Rz. 52

Eine der wesentlichsten Voraussetzungen ist die Gleichartigkeit der mit einem Bewertungsvereinfachungsverfahren zu bewertenden Güter des Vorratsvermögens.[1] Güter, die nicht gleichartig sind, dürfen regelmäßig nicht mit einem Bewertungsvereinfachungsverfahren bewertet werden.

 

Rz. 53

Gleichartigkeit bedeutet nicht, dass die zu beurteilenden Güter gleich sein müssen. Es reicht vielmehr aus, wenn die Güter in ihrer Art gleich sind, wobei die einzelnen Güter untereinander deutliche Ungleichheiten zeigen können, solange aus der geforderten Gleichartigkeit nicht eine Verschiedenartigkeit wird.[2]

Nach der h. M. sind Vermögensgegenstände dann gleichartig, wenn sie

  • der gleichen Warengattung (Gattungsgleichheit) angehören oder
  • dem gleichen Verwendungszweck (Funktionsgleichheit) dienen.
 

Rz. 54

Die Gattungsgleichheit ist gegeben, wenn sich im Lager Güter befinden, die sich nur hinsichtlich ihrer Abmessungen, z. B. Stoffe verschiedener Breite, oder hinsichtlich ihrer Qualität, z. B. Waren erster und zweiter Güte, unterscheiden. Hingegen ist für die Gattungsgleichheit unbedingt zu fordern, dass die Güter aus identischem Material gefertigt sind. Die Funktionsgleichheit verlangt nach identischen Funktionen bzw. Einsatzmöglichkeiten der Güter, wobei keine Gleichheit hinsichtlich der verwendeten Materialien und Produktionsverfahren notwendig ist, z. B. Leitern aus Holz, Plastik und Stahl.

 

Rz. 55

Nach dem Wortlaut des Gesetzes kommt es für die Gleichartigkeit nicht auf eine Preisgleichheit an,[3] da die annähernde Preisgleichheit ausschließlich als alternative Gruppenbildungsvoraussetzung bei nicht zum Vorratsvermögen gehörenden Gütern gefordert ist. Insoweit ist aus dem ausdrücklichen Nichterwähnen der "annähernden Preisgleichheit" unmittelbar abzuleiten, dass dieses Erfordernis bei der Gruppenbildung für das Vorratsvermögen nicht gegeben ist. Auch das Steuerrecht verzichtet auf eine vollständige Preisgleichheit und sieht nur erhebliche Preisunterschiede als schädlich für die Gruppenbildung an;[4] so sind z. B. keine erheblichen Preisunterschiede bei Herrensocken verschiedener Preislagen in einem Kaufhaus gegeben.

 

Rz. 56

In der Literatur[5] wird jedoch teilweise eine annähernde Preisgleichheit auch für eine Bewertungsvereinfachung im Vorratsvermögen gefordert, obwohl diese Forderung im Widerspruch zu der Formulierung im Gesetz steht. Es entspricht gerade dem Prinzip einer Bewertungsvereinfachung, Güter mit unterschiedlichen Preisen so zu bewerten, dass alle Güter ohne Ansehung ihrer tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten in die Bewertungsvereinfachung einbezogen werden. Es kann allerdings den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung widersprechen, wenn Güter mit extrem weit auseinanderliegenden Preisen mit einem Bewertungsvereinfachungsverfahren bewertet werden.[6] Bernert formuliert daher zurückhaltender: "Für die Gleichartigkeit dürfen diese Vermögensgegenstände außerdem in den Preisen nicht so verschieden sein, daß für sie ein gewogener Durchschnittswert nicht gebildet werden kann."[7]

 

Rz. 57

Deshalb kann Mayer-Wegelin zugestimmt werden, der in der annähernden Preisgleichheit nur eines von mehreren möglichen Zusatzkriterien sieht.[8] Danach ist eine annähernde Preisgleichheit nur als ein einzelnes Indiz dafür anzusehen, dass Vermögensgegenstände gleichartig sind.

 

Rz. 58

Sieht man eine Preisgleichheit nicht als notwendigen Teil einer Gleichartigkeit, so sollten keine Bedenken bestehen, das Problem stark unterschiedlicher Preise bei ansonsten gegebener Gleichartigkeit durch die Anwendung z. B. des Dollar-Value-Lifo-Verfahrens zu lösen.[9]

[1] Bei Gütern, die nicht zum Vorratsvermögen gehören, ist es für eine Gruppenbewertung auch ausreichend, wenn eine annähernde Gleichwertigkeit der Vermögensgegenstände gegeben ist.
[2] Für eine weite Auslegung des Begriffs der "Gleichartigkeit" plädierend: Schulz/Fischer, WPg 1989, S. 528 f.
[3] Ebenso Mayer-Wegelin, DB 1989, S. 940.
[5] Vgl. Grottel/Huber, in Grottel u. a., Beck´scher Bilanz-Kommentar, 11. Aufl. 2020, § 256 Rz. 22.
[6] Ebenso Kulosa, in Schmidt, EStG, 39. Aufl. 2020, § 6 Rz. 414.
[7] Bernert, in Leffson/Rückle/Großfeld, Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe im Bilanzrecht des HGB, 1986, S. 220.
[8] Mayer-Wegelin, DB 1989, S. 939.
[9] Vgl. Schulz/Fischer, WPg 1989, S. 492 ff.

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