Rz. 65

Im Einzelfall kann bei Kapitalgesellschaften und dem Publizitätsgesetz unterliegenden Unternehmen eine besondere Erläuterungspflicht im Anhang als weitere Anwendungsvoraussetzung entstehen. Nach § 284 Abs. 2 Nr. 4 HGB müssen im Anhang "bei Anwendung einer Bewertungsmethode nach § 240 Abs. 4, § 256 Satz 1 die Unterschiedsbeträge pauschal für die jeweilige Gruppe ausgewiesen werden, wenn die Bewertung im Vergleich zu einer Bewertung auf der Grundlage des letzten vor dem Abschlussstichtag bekannten Börsenkurses oder Marktpreises einen erheblichen Unterschied aufweist". Diese Vorschrift kommt hinsichtlich der Bewertungsvereinfachungsverfahren einer Offenlegung der stillen Reserven gleich. Zweck dieser Vorschrift ist eine Verbesserung des Einblicks in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage.

 

Rz. 66

Die Angabepflicht entsteht nur dann, wenn der bilanzielle Wertansatz, der aufgrund eines Bewertungsvereinfachungsverfahrens ermittelt wurde, erheblich von einem Vergleichswert, dem Börsenkurs oder Marktpreis, abweicht. Ein anderer Vergleichswert, z. B. die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, würde eine Doppelrechnung mit der direkten und der indirekten Einzelbewertung erforderlich machen, wodurch der Vereinfachungseffekt zunichtegemacht werden würde. Dadurch kann allerdings der Fall eintreten, dass die im Anhang anzugebende stille Reserve größer als die tatsächlich entstandene stille Reserve ist.

 
Praxis-Beispiel
 
Lifo-Bewertung 3.500 EUR
Anschaffungskosten aufgrund einer Einzelbewertung 3.800 EUR
Marktpreis 3.900 EUR

Daraus folgt eine Berichtspflicht im Anhang über 400 EUR, obwohl die tatsächliche stille Reserve nur 100 EUR beträgt.

Negative Unterschiedsbeträge sind nicht möglich, da aufgrund des Niederstwertprinzips eine Abschreibung auf den Börsen- oder Marktpreis vorgenommen werden muss (§ 253 Abs. 4 HGB), sodass der Börsen- oder Marktpreis nur gleich oder größer dem Bilanzansatz sein kann. Liegt der "beizulegende Wert" unter dem Börsen- oder Marktpreis, so folgt daraus keine Angabepflicht nach § 284 Abs. 2 Nr. 4 HGB, da der niedrigere Wert dann nicht aufgrund eines Bewertungsvereinfachungsverfahrens entstanden ist.

 

Rz. 67

Bei der Ermittlung des Unterschiedsbetrages ist für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie Waren grundsätzlich auf den Börsenkurs bzw. Marktpreis des Beschaffungsmarktes abzustellen. Bei unfertigen und fertigen Erzeugnissen kann jedoch nicht auf den Börsenkurs bzw. Marktpreis des Absatzmarktes zugegriffen werden, da sich dadurch im Unterschiedsbetrag unrealisierte Gewinne niederschlagen würden. Hier ist der Börsenkurs bzw. Marktpreis des Absatzmarktes mindestens um die Gewinnaufschläge zu reduzieren.[1] Idealerweise sollte der Reproduktionswert als Vergleichswert dienen, was jedoch nicht durch den Gesetzeswortlaut gedeckt ist.

 

Rz. 68

Der Unterschiedsbetrag ist "pauschal für die jeweilige Gruppe" anzugeben. Während der Begriff der Gruppe in § 256 HGB nicht vorkommt, wird in § 240 Abs. 4 HGB unter der Gruppe die Zusammenfassung gleichartiger Vermögensgegenstände verstanden. Danach würde für jede Gruppe gleichartiger Gegenstände der Unterschiedsbetrag anzugeben sein, wodurch u. U. eine erhebliche Anzahl von Unterschiedsbeträgen im Anhang darzustellen wäre. Unter Beachtung des Grundsatzes der Klarheit sollte es m. E. auf jeden Fall ausreichend sein, wenn der Unterschiedsbetrag nur für jedes Bewertungsverfahren (also je ein Betrag für Lifo, Fifo, gewogener Durchschnitt usw.) angegeben wird.[2]

 

Rz. 69

Im Gesetz ist nicht definiert, wann ein "erheblicher" Unterschiedsbetrag vorliegt. Ein Unterschied von mehr als 10 % des Bilanzansatzes kann in Anlehnung an die Diskussion zur Wesentlichkeit bereits als erheblich angesehen werden. Eine Einzelfallbetrachtung wird jedoch grundsätzlich angebracht sein. Fallen für einen Bilanzposten mehrere Unterschiedsbeträge an, so bezieht sich die 10 %-Grenze auf die Summe aller Unterschiedsbeträge, da diese Angabe nähere Erläuterung zu einem Bilanzposten gibt, nicht dagegen zu Gruppen von Vermögensgegenständen.

 

Rz. 70

Der gesetzliche Hinweis auf die "pauschale" Angabe des Unterschiedsbetrages ist so zu verstehen, dass innerhalb einer Gruppe keine Einzelwerte angegeben werden müssen.

[1] Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 5. Aufl. 1987, § 284 Rz. 164.
[2] Für eine Gruppe gem. § 240 Abs. 4 HGB und eine Gruppe gem. § 256 Satz 1 HGB (also maximal 2 Gruppen): Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 5. Aufl. 1987, § 284 Rz. 161; weitergehend die Zusammenfassung in einer Summe als möglich erachtend vgl. IDW, WP Handbuch, 13. Aufl. 2006, F 632.

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