Entscheidungsstichwort (Thema)

Unberechtigter Steuerausweis in Rechnungen an nicht existierende GmbH

 

Leitsatz (NV)

Die Besteuerung gemäß § 14 Abs. 3 UStG 1980 wird allein durch die mißbräuchliche Rechnungsbegebung (bloße Gefährdungslage) ausgelöst, unabhängig davon, ob das Steueraufkommen durch den Vorsteuerabzug des Rechnungsempfängers beeinträchtigt wird oder nicht. Eine Gefährdungslage besteht auch, wenn jemand eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis ausstellt, die an eine nicht existierende GmbH gerichtet ist, und diese Rechnung im Namen der GmbH dem FA zwecks Geltendmachung des Vorsteuerabzugs vorlegt.

 

Normenkette

FGO § 142; UStG 1980 § 14 Abs. 3; ZPO § 114

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) meldete am 11. April 1985 beim Gewerbeamt der Stadt O ein Gewerbe an. In der Folgezeit handelte er -- z. B. gegenüber dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) unter der Bezeichnung "A Werksvertretungen".

Im Mai 1988 meldete der Kläger beim Gewerbeamt der Stadt O ein Gewerbe "N GmbH i. Gr." an. Mit Schreiben vom 4. Juni 1988 teilte er dem FA diese Anmeldung mit. Ein Gesellschaftsvertrag wurde nicht geschlossen.

Unter dem Datum des 11. Juli 1988 erstellte der Kläger sieben Rechnungen mit offen ausgewiesener Steuer in Höhe von insgesamt ... DM. Als Aussteller der Rechnungen waren jeweils "A Werksvertretungen" und als Rechnungsempfänger "Firma N GmbH" angegeben. Der Textteil der Rechnung enthielt unter der Überschrift ("Forderungsrechnung") die Lieferung von Pkw.

Das FA setzte mit Bescheid vom 8. Februar 1990 gegen den Kläger Umsatzsteuer in Höhe von ... DM fest. In der den Einspruch des Klägers zurückweisenden Einspruchsentscheidung führte das FA aus, der Kläger schulde die Steuer gemäß § 14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980), weil er weder Unternehmer sei noch die berechneten Leistungen ausgeführt habe.

Hiergegen richtet sich die Klage, über die das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden hat.

Den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Prozeßbevollmächtigten lehnte das FG ab, weil die beabsichtigte Durchführung des Klageverfahrens keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 14 Abs. 3 UStG 1980 seien gegeben. Das FA habe die Besteuerung auf die Umsatzsteuervoranmeldungen und die vom Kläger vorgelegten Rechnungen gestützt. Eventuelle Fehler der Staatsanwaltschaft bei der Beschlagnahme von Unterlagen könnten kein Verwertungsverbot bezüglich der vom Kläger selbst vorgelegten Unterlagen nach sich ziehen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers, der das FG nicht abgeholfen hat.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Gemäß § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält ein Prozeßbeteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsver folgung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet.

Die Klage bietet bei der gebotenen summarischen Prüfung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 UStG 1980 schuldet derjenige, der in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis nicht berechtigt ist, den ausgewiesenen Betrag. Das gleiche gilt, wenn jemand in einer anderen Urkunde, mit der er wie ein leistender Unternehmer abrechnet, einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt (§ 14 Abs. 3 Satz 2 UStG 1980).

a) Die vom Kläger erstellten Rechnungen sind diesem als Aussteller zuzurechnen. Denn sie lassen den Kläger als Aussteller erkennen, weil er unter der Bezeichnung "A Werksvertretungen" im Rechtsverkehr aufgetreten ist, wie sich aus den dem Senat vorliegenden Schriftstücken (Schreiben, Steuererklärungen) ergibt.

b) Es ist nicht erforderlich, daß die Rechnung oder andere Urkunde i. S. des § 14 Abs. 3 UStG 1980 alle in § 14 Abs. 1 Satz 2 UStG 1980 vorgesehenen Angaben enthält. Vielmehr genügt eine Rechnung i. S. des § 14 Abs. 4 UStG 1980. Einer Unterschrift sowie Angaben zur Fälligkeit und Zahlungsmodalität bedarf es zur Annahme einer Rechnung nicht.

Für die Anwendung des § 14 Abs. 3 UStG 1980 im vorliegenden Fall ist es ohne Bedeutung, ob der Kläger in der Rechnung die Lieferung von Pkw oder die Abtretung von Forderungen ("Forderungsrechnung") in Rechnung stellen wollte. Denn jedenfalls war er weder Unternehmer noch hat er die berechneten Leistungen ausgeführt.

c) Zweck des § 14 Abs. 3 UStG 1980, der Art. 21 Nr. 1 Buchst. c der 6. EG-Richt linie umsetzt, ist es, Mißbräuche in bezug auf den Vorsteuerabzug abzuwehren. Dementsprechend ist die Vorschrift als Gefährdungstatbestand ausgestaltet. Die Besteuerung wird allein durch die mißbräuchliche Rechnungsbegebung ausgelöst, unabhängig davon, ob das Steueraufkommen durch den Vorsteuerabzug des Rechnungsempfängers beeinträchtigt wird oder nicht (vgl. insbesondere Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. Dezember 1981 V R 3/75, BFHE 135, 107, BStBl II 1982, 229).

Der Kläger hat die Rechnungen an eine andere (allerdings nicht existierende) Person, nämlich die "N GmbH" adressiert und die Rechnungen unter deren Namen dem FA zwecks Geltendmachung des Vorsteuerabzugs vorgelegt. Die dadurch eingetretene Gefährdungslage begründet bereits die Steuerschuld; auf die tatsächliche Beeinträchtigung des Steueraufkommens kommt es nicht an.

d) Die Formulierung der Vorschrift als Gefährdungstatbestand ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden; ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes liegt schon deshalb nicht vor, weil es sich verfassungsrechtlich unbedenklich um die Normierung eines Steueranspruchs handelt (Beschluß der 3. Kammer des 2. Senats des BVerfG vom 5. Mai 1992 2 BvR 271/92, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 1992, 208).

 

Fundstellen

Haufe-Index 418883

BFH/NV 1995, 345

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