Entscheidungsstichwort (Thema)
Missbräuchlicher Befangenheitsantrag; Prüfungsumfang bei Rüge unrichtiger Sachbehandlung im Kostenverfahren
Leitsatz (NV)
- Ein Befangenheitsantrag ist rechtsmissbräuchlich, wenn der Antragsteller immer wieder ohne ausreichenden Grund Richter ablehnt, die ihm nachteilige Entscheidungen fällen.
- Das Verfahren nach § 8 GKG dient grundsätzlich nicht dazu, rechtskräftige Gerichtsentscheidungen auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.
Normenkette
FGO § 51 Abs. 1; GKG § 8 Abs. 1 S. 1; ZPO § 42 Abs. 2
Tatbestand
I. Der Kostenschuldner und Erinnerungsführer (Kostenschuldner) beantragte beim Finanzgericht (FG) die Durchführung eines selbständigen Beweissicherungsverfahrens. Diesen Antrag verwarf das FG als unzulässig. Die dagegen vom Kostenschuldner persönlich eingelegte Beschwerde hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 16. September 2003 X B 55/03 wegen Nichtbeachtung des in § 62a der Finanzgerichtsordnung (FGO) angeordneten Vertretungszwangs als unzulässig verworfen.
Für das Beschwerdeverfahren setzte die Kostenstelle des Bundesfinanzhofs (BFH) mit Kostenrechnung vom … Gerichtskosten in Höhe von 105 € an.
Hiergegen wendet sich der Kostenschuldner mit seiner Erinnerung, in der er Einwendungen gegen die Richtigkeit der Beschlüsse des FG bzw. des BFH erhebt. Ferner lehnt er die am Beschluss vom 16. September 2003 in der Sache X B 55/03 beteiligten Senatsmitglieder wegen Besorgnis der Befangenheit ab und behauptet dazu, die abgelehnten Richter hätten wissentlich eine Fehlentscheidung getroffen.
Der Kostenschuldner beantragt,
die angesetzten Gerichtskosten nicht zu erheben.
Der Vertreter der Staatskasse beantragt,
die Erinnerung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. 1. Der Senat entscheidet über die Erinnerung in seiner nach dem Geschäftsverteilungsplan vorgesehenen Besetzung. Denn die Ablehnung der Senatsmitglieder A und B ist missbräuchlich und daher offensichtlich unzulässig.
a) Nach § 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Misstrauen sind nach ständiger Rechtsprechung gegeben, wenn ein am Verfahren Beteiligter von seinem Standpunkt aus, jedoch bei vernünftiger objektiver Betrachtung, Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln. Es müssen Anhaltspunkte für eine unsachliche Einstellung oder für Willkür des Richters vorliegen (BFH-Beschluss vom 30. April 2002 X S 10/01 (PKH), BFH/NV 2002, 1050). Hingegen ist ein Ablehnungsantrag kein geeignetes Mittel, sich gegen unrichtige oder für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen eines Richters zu wehren (BFH-Beschluss vom 21. Februar 2002 V B 4/01, juris-STRE200250302); die Ablehnung kann auch nicht auf angeblich rechtsfehlerhafte Entscheidungen in früheren Verfahren gestützt werden, wenn der Beteiligte sich dadurch vor einer für ihn möglicherweise ungünstigen Rechtsauffassung des Richters schützen möchte (BFH-Beschluss vom 20. Juni 2003 XI R 25/03, BFH/NV 2003, 1342).
Ein Ablehnungsantrag ist missbräuchlich, wenn er pauschal gegen sämtliche Mitglieder eines Spruchkörpers gerichtet ist, ohne mit konkreten Umständen im Hinblick auf eine Kollegialentscheidung, die auf eine Befangenheit aller Mitglieder dieses Spruchkörpers deuten, substantiiert begründet zu werden (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― vom 22. Februar 1960 2 BvR 36/60, BVerfGE 11, 1 unter IV.3.; Senatsbeschluss in BFH/NV 2002, 1050; BFH-Beschluss vom 11. Februar 2003 VII B 330/02, VII S 41/02, BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422 unter II.1.a). Dasselbe gilt, wenn der Antragsteller immer wieder ohne ausreichende Gründe Richter ablehnt, die ihm nachteilige Entscheidungen fällen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 2. November 1960 2 BvR 473/60, BVerfGE 11, 343 unter II.1.) bzw. nur Gründe vorgetragen werden, die eine Richterablehnung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen können (BFH-Beschluss vom 8. Oktober 1997 I B 103/97, BFH/NV 1998, 475).
