des Wirtschaftsteils eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs der Liquidationswert maßgebend, kann ausnahmsweise der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts geführt werden, wenn der festgestellte Wert das verfassungsrechtliche Übermaßverbot verletzt. Dies setzt aber regelmäßig voraus, dass der vom FA festgestellte Wert den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert um 40 % oder mehr übersteigt.
Normenkette
§ 158, § 160 Abs. 7, § 162 Abs. 3 und 4, § 165 Abs. 3, § 166, § 198 BewG
Sachverhalt
Die am 18.9.2015 verstorbene Erblasserin war Eigentümerin verschiedener Grundstücke, die zum Teil als Ackerland genutzt wurden. Der Kläger ist Alleinerbe der Erblasserin. Mit Vertrag vom 17.2.2016 veräußerte er die Grundstücke zu einem Gesamtkaufpreis von 292.000 EUR, ohne den Veräußerungserlös wieder in einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu investieren.
Das für die Bewertung zuständige FA stellte mit Bescheid vom 20.7.2016 auf den 18.9.2015 für Zwecke der ErbSt für die als Ackerland genutzten Flächen als Art der wirtschaftlichen Einheit "Betrieb der Land- und Forstwirtschaft" und als Wert der wirtschaftlichen Einheit einen Grundbesitzwert i.H.v. 238.668 EUR fest. Dabei setzte das FA den Liquidationswert (§ 166 BewG) an. Für die übrigen Flächen hatte das FA bereits zuvor Grundbesitzwerte i.H.v. insgesamt 95.870 EUR festgestellt.
Einspruch und Klage gegen den Bescheid vom 20.7.2016 blieben erfolglos (FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 11.11.2020, 3 K 369/17, Haufe-Index 142679609).
Entscheidung
Auf die Revision des Klägers verwies der BFH die Sache an das FG zurück. Die Feststellungen des FG trügen nicht dessen Schlussfolgerung, dass die Erblasserin einen Betrieb der LuF unterhalten habe. Der BFH könne auf Grundlage der Feststellungen des FG deshalb nicht abschließend entscheiden, ob auf den Kläger ein Betrieb der LuF übergegangen ist. Von der Beantwortung dieser Frage hänge jedoch ab, nach welchen Vorschriften die typisierende Bewertung durchzuführen ist und an welche Voraussetzungen der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts geknüpft ist.
Sollte das FG im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis kommen, dass auf den Kläger ein Betrieb der LuF übergegangen ist, hätte das FA die Höhe des Grundbesitzwerts prinzipiell zutreffend mit dem Liquidationswert i.H.v. 238.668 EUR gesondert festgestellt. Das grundgesetzliche Übermaßverbot wäre nach den Feststellungen des FG nicht verletzt.
Sollte das FG hingegen zu dem Ergebnis gelangen, dass der Kläger keinen Betrieb der LuF geerbt hat, wäre der streitgegenständliche Feststellungsbescheid aufzuheben. Das FA hätte dann erneut eine Bewertung der Grundstücke durchzuführen; diesmal nach den Vorschriften über die Bewertung von Grundvermögen (§§ 157 Abs. 3 Satz 1, 176 bis 198 BewG). Dem Kläger stünde in einem solchen Fall nach § 198 BewG der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts offen.
Hinweis
Der BFH befasst sich im Besprechungsurteil mit der Bewertung eines Betriebes der LuF für Zwecke der ErbSt.
1. Nach § 12 Abs. 3 ErbStG ist Grundbesitz i.S.d. § 19 BewG, zu dem nach § 19 Abs. 1 BewG auch Betriebe der LuF gehören, mit dem nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG auf den Bewertungsstichtag festgestellten Wert anzusetzen. Gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 2 BewG sind für die wirtschaftlichen Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens die Grundbesitzwerte unter Anwendung der §§ 158 bis 175 BewG zu ermitteln. Wirtschaftliche Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens ist gemäß § 158 Abs. 2 Satz 1 BewG der Betrieb der LuF. Zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehören nach § 158 Abs. 1 Satz 2 BewG alle Wirtschaftsgüter, die einem Betrieb der LuF zu diesem Zweck auf Dauer zu dienen bestimmt sind. Das bedeutet, dass eine Bewertung nach den für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen geltenden Grundsätzen nur erfolgen kann, wenn die betreffenden Wirtschaftsgüter zu einem entsprechenden Betrieb gehören.
a) Nach § 158 Abs. 1 Satz 1 BewG ist LuF die planmäßige Nutzung der natürlichen Kräfte des Bodens zur Erzeugung von Pflanzen und Tieren sowie die Verwertung der dadurch selbst gewonnenen Erzeugnisse. Diese Vorschrift knüpft an eine bestimmte Nutzung des Bodens, aber nicht an das Eigentum am Boden an. Einen Betrieb der LuF hat demnach derjenige inne, der LuF betreibt. Der Betriebsbegriff ist tätigkeitsbezogen. Zivilrechtlichen Eigentums an Grund und Boden oder am Besatz bedarf es nicht. Die land- und forstwirtschaftliche Zweckbestimmung für den Betrieb eines Dritten reicht nicht aus, land- und forstwirtschaftliches Vermögen beim Eigentümer zu begründen.
b) Nach § 160 Abs. 7 Satz 1 BewG bilden einen Betrieb der LuF auch Stückländereien, die als gesonderte wirtschaftliche Einheit zu bewerten sind. Nach Satz 2 der Vorschrift sind Stückländerei...