Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenvorstellung
Leitsatz (NV)
1. Die Gegenvorstellung kann als formloser Rechtsbehelf allenfalls zur Überprüfung einer Entscheidung durch das Gericht führen, das die Entscheidung getroffen hat.
2. Durch die Regelung in § 128 Abs. 4 FGO, nach der die Beschwerde in Streitigkeiten über Kosten nicht gegeben ist, wird die Beschwerde gegen die in dem Beschluß über die Erinnerung enthaltene Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs hinsichtlich eines am Verfahren beteiligten Richters nicht ausgeschlossen.
3. Das Ablehnungsgesuch ist unzulässig, wenn darin nicht eine konkret auf das betreffende Verfahren bezogene Befangenheit des Richters glaubhaft gemacht wird. In diesem Fall ist es nicht erforderlich, daß der abgelehnte Richter die in § 44 Abs. 3 ZPO vorgesehene dienstliche Erklärung abgibt.
Normenkette
FGO § 128 Abs. 4, § 155; ZPO §§ 43, 44 Abs. 2-3
Tatbestand
Der Erinnerungsführer und Beschwerdeführer (Erinnerungsführer) führte vor dem Finanzgericht (FG) einen Rechtsstreit wegen Einkommensteuer, der seine außergerichtliche Erledigung fand. Die Kosten des Verfahrens wurden vom FG teilweise dem Erinnerungsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) auferlegt. Durch Kostenfestsetzungsbeschluß wurden die dem Erinnerungsführer zu erstattenden Aufwendungen auf ... DM festgesetzt. Gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluß wandte sich der Erinnerungsführer mit der Erinnerung, die er trotz mehrfacher Aufforderung nicht begründete. Mit Gesuch vom 15. März 1994 lehnte der Erinnerungsführer u. a. den Vorsitzenden Richter am FG A (VRiFG) sowie den Richter am FG B (RiFG) wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Zusammengefaßt begründete er die Ablehnung des VRiFG und des RiFG damit, daß es beiden Richtern spätestens seit 1988 darum gehe, alle Kläger, die durch den auch in diesem Verfahren auftretenden Prozeßbevollmächtigten vertreten werden, durch den tatsächlichen oder faktischen Ausschluß des Prozeßbevollmächtigten aus allen Verfahren zu schädigen, weil ihnen der selbst gewählte und vertraute Bevollmächtigte genommen und damit das rechtliche Gehör verweigert werden solle. Die Klägerseite sei daher auch in dieser Sache von der permanenten Befangenheit des VRiFG und des RiFG betroffen.
Das FG hat die Erinnerung zurückgewiesen. Der Kostensenat des FG könne trotz des Ablehnungsgesuchs in der Sache entscheiden. Das Ablehnungsgesuch sei unzulässig, weil es offensichtlich aus rechtsmißbräuchlichen Gründen, insbesondere zur Verzögerung des Verfahrens eingelegt worden sei und das Vorbringen in dem Ablehnungsgesuch keinerlei Bezüge zu dem Erinnerungsverfahren erkennen lasse. Der Kostenfestsetzungsbeschluß selbst lasse keine Fehler erkennen. Angesichts des Verhaltens des Erinnerungsführers sehe der Kostensenat keine Veranlassung, von sich aus weitere Nachforschungen anzustellen.
