Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung
Leitsatz (NV)
Der Beschwerdeführer muss zur schlüssigen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtssache aufzeigen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und streitig ist. Dazu gehört auch, dass er sich mit der zu dieser Rechtsfrage bereits vorhandenen Rechtsprechung auseinandersetzt und substantiiert darlegt, weshalb nach seiner Ansicht diese Rechtsprechung keine Klärung herbeigeführt hat.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Urteil vom 21.09.2006; Aktenzeichen 10 K 13/05) |
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (unten 2.) noch das Erfordernis einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (unten 3.) und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (unten 4.) schlüssig dargelegt.
1. Aus diesen Gründen kann es dahingestellt bleiben, ob dem Kläger wegen der verspätet beim BFH eingegangenen Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die beantragte Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gewährt werden kann. Es ist dabei sowohl fraglich, ob die Prozessbevollmächtigten des Klägers noch rechtzeitig tätig wurden, als sie die Telefaxübertragung der Begründungsschrift am letzten Tag der Frist um 23.40 Uhr starteten (vgl. BFH-Beschluss vom 25. November 2003 VII R 9/03, BFH/NV 2004, 519), als auch ob die Tatsachen zur Begründung der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ohne Vorlage des Sendeprotokolls des möglicherweise defekten Telefaxgerätes hinreichend glaubhaft (§ 56 Abs. 2 FGO) gemacht wurden (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 10. Oktober 2003 VI B 95/03, BFH/NV 2004, 219, m.w.N.).
2. Macht der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend, so muss er u.a. substantiiert darauf eingehen, weshalb die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt und dass die Rechtsfrage sowohl klärungsbedürftig als auch entscheidungserheblich ist (vgl. dazu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 28 ff., m.w.N.).
a) In der Rechtsprechung des BFH ist hinreichend geklärt, dass die Finanzverwaltung weder an einen bestimmten Prüfungsturnus noch einen Prüfungsrhythmus gebunden ist (vgl. BFH-Urteil vom 2. Oktober 1991 X R 1/88, BFHE 166, 414, BStBl II 1992, 274). Es besteht keinerlei Selbstbindung der Verwaltung, die eine Außenprüfung in kürzeren Abständen als dem statistisch ermittelten durchschnittlichen Turnus ausschließt (vgl. BFH-Urteile vom 30. Juni 1989 III R 8/88, BFH/NV 1990, 273; in BFHE 166, 414, BStBl II 1992, 274, m.w.N.; vom 8. April 1992 I R 85/89, BFH/NV 1993, 73; BFH-Beschlüsse vom 20. Oktober 2003 IV B 67/02, BFH/NV 2004, 311; vom 30. Juni 2005 IV B 131/03, BFH/NV 2005, 1966; vom 14. März 2006 IV B 14/05, BFH/NV 2006, 1253; vom 14. Juni 2007 VIII B 201/06, BFH/NV 2007, 1804). Eine derartige Selbstbindung widerspräche auch dem mit der Außenprüfung verfolgten Ziel (vgl. dazu BFH-Urteil vom 2. September 1988 III R 280/84, BFHE 154, 425, BStBl II 1989, 4). Hieraus folgt, dass auch Kleinst-, Klein- und Mittelbetriebe einer Anschlussprüfung unterworfen werden können (BFH-Beschluss vom 29. Mai 2007 I B 140/06, juris). Die Grenze findet eine solche Handhabung des Auswahlermessens im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und im Willkür- und Schikaneverbot (BFH-Entscheidungen in BFHE 166, 414, BStBl II 1992, 274, und vom 29. Mai 2007 I B 140/06, juris).
