Prof. Dr. Joachim S. Tanski
Rz. 18
Den Durchschnittsverfahren ist gemeinsam, dass sie unabhängig von einer bestimmten Folge der Lagerbewegungen (Zugänge bzw. Abgänge) einen Durchschnittswert der im Lager befindlichen Anschaffungskosten bzw. Herstellungskosten bilden. Damit eignen sich diese Verfahren insbesondere für jene Fälle, in denen die Lagerentnahmen zufällig erfolgen, d. h., dass die tatsächlich dem Lager zu entnehmenden Güter nicht ausgewählt werden, sondern nach dem Zufallsprinzip abgehen. Die Durchschnittsverfahren sind in der Praxis – auch wegen ihrer leichten Rechenbarkeit – weit verbreitet.
Rz. 19
In der Literatur wird gelegentlich noch ein als "einfaches Durchschnittsverfahren" bezeichnetes Verfahren genannt, welches auf einer Durchschnittsbildung der nicht mit Mengen gewichteten Einstandspreise beruht. Dieses Verfahren liefert nur im unrealistischen Grenzfall konstanter Einkaufsmengen zutreffende Werte, weshalb dieses Verfahren aus betriebswirtschaftlicher sowie handels- und steuerrechtlicher Sicht abzulehnen ist.
3.2.1.1 Gleitendes Durchschnittsverfahren
Rz. 20
Beim gleitenden Durchschnittsverfahren handelt es sich um eine permanente Rechnung, bei der nach jedem Zugang ein neuer Durchschnittswert für den Lagerbestand ermittelt wird. Dadurch wird ein sehr hoher Aktualitätsgrad für den Lagerbestandswert erreicht.
Rz. 21
Aufgrund der permanenten Rechnung wird bei einer vollständigen Lagerräumung (Lagerbestand = 0) auch der Durchschnittswert auf 0 gesetzt. Dadurch ist es in diesem Fall nicht möglich, dass sich nach erneuten Zugängen zurückliegend realisierte Einstandspreise auf den aktuellen Durchschnittswert auswirken. Sofern die Lagerbewegungen zufällig erfolgen, entspricht der gleitende Durchschnittswert dem Wert einer direkten Einzelbewertung.
Die Errechnung des aktuellen Durchschnittspreises (Pi) pro Mengeneinheit kann nach folgender Formel vorgenommen werden:
Pi = |
bn-1 · Pn-1 + ×n · Pn |
|
bn-1 + xn |
|
mit bi = Lagerbestand, xi = Zugangsmenge, n = Zugangszeitpunkt und i = 1, 2, …., n.
Beispiel (gleitendes Durchschnittsverfahren):
Datum |
|
Stück |
Stückpreis |
Aufwand |
Bestandswert |
gleitender Durchschnitt |
1. 12. |
AB |
40 |
4,00 |
|
160,00 |
4,00 |
3. 12. |
Zu |
20 |
4,20 |
|
244,00 |
4,066 |
7. 12. |
Ab |
30 |
4,06 |
122,00 |
122,00 |
4,066 |
8. 12. |
Zu |
10 |
4,40 |
|
166,00 |
4,15 |
10. 12. |
Zu |
20 |
4,30 |
|
252,00 |
4,20 |
13. 12. |
Zu |
10 |
4,25 |
|
294,50 |
4,207 |
18. 12. |
Ab |
20 |
4,207 |
84,14 |
210,36 |
4,207 |
21. 12. |
Ab |
40 |
4,207 |
168,29 |
42,07 |
4,207 |
23. 12. |
Zu |
50 |
4,10 |
|
247,07 |
4,117 |
28. 12. |
Ab |
30 |
4,117 |
123,53 |
123,54 |
4,117 |
30. 12. |
Ab |
5 |
4,117 |
20,59 |
102,95 |
4,117 |
31. 12. |
EB |
25 |
|
518,55 |
102,95 |
4,117 |
|
Anfangsbestand (AB) |
160,00 |
+ |
Zugänge (Zu) |
461,50 |
– |
Abgänge (Ab) |
|
518,55 |
= |
Endbestand (EB) |
102,95 |
3.2.1.2 Gewogenes Durchschnittsverfahren
Rz. 22
Beim gewogenen Durchschnittsverfahren handelt es sich um ein periodisch durchzuführendes Verfahren, welches eine Durchschnittsbildung auf der Basis der mit den Zugangsmengen gewogenen Anschaffungskosten bzw. Herstellungskosten vornimmt. Für Zwecke des Jahresabschlusses muss diese Durchschnittsbildung mindestens einmal im Geschäftsjahr durchgeführt werden. Eine häufigere Durchschnittsbildung, z. B. quartals- oder monatsweise, führt zu einer besseren Anlehnung an den Vergleichswert aufgrund einer Einzelbewertung, ist jedoch immer noch spürbar gröber als der sich aufgrund einer gleitenden Durchschnittsbewertung ergebende Wert. Auch für Zwecke der Kosten- und Leistungsrechnung ist eine monatliche Durchschnittsrechnung zweckmäßiger.
Rz. 23
Ein erheblicher Nachteil dieser Methode ist die Tatsache, dass auch bei einer vollständigen Lagerräumung (Lagermenge = 0) ein Durchschnittswert existiert. Dieser Effekt entsteht dadurch, dass rechnerisch die Entnahmen aus dem Lager auch aus jenen Zugängen erfolgen, die nach der Entnahme liegen. Letztlich bedeutet dies, dass sich der Einfluss weit zurückliegender Einstandspreise verhältnismäßig lange auswirkt. In Zeiten steigender Preise führt dies zu einer tendenziell niedrigeren Bewertung des Vorratsvermögens und zu einer Erhöhung des Periodenaufwandes gegenüber einer direkten Einzelbewertung.
Rz. 24
Rechentechnisch werden bei diesem Verfahren die mit den Zugangsmengen gewogenen Einstandspreise addiert und der sich daraus ergebende Zugangswert durch die Zugangsmenge dividiert. Der sich daraus ergebende gewogene Durchschnittswert wird für die Bewertung aller Abgänge der Periode und für die Bewertung des Periodenendbestandes herangezogen. Der Periodenanfangsbestand (entsprechend dem Endbestand der Vorperiode) wird wie ein erster Periodenzugang behandelt, sodass sich ein durchschnittlicher Bestandswert ergibt.
Rz. 25
Für die Errechnung des gewogenen Durchschnittspreises () kann auf die folgende Formel zurückgegriffen werden:
mit × = Zugangsmenge und i = 1, 2, …., n.
Beispiel (durchschnittlicher Bestandswert):
Datum |
|
Stück |
Stückpreis |
|
1. 12. |
AB |
40 |
4,00 |
160,00 |
3. 12. |
Zu |
20 |
4,20 |
84,00 |
8. 12. |
Zu |
10 |
4,40 |
44,00 |
10. 12. |
Zu |
20 |
4,30 |
86,00 |
13. 12. |
Zu |
10 |
4,25 |
42,50 |
23. 12. |
Zu |
50 |
4,10 |
205,00 |
Dezember |
|
150 |
4,14 |
621,50 |
|
Anfangsbestand (AB) |
160,00 |
+ |
Zugänge (Zu) |
461,50 |
– |
Abgänge (Ab)/Aufwand |
517,92 |
= |
Endbestand (EB) 25 Stück |
103,58 |