Gegen den die Erinnerung zurückweisenden Beschluß erhob der Erinnerungsführer mit seinem an das FG gerichteten Schreiben vom 18. September 1994 Gegenvorstellung und außerordentliche Beschwerde. Der angefochtene Beschluß sei nicht rechtmäßig zustandegekommen, weil er u. a. durch die befangenen VRiFG und RiFG gefaßt worden sei. Das FG habe über das Ablehnungsgesuch zu Unrecht in dem Beschluß über die Erinnerung und nicht in einem selbständigen Zwischenverfahren entschieden. Das FG habe dem Erinnerungsführer dadurch das verfassungsrechtlich gebotene rechtliche Gehör im Ablehnungsverfahren und im eigentlichen Erinnerungsverfahren genommen. Das FG wäre verpflichtet gewesen, die dienstlichen Äußerungen der wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnten Richter dem Erinnerungsführer zunächst zur Stellungnahme zuzuleiten. Es sei erkennbar rechtswidrig, wenn die wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnten Richter seit Jahren die Befangenheitsgesuche der Einfachheit halber für rechtsmißbräuchlich hielten und dem Erinnerungsführer dadurch ein rechtsstaatliches Verfahren verweigerten. Dieses Verhalten sei im Grundsatz auch nicht verwunderlich, wenn sich der wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnte VRiFG in der Richterversammlung sogar für sich und seinen Senat (d. h. auch den ebenfalls abgelehnten RiFG) gerühmt habe, sogar Kinder- und Grundfreibetragsklagen in weit über 100 Fällen "selbstverständlich abgeschmiert" und "nach München gekarrt" zu haben. Das sei insbesondere deshalb beachtlich, weil dem VRiFG die die Klagen im Grundsatz rechtfertigenden Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) bereits bekannt gewesen seien. Wenn der wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnte VRiFG bereits bei diesen schwerwiegenden Klagen eine der Rechtsbeugung zumindest nahe Äußerung getan und sich seines rechtswidrigen Verhaltens auch noch vor über ... Richtern des FG gerühmt habe, könne der Erinnerungsführer in seinem Erinnerungsverfahren sicher nichts anderes erwarten. Der Erinnerungsführer müsse sich aber mit dieser permanenten Rechtsfeindlichkeit nicht abfinden. Durch das Übergehen des Ablehnungsgesuchs habe der Erinnerungsführer auch seine Erinnerung nicht begründen können, weil er sich sonst in eine "Verhandlung" eingelassen hätte, was wiederum zur Unzulässigkeit seines Ablehnungsgesuchs geführt hätte.
Das FG sah das Schreiben als Beschwerde an und half ihr nicht ab.
Entscheidungsgründe
Das als Gegenvorstellung und außerordentliche Beschwerde bezeichnete Schreiben des Erinnerungsführers vom 18. September 1994 kann nicht zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führen.
1. Der Bundesfinanzhof (BFH) kann nicht über die Gegenvorstellung, sondern nur über die mit dem Schreiben des Erinnerungsführers auch eingelegte außerordentliche Beschwerde entscheiden. Die Gegenvorstellung ist als Rechtsmittel in der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht vorgesehen. Als formloser Rechtsbehelf kann sie allenfalls zur Überprüfung einer Entscheidung durch das Gericht führen, das die Entscheidung getroffen hat (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., Vor § 115 Rz. 26).
2. Die außerordentliche Beschwerde, die der Erinnerungsführer in seinem Schreiben genannt hat, ist jedoch in der FGO nicht vorgesehen und wäre deshalb unzulässig. Der (einfachen) Beschwerde, die demnach allein in Betracht kommt, muß jedoch der Erfolg versagt bleiben, weil sie jedenfalls unbegründet ist.
a) Zwar ist die Beschwerde nicht schon nach § 128 Abs. 4 Satz 1 FGO unstatthaft. Nach dieser Vorschrift ist nämlich in Streitigkeiten über Kosten die Beschwerde nicht gegeben. Unter diese Regelung fällt auch die Entscheidung über die Erinnerung im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 149 FGO (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 149 Rdnr. 9). Durch diese Regelung wird aber eine Beschwerde gegen die in dem Beschluß über die Erinnerung enthaltene Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs nicht ausgeschlossen. Wäre die das Ablehnungsgesuch zurückweisende Entscheidung selbständig ergangen, so wäre dagegen die Beschwerde nach § 128 Abs. 1 FGO statthaft gewesen (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 30. November 1981 GrS 1/80, BFHE 134, 525, BStBl II 1982, 217). Diese Möglichkeit kann dem Beteiligten nicht dadurch genommen werden, daß das Ablehnungsgesuch nicht in einem besonderen Beschluß, sondern in einem Beschluß zusammen mit der Sachentscheidung zurückgewiesen wird.
b) Das FG hat das Ablehnungsgesuch jedoch zu Recht u. a. deswegen als unzulässig angesehen, weil das Vorbringen des Erinnerungsführers in seinem Ablehnungsgesuch keinerlei Bezüge auf das Erinnerungsverfahren erkennen läßt.
