Leitsatz

1. Der Arbeitgeber kann einen Beschluss über die verbilligte oder unentgeltliche Überlassung von Aktien an seine Arbeitnehmer aufheben und durch einen anderen Überlassungsbeschluss ersetzen. In diesem Fall ist der nach § 19a Abs. 8 Satz 2 EStG zu berechnende Vorteil auf den Tag des (Zweit-)Beschlusses zu berechnen, auf dem die Überlassung der Aktien tatsächlich beruht.

2. § 19a Abs. 8 Satz 2 EStG findet auch dann Anwendung, wenn sich der Überlassungsbeschluss auf junge Aktien bezieht, die erst im Rahmen einer bevorstehenden Kapitalerhöhung ausgegeben werden, sofern die "Altaktie" im Zeitpunkt des Überlassungsbeschlusses an der Börse notiert ist.

3. Der Anwendung des § 19a Abs. 8 Satz 2 EStG steht in diesem Fall nicht der Umstand entgegen, dass die jungen Aktien bei ihrer Überlassung an die Arbeitnehmer bereits an der Börse notiert sind.

 

Normenkette

§ 19a Abs. 8 Satz 2 EStG

 

Sachverhalt

Der Entscheidung liegen zwei Sachverhalte zugrunde.

Im ersten Fall hatte die Klägerin (Arbeitgeberin) am 23.8.1990 beschlossen, bezugsberechtigten Arbeitnehmern aus einer im Frühjahr 1991 beabsichtigten Kapitalerhöhung bis zu vier junge Aktien im Nennwert von 50 DM zum Preis von 241 DM je Aktie anzubieten. Der niedrigste Börsenkurs für die entsprechenden Altaktien betrug zu diesem Zeitpunkt 381 DM. Am 26.9.1990 belief sich der niedrigste Börsenkurs jedoch auf 354 DM. Die Klägerin hob daraufhin den alten Überlassungsbeschluss auf und beschloss zugleich, ihren Arbeitnehmern nunmehr max. fünf junge Aktien zum Preis von 239 DM je Aktie anzubieten. Unter Berücksichtigung des Kurswerts am 26.9.1990 ergab sich eine Verbilligung, die unter Berücksichtigung eines Kursabschlags unter 100 DM pro Aktie lag, so dass bei fünf Aktien der Freibetrag von (damals) 500 DM nicht überschritten war.

Das FA meinte, der Kurswert am Tag des ersten Beschlusses sei maßgebend und gelangte deshalb zu einem steuerpflichtigen geldwerten Vorteil. Dieser Ansicht schloss sich auch das FG an.

Im zweiten Fall bestand die Besonderheit, dass die jungen Aktien bereits zwei Monate vor der Überlassung an die Arbeitnehmer an der Börse amtlich notiert worden waren. Das FA vertrat deshalb die Ansicht, bei der Ermittlung des Vorteils aus der verbilligten Überlassung sei der gemeine Wert nach § 19a Abs. 8 Satz 1 EStG anzusetzen. Das FG hatte sich dieser Ansicht auch angeschlossen.

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und gab der Klägerin Recht. Im ersten Fall sei der zweite Überlassungsbeschluss maßgebend. Anhaltspunkte für einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO 1977) bestünden nicht. Hätte die Klägerin den ersten Überlassungsbeschluss durchgeführt, hätte sich für die Arbeitnehmer, die von dem Überlassungsangebot Gebrauch gemacht hätten, kein lohnsteuerpflichtiger Vorteil ergeben. Im Übrigen habe sich für den Arbeitgeber durch die erneute Beschlussfassung gleichfalls kein steuerlicher Vorteil ergeben.

Würde man der Ansicht des FA folgen, hätten die Arbeitnehmer einen Vorteil versteuern müssen, der infolge des gefallenen Kurses nicht mehr bestanden habe.

Hinsichtlich des zweiten Falls wies der BFH insbesondere darauf hin, dass § 19a Abs. 8 Satz 2 EStG dahin auszulegen sei, dass nur die Altaktie das Erfordernis der Börsennotierung im Zeitpunkt des Überlassungsbeschlusses erfüllen muss. Die Vorschrift sei unabhängig davon anzuwenden, ob es die jungen Aktien zum Zeitpunkt der Beschlussfassung schon gibt und ob die jungen Aktien zum Zeitpunkt der Überlassung schon an der Börse gehandelt werden. Für die Bewertung der jungen Aktien sei gleichfalls auf den Überlassungsbeschluss abzustellen.

 

Hinweis

Durch die Sozialzwecknorm des § 19a EStG soll die Vermögensbildung der Arbeitnehmer gefördert werden. § 19a Abs. 8 EStG enthält als lex specialis zu § 8 EStG Sonderregelungen für die Bewertung der Vermögensbeteiligungen, wie z.B. für Belegschaftsaktien.

Der in § 19a Abs. 8 Satz 2 EStG normierte Neunmonatszeitraum (zwischen dem Tag der Fassung des Überlassungsbeschlusses und dem Tag der Überlassung der Aktien an die Arbeitnehmer) dient dem Zweck, sog. Vorratsbeschlüsse zu verhindern, d.h. Beschlüsse des Arbeitgebers, bei denen die Überlassung etwa von Belegschaftsaktien erst zu einem Zeitpunkt nach Ablauf der Neunmonatsfrist erfolgt. Es soll die Möglichkeit verhindert werden, Aktien aufgrund eines u.U. Jahre vorher gefassten Beschlusses zu einem günstigen Kurs an die Arbeitnehmer zu überlassen.

Die Besprechungsentscheidung lässt sich insbesondere dahingehend zusammenfassen, dass bei steigenden Kursen innerhalb des Neunmonatszeitraums der höhere Wert nicht als geldwerter Vorteil erfasst wird. Umgekehrt ist der Arbeitgeber bei fallenden Kursen aber grundsätzlich nicht gehindert, einen neuen Beschluss zu fassen und damit den niedrigeren Ausgangswert zugrunde zu legen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 4.4.2001, VI R 173/00

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