Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung nach Erledigung der Hauptsache
Leitsatz (NV)
1. Hebt das FA während eines Rechtsstreites antragsgemäß den Steuerbescheid aus nachträglich eingetretenen Gründen auf, so ist über die Kosten des in der Hauptsache erledigten Verfahrens nach Absatz 1 (und nicht nach Absatz 2) des § 138 FGO zu entscheiden.
2. Der Verkäufer eines Grundstückes trägt als Gesamtschuldner der Grunderwerbsteuer grundsätzlich das Risiko, daß diese Steuer bei dem Grundstückskäufer nicht beigetrieben werden kann.
Normenkette
GrEStG 1940 § 15 Nr. 1 (= GrEStG 1983 § 13 Nr. 1); FGO § 138
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Durch notariell beurkundeten Vertrag vom Juni 1981 verkaufte der Kläger landwirtschaftliche Grundstücke.
Das Finanzamt (FA) setzte für diesen Erwerb gegen den Käufer Grunderwerbsteuer fest. Der Steuerbescheid wurde bestandskräftig.
Da der Käufer die Grunderwerbsteuer nicht zahlte, setzte das FA mit Bescheid vom 29. November 1983 die Grunderwerbsteuer auch gegen den Kläger als Verkäufer fest.
Nach erfolglosem Einspruch minderte das Finanzgericht (FG) die gegen den Kläger festgesetzte Steuer. Die vom Käufer übernommene Maklergebühr sei auch für die Vermittlung des Kaufes von totem Inventar der landwirtschaftlichen Grundstücke entstanden. Sie dürfe insoweit nicht der Gegenleistung nach § 10 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) hinzugerechnet werden. Im übrigen wies das FG die Klage ab. Es belastete den Kläger mit den (gesamten) Verfahrenskosten.
Mit der Revision hat der Kläger sein Klagebegehren weiterverfolgt.
Das FA hat beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Im Verlauf des Revisionsverfahrens hat das FA dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers mitgeteilt, der Steuerfall sei hinsichtlich der Steuerzahlung abgewickelt. Es (das FA) entlasse deshalb den Kläger aus seiner Haftung als Gesamtschuldner der Grunderwerbsteuer.
Der Kläger und das FA haben die Hauptsache für erledigt erklärt.
Die beiden Prozeßbeteiligten beantragen, die Kosten jeweils dem anderen Teil aufzuerlegen.
Entscheidungsgründe
Die Kosten des in der Hauptsache erledigten Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Die Entscheidung folgt aus § 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Zwar schreibt § 138 Abs. 2 FGO vor, daß bei Erledigung des Rechtsstreits durch Rücknahme oder Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts die Kosten der Behörde aufzuerlegen sind. Das gilt aber nicht für den Fall, daß die Voraussetzungen für diese Rücknahme oder Aufhebung erst nachträglich eintreten, der Kläger also auf diese Voraussetzungen seine Klage bei deren Erhebung noch gar nicht hatte stützen können. Hier ist gemäß der allgemeinen Regel des § 138 Abs. 1 FGO nach billigem Ermessen zu entscheiden und der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen, also der Sach- und Streitstand zu der Zeit, bevor die Voraussetzungen für die Rücknahme oder Aufhebung des Verwaltungsakts nachträglich eintraten (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Juli 1972 III B 49/71, BFHE 106, 416, BStBl II 1972, 955).
Im vorliegenden Fall hat das FA den Kläger nur deshalb ,,aus seiner Haftung als Gesamtschuldner entlassen", weil inzwischen ,,der Steuerfall hinsichtlich der Steuerzahlung abgewickelt" war, d. h. der Käufer doch noch seine Steuerzahlungsverpflichtung erfüllt hatte. Deshalb ist bei der Entscheidung nach billigem Ermessen der Sach- und Streitstand vor dieser ,,Abwicklung" zu berücksichtigen (§ 138 Abs. 1 FGO). Aus dieser Sicht hätte aber aus den nachstehend genannten Gründen die Revision des Klägers keinen Erfolg gehabt, so daß es billigem Ermessen entsprach, den Kläger mit den Verfahrenskosten zu belasten. Denn das FG-Urteil, welches die Steuer geringfügig herabgesetzt und im übrigen die Klage abgewiesen hat, läßt keinen Verstoß gegen geltendes Recht erkennen.
Der Kläger war Gesamtschuldner der entstandenen Grunderwerbsteuer und darauf gemäß § 12 des Grundstückskaufvertrages auch ausdrücklich vom beurkundenden Notar hingewiesen worden. Er hatte bis zur Übersendung des Steuerbescheids vom 29. November 1983 an seinen Generalbevollmächtigten keinen Anlaß zu der Annahme, er werde von der Grunderwerbsteuer verschont bleiben. Die Eintragung des Käufers im Grundbuch als Eigentümer zog sich über mehr als zwei Jahre nach Abschluß des Grundstückskaufvertrags hin. Sie geschah erst am 7. November 1983, nachdem vorher der Generalbevollmächtigte des Klägers der Eintragung einer Sicherungshypothek für die Grunderwerbsteuerforderung zugestimmt hatte. Der Kläger kannte diese Umstände oder mußte sich deren Kenntnisnahme durch seinen Generalbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 166 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Außerdem schuldete ihm der Käufer noch etwa . . . DM des Kaufpreises. Unter all diesen Umständen konnte er nicht davon ausgehen, daß der Käufer die Grunderwerbsteuer gezahlt habe und er (der Kläger) mit einem Steuerbescheid nicht mehr zu rechnen brauche. Als Gesamtschuldner trug er nach der Rechtsprechung des Senats ohnehin grundsätzlich das Risiko, daß die Grunderwerbsteuer bei dem Käufer nicht beigetrieben werden konnte (vgl. das BFH-Urteil vom 4. Juli 1979 II R 74/77, BFHE 129, 201, BStBl II 1980, 126).
Auch einen Verstoß gegen § 9 Abs. 2 der Grunderwerbsteuer - Durchführungsverordnung (GrEStDV) kann der Kläger dem FA nicht mit Erfolg vorwerfen. Wenn das FA der Auffassung war, der Käufer werde als Eigentümer die erworbenen Grundstücke ihrem Bestimmungszweck zuführen und dann die Grunderwerbsteuer bezahlen können, dann konnte das FA ohne Verstoß gegen das Ermessen nach § 9 Abs. 2 Satz 2 GrEStDV die Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilen. Zwar meint der Kläger, das FA habe durch die Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung seine (des Klägers) rechtliche Stellung verschlechtert. Nachdem der Käufer mit Hilfe dieser Bescheinigung als Eigentümer im Grundbuch eingetragen worden sei, habe er (der Kläger) nicht mehr vom Kaufvertrag zurücktreten können. Hier muß sich der Kläger entgegenhalten lassen, daß er trotz der noch offenen Teilkaufpreisforderung von nahezu . . . DM nicht von diesem Vertrag zurückgetreten ist und daher offenbar an einem Rücktritt gar nicht interessiert war.
Da das FG in seinem Urteil die Grunderwerbsteuer nur geringfügig herabgesetzt hat, konnte dies gemäß § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO außer Betracht bleiben.
Fundstellen
Haufe-Index 415479 |
BFH/NV 1989, 455 |