Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozeßkostenhilfe für juristische Personen

 

Leitsatz (NV)

1. Wird von einer juristischen Person bei der Einlegung eines Rechtsmittels zum BFH der Vertretungszwang (Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG) nicht beachtet und gleichzeitig Prozeßkostenhilfe für das Rechtsmittel beantragt, so ist die Gewährung der Prozeßkostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht zu versagen, wenn die juristische Person sich innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht darüber erklärt, daß die Prozeßkosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können.

2. Zur Anwendung des § 116 Nr. 2 ZPO, nach dem die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für juristische Personen voraussetzt, daß die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde.

 

Normenkette

FGO § 142; ZPO §§ 114, 116 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Klägerin, Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist die in Liquidation befindliche Komplementär-GmbH der inzwischen ebenfalls aufgelösten A-GmbH & Co. KG, deren Erlöschen im Handelsregister eingetragen ist.

Die Antragstellerin erhob, vertreten durch ihren ehemaligen Geschäftsführer O, beim Finanzgericht (FG) Klage gegen die - die KG betreffenden - Gewinnfeststellungen 1980 bis 1982, die Umsatzsteuerbescheide 1980 bis 1982 sowie die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1983 und beantragte gleichzeitig die Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH).

Das FG lehnte diesen Antrag unter Bezugnahme auf die Beschlüsse des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. Mai 1982 I B 98-99/81 (BFHE 136, 62, BStBl II 1982, 600) und vom 12. November 1987 V B 58/87, V S 13/87 (BFHE 151, 338, BStBl II 1988, 198) ab. Nach § 116 Nr. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhalte eine juristische Person nur dann PKH, wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt.

Gegen die Ablehnung des Antrags richtet sich die von Herrn O persönlich eingelegte Beschwerde.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, ist unzulässig.

Es kann allerdings davon ausgegangen werden, daß der ehemalige Geschäftsführer die in Liquidation befindliche Antragstellerin weiterhin vertreten kann und somit für diese auch in zulässiger Weise Beschwerde eingelegt hat (vgl. §§ 66 Abs. 1, 70 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -).

Die für die Antragstellerin eingelegte Beschwerde ist aber aus anderen Gründen unzulässig.

Nach Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) muß sich vor dem BFH jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten lassen. Das gilt auch für die Einlegung der Beschwerde wegen PKH (vgl. BFH-Beschluß vom 28. November 1975 VI B 130-132/75, BFHE 117, 223, BStBl II 1976, 62, seither ständige Rechtsprechung). In der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses ist auf diesen Vertretungszwang hingewiesen worden. Eine unter Nichtbeachtung der genannten Vorschrift eingelegte Beschwerde ist unzulässig.

Die Beschwerde läßt sich auch nicht als zulässiger Antrag auf PKH für das Beschwerdeverfahren vor dem BFH (vgl. BFH-Beschluß vom 18. Juli 1985 V S 3/85, BFHE 143, 528, BStBl II 1985, 499) auslegen. Die Beschwerde wendet sich gegen den Beschluß des FG. Es deutet nichts darauf hin, daß auch PKH für das Beschwerdeverfahren begehrt werden soll. Im übrigen wäre ein solcher Antrag auch nicht begründet. Denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine Aussicht auf Erfolg (§ 142 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. V. m. § 116 Abs. 2, § 114 Satz 1 letzter Halbsatz ZPO). Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Antragstellerin, die wegen Nichtbeachtung des Vertretungszwanges die Beschwerdefrist versäumt hat, nach Einlegung einer erneuten Beschwerde durch einen Bevollmächtigten im Sinne des Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG auf einen gleichzeitig gestellten Antrag nach § 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Versäumung der Beschwerdefrist gewährt werden könnte. Wer wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, durch einen Bevollmächtigten im Sinne des Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG wirksam Beschwerde einzulegen, kann aber - nach Bewilligung einer PKH - mit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur rechnen, wenn er alles in seinen Kräften Stehende und ihm Zumutbare getan hat, um das durch Mittellosigkeit bedingte Hindernis an der fristgerechten Einlegung der Beschwerde zu beheben. Dazu ist bei einer natürlichen Person grundsätzlich die Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem für diese vorgeschriebenen Vordruck innerhalb der Beschwerdefrist erforderlich (vgl. BFH-Beschluß vom 5. November 1986 IV S 7/86, IV B 49/86, BFHE 148, 13, 15, BStBl II 1987, 62).

Bei einer juristischen Person - wie der Antragstellerin - treten an die Stelle der - danach innerhalb der Beschwerdefrist darzulegenden - persönlichen Voraussetzungen der PKH die Anforderungen des § 116 Nr. 2 ZPO. Dementsprechend kann ihr Wiedereinsetzung nur dann gewährt werden, wenn sie sich innerhalb der Beschwerdefrist jedenfalls darüber erklärt, daß die Prozeßkosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können. Dies ist hier nicht geschehen. Es ist nicht erkennbar, daß der Vertreter der Antragstellerin daran ohne Verschulden gehindert gewesen wäre.

Im übrigen hat das FG den Antrag auf Gewährung von PKH für das Klageverfahren auch zu Recht abgelehnt. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, setzt die Bewilligung von PKH für juristische Personen auch voraus, daß die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde (§ 142 FGO i. V. m. § 116 Nr. 2 ZPO). Mit allgemeinen Interessen ist die Unterlassung der Rechtsverfolgung dann nicht vereinbar, wenn die juristische Person ohne die Durchführung des Rechtsstreits daran gehindert würde, ihre der Allgemeinheit dienenden Aufgaben zu erfüllen, oder wenn ohne die Durchführung des Rechtsstreits die Existenz der juristischen Person und damit eine Vielzahl von Arbeitsplätzen bedroht wäre (vgl. Beschluß in BFHE 136, 62, BStBl II 1982, 600). Diese Voraussetzungen hat das FG für die in Liquidation befindliche Antragstellerin zu Recht verneint.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416464

BFH/NV 1990, 116

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