Soweit der Kläger geltend macht, dass sich aus der Rechtsprechung des BFH nicht die Maßstäbe entnehmen ließen, die anzusetzen sind, damit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit insoweit gewahrt und das Willkür- und Schikaneverbot beachtet wird, ist diese Frage für die Entscheidung des Streitfalls nicht rechtserheblich (vgl. dazu Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 30, m.w.N.), da das Finanzgericht (FG) --den erkennenden Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend-- auf S. 6 seines Urteils festgestellt hat, dass Anhaltspunkte für einen derartigen Ermessensmissbrauch weder vorgetragen worden noch ersichtlich seien. Diese finanzgerichtlichen Feststellungen sind auch von dem Kläger in seiner Beschwerdebegründung nicht angegriffen worden.
b) Entscheidungserheblich ist dagegen die Frage des Klägers, ob sich aus der bisherigen BFH-Rechtsprechung Hinweise ergeben, dass eine detaillierte Begründungspflicht jedenfalls dann bestehen kann, wenn --wie hier gegeben-- bei Kleinst-, Klein- und Mittelbetrieben permanente Prüfungen (Anschlussprüfungen) vorgesehen sind oder Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Verfahren nach ungleichen Maßstäben in den Einzelfällen durchgeführt wird oder dass die Anordnung der Prüfung auf sachfremden Erwägungen beruhen könnte. Zur schlüssigen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit muss er jedoch begründen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und streitig ist. Dazu gehört auch, dass er sich mit der zu dieser Rechtsfrage bereits vorhandenen Rechtsprechung auseinandersetzt und substantiiert darlegt, weshalb nach seiner Ansicht diese Rechtsprechung keine Klärung herbeigeführt habe (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 32, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).
An einem solchen Vorbringen des Klägers fehlt es hier. Sein pauschaler Verweis auf die beiden Urteile des BFH in BFHE 154, 425, BStBl II 1989, 4 und vom 2. Oktober 1991 X R 89/89 (BFHE 166, 105, BStBl II 1992, 220) reicht nicht aus, um eine substantiierte Auseinandersetzung mit der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Begründungspflicht gegeben sein könnte (vgl. dazu z.B. Gosch in Beermann/Gosch, AO § 193 Rz 34 ff.; Eckhoff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 193 AO Rz 103 ff.), bejahen zu können. Der Kläger wiederholt in seiner Beschwerdebegründung sein erstinstanzliches Vorbringen und stellt lediglich Tatsachen dar, die seine besondere Belastung durch eine weitere Betriebsprüfung dokumentieren sollen.
3. Der Kläger hat aus diesen Erwägungen auch die Notwendigkeit einer Rechtsfortbildung nicht hinreichend dargelegt. Eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts ist insbesondere in Fällen erforderlich, in denen über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, so beispielsweise, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen. Erforderlich ist eine Entscheidung des BFH nur dann, wenn die Rechtsfortbildung über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegt und wenn die Frage nach dem "Ob" und ggf. "Wie" der Rechtsfortbildung klärungsbedürftig ist (Beschluss vom 29. Juli 2003 X B 12/03, BFH/NV 2003, 1575). Es gelten insoweit die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung höchstrichterlich entwickelten Darlegungsanforderungen in gleicher Weise (Beschlüsse vom 22. Dezember 2004 III B 169/03, BFH/NV 2005, 699; vom 22. April 2005 III B 121/04, BFH/NV 2005, 1373; vom 17. Oktober 2001 III B 65/01, BFH/NV 2002, 217).
4. Schließlich hat der Kläger auch nicht substantiiert dargelegt, dass eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO erforderlich ist. Die Zulassung der Revision wegen dieses Erfordernisses ist insbesondere dann geboten, wenn das angefochtene FG-Urteil in seinen tragenden Gründen von einer Entscheidung des BFH oder eines anderen Gerichts abweicht (ständige Rechsprechung, vgl. Beschluss vom 18. Januar 1991 VI B 140/89, BFHE 163, 204, BStBl II 1991, 309). Zur schlüssigen Darlegung einer solchen Abweichung muss der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus den mutmaßlichen Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen. Daran fehlt es im Streitfall, da der Kläger weder einen abstrakten und entscheidungserheblichen Rechtssatz aus dem angegriffenen FG-Urteil herausgearbeitet noch eine mutmaßliche Divergenzentscheidung des BFH aufgezeigt hat. Vielmehr hat er eingeräumt, dass sich "die erstinstanzliche Entscheidung auch grundsätzlich im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs befindet" (S. 3 der Beschwerdebegründung vom 28. November 2006).
Fundstellen