Es reicht für die Begründung des Ablehnungsgesuchs im Erinnerungsverfahren gegen die Kostenfestsetzung nicht aus, daß der Erinnerungsführer aus bestimmten Äußerungen und Maßnahmen der Richter im Zusammenhang mit anderen Verfahren "deren permanente Befangenheit" oder "Rechtsfeindlichkeit" ableitet. Erforderlich ist vielmehr, daß er eine konkret auf das betreffende Verfahren bezogene Befangenheit der Richter glaubhaft macht (§ 44 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --), die sich u. a. aus Äußerungen oder Maßnahmen der Richter gerade in bezug auf dieses Verfahren und die daran Beteiligten ergibt. Das gilt insbesondere in bezug auf ein Verfahren, das wie das Erinnerungsverfahren gegen die Kostenfestsetzung den Richtern nur einen begrenzten Handlungs- und Beurteilungsspielraum läßt. Differenzen zwischen den Richtern und dem Prozeßbevollmächtigten, die sich aus deren Auftreten und Verhalten in anderen Verfahren möglicherweise ergeben haben, genügen nicht. Insoweit könnte der Erinnerungsführer eine Befangenheit der Richter nur geltend machen, wenn die etwaige ablehnende Haltung der Richter gegenüber dem Prozeßbevollmächtigten auch dem Erinnerungsführer gegenüber in Erscheinung getreten ist; nur dann kann für ihn Anlaß dazu bestehen, die Unvoreingenommenheit des oder der betreffenden Richter in diesem Erinnerungsverfahren zu bezweifeln (vgl. BFH- Beschluß vom 21. September 1977 I B 32/77, BFHE 123, 305 bis 309, BStBl II 1978, 12).
Enthält das Ablehnungsgesuch -- wie im Streitfall -- derartige konkret verfahrensbezogene Darlegungen nicht, so ist es offensichtlich unzulässig. In diesem Fall kann das Gericht unter Mitwirkung der abgelehnten Richter über das Ablehnungsgesuch zusammen mit der Sachentscheidung befinden und die Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuchs in dem Sachbeschluß aussprechen (vgl. BFH-Beschluß vom 22. März 1994 X B 81/93, BFH/NV 1994, 498 bis 499). Es ist in diesem Fall auch nicht erforderlich, daß die abgelehnten Richter die in § 44 Abs. 3 ZPO vorgesehene dienstliche Erklärung abgeben (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 51 Rdnr. 52 m. w. N.).
Durch die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch zusammen mit der Sachentscheidung über die Erinnerung ist der Erinnerungsführer nicht in seinem Recht behindert worden, seine Erinnerung zu begründen. Der Erinnerungsführer ist mehrfach zur Begründung der Erinnerung aufgefordert worden. Durch die Begründung der Erinnerung hätte er sein Ablehnungsrecht gegenüber den Richtern nach § 155 FGO i. V. m. § 43 ZPO nicht verloren, wenn er gleichzeitig mit der Begründung der Erinnerung das Ablehnungsgesuch angebracht hätte. Denn das Ablehnungsrecht geht nach diesen Vorschriften nur dann verloren, wenn der Erinnerungsführer die Erinnerung begründet, ohne den ihm bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen (vgl. BFH-Beschluß vom 12. Juli 1988 IX B 188/87, BFH/NV 1989, 237; Gräber/Koch, a.a.O., § 51 Rdnr. 32). Im übrigen hat es der Erinnerungsführer selbst zu vertreten, wenn er im Falle eines offensichtlich unzulässigen Ablehnungsgesuchs seine Gründe zur Begründung der Erinnerung meint nicht vorbringen zu sollen. Er muß im Falle eines offensichtlich unzulässigen Ablehnungsgesuchs damit rechnen, daß darüber -- wie zuvor ausgeführt -- zusammen mit der Entscheidung in der Sache befunden wird.
Fundstellen
Haufe-Index 420547 |
BFH/NV 1995, 898 |