Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Beschwerde nach abgelehnter Protokollberichtigung; keine außerordentliche Beschwerde im finanzgerichtlichen Verfahren
Leitsatz (NV)
- Eine Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Berichtigung des Protokolls ist grundsätzlich nicht statthaft.
- Nachdem sich der Gesetzgeber für den Bereich des Zivilprozessrechts dafür entschieden hat, dass dasjenige Gericht, dem ein Fehler unterlaufen ist, für Abhilfe zu sorgen hat, ist auch im finanzgerichtlichen Verfahren die außerordentliche Beschwerde nicht mehr statthaft. Den Belangen der Rechtssuchenden kann im Rahmen der FGO mit der Gegenvorstellung Rechnung getragen werden.
Normenkette
FGO §§ 94, 128, 155; ZPO §§ 164, 321a, 572 Abs. 1
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) wies die zu gemeinsamer Verhandlung verbundenen Klagen der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) 14 K 4890/01 und 14 K 4891/01 mit Urteilen vom 25. Oktober 2002 aufgrund mündlicher Verhandlung als unbegründet ab. Ausweislich des Sitzungsprotokolls wurde die Streitsache mit den Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert.
Nach Zustellung der Urteile beantragte die Klägerin beim FG in dem Verfahren 14 K 4890/01, das Protokoll wie folgt zu berichtigen:
Der Satz
Die Streitsache wird mit den Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert
ist zu streichen.
Das FG lehnte den Antrag mit Beschluss vom 13. Dezember 2002 ab. Die Klägerin erhob gegen den Beschluss "sofortige Beschwerde" und "Gegenvorstellung".
Die Klägerin beantragt, das Protokoll antragsgemäß zu ändern.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Nach § 94 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 164 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) können Unrichtigkeiten des Protokolls jederzeit berichtigt werden. Die Protokollberichtigung kann als unvertretbare Verfahrenshandlung nur durch den Instanzrichter, der das Protokoll unterschrieben hat, und ggf. den hinzugezogenen Protokollführer vorgenommen werden. Eine Beschwerde (§ 128 Abs. 1 FGO) gegen die Berichtigung oder die Ablehnung der Berichtigung ist deshalb nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) grundsätzlich nicht statthaft. Eine Ausnahme davon soll dann gelten, wenn vorgetragen wird, die Berichtigung sei zu Unrecht als verfahrensrechtlich unzulässig abgelehnt oder die Entscheidung über den Berichtigungsantrag sei von einer nichtberechtigten Person vorgenommen worden oder leide sonst an einem schwerwiegenden Verfahrensmangel (BFH-Beschluss vom 18. Dezember 2000 IV B 3/00, BFH/NV 2001, 796, m.w.N.).
Im Streitfall liegen die Voraussetzungen, unter denen eine Beschwerde ausnahmsweise zulässig sein kann, nicht vor. Das Beschwerdevorbringen der Klägerin beschränkt sich darauf, die inhaltliche Unrichtigkeit zu beanstanden.
2. Eine "sofortige Beschwerde" kennt die FGO nicht (Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 128 Rz. 2).
Die Beschwerde ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der sog. außerordentlichen Beschwerde zulässig.
Ausgehend von den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG―(vgl. Beschlüsse vom 28. März 1985 1 BvR 1245, 1254/84, BVerfGE 69, 233, und vom 28. September 1982 2 BvR 125/82, BVerfGE 61, 119) hat der BFH in der Vergangenheit allerdings anerkannt, dass eine außerordentliche Beschwerde ausnahmsweise dann in Betracht kommen kann, wenn die angefochtene Entscheidung, die nach den gesetzlichen Vorschriften unanfechtbar ist, jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und mit der Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Dezember 2001 VI B 285/01, BFH/NV 2002, 534, m.w.N.).