b) Nach diesen Grundsätzen ist die Ablehnung der genannten Senatsmitglieder als missbräuchlich anzusehen. Der Kostenschuldner lehnt immer wieder Richter ab, die ihm nachteilige Entscheidungen fällen, ohne Erwägungen vorzutragen, die eine Richterablehnung rechtfertigen könnten. Insoweit verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 27. Januar 2004 X S 22/03, in dem er sich mit den zahlreichen vom Kostenschuldner bereits angebrachten Ablehnungsanträgen auseinander gesetzt hat.
c) Der Senat konnte auch über den Ablehnungsantrag in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung entscheiden; einer dienstlichen Äußerung der abgelehnten Senatsmitglieder bedurfte es nicht. Denn angesichts der Missbräuchlichkeit des Ablehnungsantrags finden § 44 Abs. 3 und § 45 Abs. 1 ZPO, jeweils i.V.m. § 51 Abs. 1 FGO, keine Anwendung (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfGE 11, 1 unter II.2.; BFH-Beschluss in BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422 unter II.1.a).
2. Die Erinnerung ist unbegründet.
a) Entgegen der Auffassung des Kostenschuldners liegen die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) nicht vor.
Nach dieser Vorschrift werden Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben. Indes kann diese Regelung nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nicht dazu führen, bestandskräftige Gerichtsentscheidungen, die der zum Kostenansatz führenden Kostenentscheidung zugrunde liegen, nochmals auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen; Ausnahmen hiervon kommen nur bei erkennbaren Versehen oder offensichtlichen Verstößen gegen eindeutige Vorschriften in Betracht (BFH-Beschluss vom 18. November 1993 VIII E 7-8/93, BFH/NV 1994, 571, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Derartige erkennbare Versehen oder offensichtliche Verstöße sind in dem der Kostenrechnung zugrunde liegenden Beschwerdeverfahren nicht gegeben. Vielmehr ist die Erstreckung des Vertretungszwangs auch auf die Einlegung der Beschwerde in § 62a Abs. 1 Satz 2 FGO ausdrücklich gesetzlich angeordnet.
b) Die in der angefochtenen Kostenrechnung angesetzte Gerichtsgebühr in Höhe von 105 € ist nicht zu beanstanden. Nach § 11 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 3403 des Kostenverzeichnisses zum GKG ist für das Verfahren über nicht besonders aufgeführte Beschwerden, die nicht nach anderen Vorschriften gebührenfrei sind, die einfache Gebühr zu erheben, soweit die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird. Der Streitwert für eine Beschwerde im Verfahren über den Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweissicherungsverfahrens beläuft sich gemäß § 13 Abs. 1 GKG auf 4 000 €; die einfache Gebühr für diesen Streitwert beträgt 105 € (§ 11 Abs. 2 i.V.m. Anlage 2 GKG).
c) Das als "Beschwerde über die Erinnerung" bezeichnete weitere Schreiben des Kostenschuldners vom 6. März 2004 legt der Senat nicht als eigenständigen Rechtsbehelf, sondern als zusätzliche Begründung der bereits eingelegten Erinnerung aus. Denn eine Entscheidung über die Erinnerung war im Zeitpunkt des Eingangs jenes Schreibens noch nicht ergangen. Im Übrigen ist eine Beschwerde ausgeschlossen, wenn die Entscheidung über die Erinnerung ―wie hier― Kosten bei einem Rechtsmittelgericht betrifft (§ 5 Abs. 2 Satz 2 GKG).
3. Diese Entscheidung ergeht nach § 5 Abs. 6 Satz 1 GKG gerichtsgebührenfrei.
Fundstellen