Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung einer Prüfungsanordnung; Klagerücknahme durch Einschränkung des Antrages; richterliche Hinweispflicht/Ablaufhemmung durch Beginn der Außenprüfung
Leitsatz (NV)
1. Im Allgemeinen muss davon ausgegangen werden, dass Maßnahmen eines Außenprüfers zur Ermittlung eines Steuerfalles Prüfungshandlungen sind, und zwar auch dann, wenn sie “nur” auf die Vorlage von Aufzeichnungen, Büchern, Geschäftspapieren u.ä. gerichtet sind. Hierzu können auch Schreiben des Prüfers an den Steuerpflichtigen gehören. Dies gilt insbesondere, wenn Prüfungshandlungen in den Geschäftsräumen nicht möglich sind, weil dem Prüfer der Zutritt verwehrt wird.
2. Die für die Anordnung einer Außenprüfung an sich angemessene Frist kann bei einer Anschlussprüfung grundsätzlich verkürzt werden, wenn die vorhergehende Prüfung noch andauert.
3. Für jeden Besteuerungszeitraum enthält die Prüfungsanordnung jeweils einen eigenständigen Verwaltungsakt.
4. Eine teilweise Klagerücknahme muss nicht als solche bezeichnet sein; sie kann sich auch aus der Einschränkung des Klageantrages ergeben.
5. Liegt die rechtliche Bedeutung bestimmter Tatsachen und die daraus folgende Erforderlichkeit, diese Tatsachen bei Gericht vorzubringen und zu substantiieren, auf der Hand, so ist ein unterlassener richterlicher Hinweis jedenfalls dann keine gegen § 76 Abs. 2 FGO verstoßende Pflichtverletzung, wenn der Kläger steuerlich beraten und im Prozess entsprechend vertreten war.
Normenkette
AO § 171 Abs. 4 Sätze 1-2, §§ 196, 197 Abs. 1 S. 1; FGO §§ 72, 76 Abs. 2; BpO 2000 § 4 Abs. 2 S. 1, § 5 Abs. 4 S. 2
Tatbestand
I. Die Antragstellerin ist eine GmbH & Co. KG, die der X-Unternehmensgruppe angehört. Sie ist vom Antragsgegner (Finanzamt --FA--) als Großbetrieb bzw. als Konzernunternehmen im Sinne der Betriebsprüfungsordnung (BpO 2000) eingestuft.
Seit dem Jahr 2002 führt das FA bei der Antragstellerin eine Außenprüfung für die Jahre 1996 bis 2000 durch. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen.
Die Antragstellerin hat die Steuererklärungen für das Jahr 2001 vor dem 31. Dezember 2003 eingereicht.
Am 30. Oktober 2006 verfügte das FA den Erlass einer Prüfungsanordnung, wonach für die Jahre 2001 bis 2004 die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die Gewerbesteuer und die Umsatzsteuer geprüft werde. Als voraussichtlicher Beginn der Prüfung war der 11. Dezember 2006, 8.00 Uhr, angegeben. Die Betriebsprüfer H und S sowie der Fachprüfer B und der Fachprüfer T waren als Prüfer vorgesehen. Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin erklärte auf telefonische Nachfrage des FA vom 7. Dezember 2006, eine Prüfungsanordnung sei der Antragstellerin nicht zugegangen.
Daraufhin erließ das FA am 11. Dezember 2006 eine Prüfungsanordnung über dieselben Prüfungsgegenstände und Besteuerungszeiträume und bestimmte den voraussichtlichen Prüfungsbeginn auf den 18. Dezember 2006, 8.30 Uhr. Als Prüfer waren dieselben Personen vorgesehen wie in der Prüfungsanordnung vom 30. Oktober 2006.
Die Prüfungsanordnung vom 11. Dezember 2006 wurde am gleichen Tag einer Sekretärin der Antragstellerin persönlich übergeben.
Die Antragstellerin legte mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2006 "Einspruch gegen die Prüfungsanordnung vom 11. Dezember 2006" ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Zur Begründung trug sie im Wesentlichen vor, die Frist für die Festlegung des Prüfungsbeginns sei zu kurz. Außerdem teilte die Antragstellerin in diesem Schreiben mit, dass den Prüfern am 18. Dezember 2006 der Zugang zu den Geschäftsräumen verwehrt werde, falls sie versuchen sollten, mit Prüfungshandlungen zu beginnen.
Den AdV-Antrag lehnte das FA am 18. Dezember 2006 ab und forderte die Antragstellerin mit Schreiben vom selben Tag auf, bis 20. Dezember 2006, 9.00 Uhr, folgende Unterlagen zur Durchführung der Betriebsprüfung vorzulegen:
1. Abschlussordner 2001
2. Ausgangsrechnungen 2001
3. Sachkonten, Debitorenkonten 2001
Für den Fall, dass die Antragstellerin dieser Aufforderung nicht nachkomme, drohte ihr das FA für jeden der o.g. Punkte 1 bis 3 die Festsetzung eines Zwangsgelds in Höhe von je 1 000 € an.
Die Prüfer erschienen am 18. Dezember 2006 bei der Antragstellerin. Die Antragstellerin verweigerte den Prüfern den Zutritt zum Betrieb und die Sichtung der Buchhaltung vor Ort.
Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2006 legte die Antragstellerin Einspruch gegen die Ablehnung der AdV und gegen die Androhung der Zwangsgeldfestsetzung ein.
Die Prüfer stellten mit Schreiben vom 20. Dezember 2006 die "Prüferanfrage Nr. 2", die sie am gleichen Tag in den Briefkasten der Antragstellerin einwarfen und die folgenden Inhalt hatte:
"Bitte beachten Sie:
Die Betriebsprüfung bei der oben genannten Firma hat am 18.12.2006 um 14:00 Uhr begonnen.