Nach den Neuregelungen im Zivilprozessrecht kommt eine solche Möglichkeit künftig aber nicht mehr in Betracht. Der Gesetzgeber hat sich im Rahmen des Zivilprozessreformgesetzes vom 27. Juli 2001 (BGBl I 2001, 1887) der Frage der "Selbstkontrolle" der Gerichte für diejenigen Fälle angenommen, die im Wesentlichen Anlass zur Entwicklung der außerordentlichen Beschwerde gegeben haben. Er hat sich dafür entschieden, dass dasjenige Gericht ggf. für Abhilfe zu sorgen hat, dem der Fehler unterlaufen ist. Dieser Rechtsgedanke liegt namentlich den Rügeverfahren bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch unanfechtbare Entscheidung in § 321a ZPO sowie der Abhilfemöglichkeit des Erstgerichts im Beschwerdeverfahren nach § 572 Abs. 1 ZPO zugrunde. Demgemäß hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Beschluss vom 7. März 2002 IX ZB 11/02 (BGHZ 150, 133) aus der Neuregelung des Beschwerderechts gefolgert, dass seit In-Kraft-Treten des Zivilprozessreformgesetzes ein außerordentliches Rechtsmittel auch dann nicht statthaft ist, wenn die angegriffene Entscheidung ein Verfahrensgrundrecht des Beschwerdeführers verletzt oder aus sonstigen Gründen "greifbar gesetzwidrig" ist. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat sich mit Beschluss vom 16. Mai 2002 6 B 28-29/02 (Deutsches Verwaltungsblatt 2002, 1055) dieser Rechtsprechung angeschlossen und erkannt, dass die gesetzliche Aufzählung der Zuständigkeiten des BVerwG und die Regelung des Beschwerderechts künftig eine Befassung mit außerordentlichen Beschwerden nicht mehr zulassen.
Nach Auffassung des IV. Senats des BFH hat die gesetzgeberische Entscheidung, eine dem Revisionsrecht vergleichbare Regelung zur Korrektur auch der Verletzung von Verfahrensgrundrechten bewusst nicht zu schaffen, zur Folge, dass künftig auch im finanzgerichtlichen Verfahren die außerordentliche Beschwerde nicht mehr statthaft ist (Beschluss vom 5. Dezember 2002 IV B 190/02, BFHE 200, 42, BStBl II 2003, 269). Dieser Entscheidung schließt sich der erkennende Senat an (vgl. ferner BFH-Beschlüsse vom 17. Dezember 2002 X B 81/02, BFH/NV 2003, 499; vom 12. Dezember 2002 V B 185/02, BFHE 200, 46, BStBl II 2003, 270; vom 16. Dezember 2002 VII B 157/02, BFH/NV 2003, 633; vom 27. Dezember 2002 IV B 225/02, NV; vom 29. Januar 2003 I B 114/02, BStBl II 2003, 317). Der Gesetzgeber hat mit § 321a ZPO erstmals eine Abhilfemöglichkeit für Verfahren vorgesehen, in denen eine Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils zuvor nicht möglich war. Dieser für das Urteilsverfahren getroffenen Regelung ist ein allgemeiner Grundsatz zu entnehmen, der auch und erst recht im Beschlussverfahren zur Anwendung kommen muss. Danach obliegt die Abhilfe dem Gericht, das den Verfahrensverstoß begangen hat (judex a quo). Die Fehlerkorrektur innerhalb der Instanz ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers vorzugswürdig, weil sie eine einfache und ökonomische Erledigung ermöglicht (BTDrucks 14/4722, S. 85). Diesem nunmehr in der ZPO normierten Rechtsgedanken kommt auch im Anwendungsbereich der FGO Bedeutung zu, da nach § 155 FGO die ZPO ―soweit die FGO keine Bestimmungen über das Verfahren enthält― sinngemäß anzuwenden ist, wenn dies die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensordnungen nicht ausschließen.
Angesichts der dargelegten Gründe sieht der Senat keine Möglichkeit mehr, in eng begrenzten Ausnahmefällen eine außerordentliche Beschwerde zuzulassen. Den Belangen der Rechtsuchenden kann auch im Rahmen der FGO mit der Gegenvorstellung Rechnung getragen werden. Über die Gegenvorstellung entscheidet das Instanzgericht. Dies gilt auch für die Gegenvorstellung der Klägerin vom 20. Dezember 2002.
Fundstellen