Leitsatz (amtlich)
Hat der Vollstreckungsschuldner auf Grund eines Vollstreckungsersuchens den geschuldeten Betrag an den Vollziehungsbeamten gezahlt und führt dieser ihn nicht an die Vollstreckungsbehörde ab, so ist für die Klage, mit der sich der Vollstreckungsschuldner gegen weitere Vollstreckungsmaßnahmen schützen will, der Finanzrechtsweg gegeben.
Normenkette
FGO § 33 Abs. 1 Nr. 2; AO §§ 331, 345 Abs. 1
Tatbestand
Auf ein Einziehungsersuchen einer Innungskrankenkasse (IKK) nahm der Vollziehungsbeamte des Beklagten und Beschwerdeführers (FA) von dem Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) in der Zeit vom 16. Februar bis 9. April 1970 Beträge über 1 500, 1 200, 500 und 500 DM in Empfang, leitete davon aber nur einmal 500 DM und zweimal je 200 DM für die IKK weiter. Nachdem die IKK zuletzt durch Schreiben vom 9. Februar 1971 angedroht hatte, ihr Einziehungsersuchen aufrechtzuerhalten oder zu erneuern, setzte das FG auf Antrag des Klägers die weitere Vollziehung des Einziehungsersuchens der IKK einstweilen aus. Mit der Klage beantragte der Kläger zunächst, das FA kostenpflichtig zur Zahlung von 2 800 DM an die IKK und zum Ersatz des ihm entstandenen bzw. noch entstehenden Verzugsschadens zu verurteilen. Mit Schriftsatz vom 6. Mai 1971 beantragte er unter Änderung seines Klageantrags festzustellen, daß er der IKK Beiträge aus der Zeit bis zum 30. April 1970 nicht mehr schulde. Während des Verfahrens stellte sich heraus, daß der Vollziehungsbeamte wegen Amtsunterschlagung verurteilt worden war. Nachdem beide Beteiligten den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklärt hatten, stellte das FG das Verfahren ein und erlegte dem FA die Kosten gemäß § 135 FGO auf.
Das FG hielt den Finanzrechtsweg für zulässig, weil der Kläger nach entsprechender Einwirkung durch das Gericht in der mündlichen Verhandlung seine Anträge anders formuliert hätte, so daß er gegenüber dem FA Rechtsschutz hätte erstreben können, da sämtliche zur Klage führenden Umstände sich in der Sphäre des FA abgespielt hätten. Der Kläger habe auch eine Klage erheben müssen, wenn er nicht die Aufhebung der einstweiligen Anordnung allein aus dem Grunde hätte riskieren wollen, daß ihr kein streitiges Rechtsverhältnis zugrunde gelegen habe.
Das FA beantragt, die Kosten unter Aufhebung der Vorentscheidung dem Kläger aufzuerlegen.
Es ist der Meinung, daß die Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 1 FGO hätte ergehen müssen, da beide Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hätten. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand hätte der Umstand berücksichtigt werden müssen, daß der vom Kläger gewählte Rechtsweg unzulässig gewesen sei. Er hätte sich von Anfang an an die Gläubigerin der Forderung, die IKK, wenden müssen, da das FA nur im Wege der Amtshilfe tätig geworden sei. Wenn das FG schon Rechtsschutz habe gewähren wollen, hätte es auch die gegen den Kläger sprechenden Tatsachen würdigen müssen.
Der Kläger, der "Verwerfung" der Beschwerde als unbegründet beantragt, macht geltend, das FG sei davon ausgegangen, daß er schutzwürdige Interessen gehabt habe, an deren Verletzung das FA nur mit Hilfe des Gerichts habe gehindert werden können. Das FA habe sein Rechtsschutzbedürfnis dadurch erfüllt, daß es in der mündlichen Verhandlung erklärt habe, es werde aus dem ihm vorliegenden Vollstreckungsersuchen nicht mehr vollstrecken.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Da beide Beteiligten den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklärt hatten, hätte das FG seine Kostenentscheidung auf § 138 Abs. 1 FGO und nicht auf § 135 FGO stützen müssen. Danach war der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen.
Hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage ist das FG zutreffend von dem möglichen Klagebegehren des Klägers und nicht von seinen tatsächlich gestellten Anträgen ausgegangen. Denn der Kläger hätte bei der Erörterung der Rechtslage in der mündlichen Verhandlung auf die Stellung zulässiger Anträge hingewiesen werden müssen. Im Fall von Ersuchen um Vollstreckungshilfe kann sich der Rechtsbehelf je nach dem vorliegenden Sachverhalt entweder gegen die ersuchende Behörde oder gegen die ersuchte Vollstreckungsbehörde richten. Grundsätzlich hat die ersuchende Behörde das Bestehen und die Vollstreckbarkeit des zu vollstreckenden Anspruchs zu vertreten, während getroffene Vollstrekkungsmaßnahmen in den Verantwortungsbereich der Vollstreckungsbehörde fallen (s. Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. bis 6. Aufl., Anm. 11, 12 zu § 331 AO).
Im Streitfall war dem Amtshilfeersuchen der IKK deshalb noch nicht endgültig entsprochen worden, weil der Vollziehungsbeamte des FA die beigetriebenen Beträge teilweise unterschlagen und an das FA nicht abgeliefert hatte. Der Kläger mußte daher mit weiteren Vollstrekkungsmaßnahmen rechnen. Sein Klagebegehren lief darauf hinaus, gegen solche weiteren Vollstreckungsmaßnahmen des FA geschützt zu werden, nachdem er bereits dem Vollziehungsbeamten den streitigen Betrag von 2 800 DM bezahlt hatte. Diesen Schutz konnte er nur im Wege der Feststellung durch Berufung auf § 345 Abs. 1 AO erreichen. Danach kann sich der Vollstreckungsschuldner gegen die Pfändung nur schützen, wenn er nachweist, daß er die Schuld bezahlt hat. Diesen Nachweis konnte er aber nur gegenüber dem FA als der Vollstreckungsbehörde erbringen, das daher auch der richtige Beklagte war. Hierfür war der Finanzrechtsweg nach § 33 Abs. 1 Nr. 2 FGO gegeben. Die Klage hätte auch Erfolg gehabt, da sich herausgestellt hat, daß der Vollziehungsbeamte die empfangenen Beträge teilweise unterschlagen hatte. Da das FG somit zutreffend die Kosten dem FA auferlegt hatte, war die Beschwerde mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 71601 |
BStBl II 1976, 296 |