1)
Bitte legen Sie die Abschlussordner für die Jahresabschlüsse 2002 bis 2004 vor.
2)
Bitte legen Sie die Inventuren für 2001 bis 2004 vor.
3)
Bitte stellen Sie die Finanz-, Waren-, Anlagen-, Debitoren- und Kreditorenbuchhaltung auf Datenträgern (CDs oder DVDs) zur Verfügung.
Darüberhinaus ist der direkte Datenzugriff an einem PC-Arbeitsplatz in den Firmenräumen bereitzustellen - § 147 Abs. 6 Abgabenordnung (AO).
4)
Welche Kosten wurden in Zusammenhang mit der Umstellung auf SAP R/3 getragen?
5)
Bitte legen Sie die im Prüfungszeitraum geltenden Miet- und Pachtverträge über Grundstücke und Betriebsvorrichtungen vor.
Welche Betriebsvorrichtungen wurden überlassen?"
Das FA wies den "Einspruch gegen die Prüfungsanordnung vom 11. Dezember 2006" zurück.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Im finanzgerichtlichen Verfahren hat die Antragstellerin zunächst u.a. beantragt, die Prüfungsanordnung vom 11. Dezember 2006 aufzuheben; in der mündlichen Verhandlung vom 11. März 2008 schränkte sie diesen Antrag insoweit ein, als sie nur noch die Aufhebung für den Prüfungszeitraum 2001 begehrte.
Die Antragstellerin hat am 12. Juni 2008 Revision eingelegt und sinngemäß beantragt,
1. die Vorentscheidung aufzuheben,
2. die Prüfungsanordnung vom 11. Dezember 2006 aufzuheben und
3. festzustellen, dass die Festlegung des Prüfungsbeginns im Verwaltungsakt vom 11. Dezember 2006 auf den 18. Dezember 2006 rechtswidrig war.
Das FA wies den Einspruch gegen die Ablehnung des Antrags auf AdV am 8. August 2008 zurück.
Die Antragstellerin beantragte beim Finanzgericht (FG), die Vollziehung der Prüfungsanordnung vom 11. Dezember 2006 auszusetzen.
Mit Beschluss vom 16. September 2008 hat das FG den Rechtsstreit an den Bundesfinanzhof (BFH) verwiesen.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag auf AdV wird abgelehnt.
1. Hinsichtlich der Zeiträume 2002 bis 2004 ist der Antrag auf AdV unzulässig.
a) Für die Entscheidung über den Antrag auf AdV ist der BFH zuständig, denn er ist seit Einlegung der Revision Gericht der Hauptsache (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--; BFH-Beschluss vom 8. Mai 2008 IX S 30/07, BFH/NV 2008, 1499, m.w.N.). Der gemäß § 70 FGO i.V.m. § 17a Abs. 2 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) notwendige Verweisungsbeschluss liegt vor.
b) Eine AdV ist wegen Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses ausgeschlossen, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nicht mehr geändert oder aufgehoben werden kann (BFH-Beschluss vom 27. März 2006 VIII S 1/06, BFH/NV 2006, 1325, m.w.N.). Die Prüfungsanordnung vom 11. Dezember 2006 ist für die Zeiträume 2002 bis 2004 bestandskräftig geworden, weil die Antragstellerin insoweit ihre Klage im finanzgerichtlichen Verfahren zurückgenommen hat.
aa) Ursprünglich hat die Antragstellerin vor dem FG Klage u.a. mit dem Antrag erhoben, die Prüfungsanordnung vom 11. Dezember 2006 aufzuheben, und damit die Prüfungsanordnung --insgesamt-- für die Jahre 2001 bis 2004 angefochten.
bb) Ihre Klage hat die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vom 11. März 2008 jedoch teilweise zurückgenommen.
(1) Hinsichtlich der zu prüfenden Steuern enthält die Prüfungsanordnung mehrere selbständige Regelungen (BFH-Urteil vom 25. Januar 1989 X R 158/87, BFHE 156, 18, BStBl II 1989, 483, unter II.6.b der Gründe). Auch für jeden Besteuerungszeitraum liegt ein eigenständiger Verwaltungsakt vor (Gosch in Beermann/Gosch, AO § 196 Rz 5; Eckhoff in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 196 AO Rz 64; Pahlke/Koenig/Intemann, Abgabenordnung § 196 Rz 6; Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 196 AO Rz 5; a.A. Frotscher in Schwarz, AO, § 196 Rz 4). Die Klagerücknahme für einzelne Besteuerungszeiträume ist daher möglich.
(2) Eine (teilweise) Klagerücknahme muss nicht als solche bezeichnet sein; sie kann sich auch aus der Einschränkung des Klageantrages ergeben (BFH-Beschluss vom 1. Oktober 1999 VII R 32/98, BFHE 189, 252, BStBl II 2000, 33, unter 2. der Gründe).
In der mündlichen Verhandlung vom 11. März 2008 hat die Antragstellerin ausweislich der Niederschrift ihren Antrag dahingehend eingeschränkt, dass sie die Aufhebung der Prüfungsanordnung nur noch für den Zeitraum 2001 beantragte. Sie hat ihre Klage demnach hinsichtlich der Zeiträume 2002 bis 2004 formgerecht zurückgenommen.
(3) Die Klagerücknahme bewirkt ohne weitere Entscheidung, dass die Rechtshängigkeit entfällt. Der --im Streitfall nicht ergangene-- Beschluss nach § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO hat nur deklaratorische Bedeutung (BFH-Urteil vom 11. Juli 2007 XI R 1/07, BFHE 218, 20, BStBl II 2007, 833, unter II.2.a der Gründe, m.w.N.).
2. Der Antrag auf AdV der Prüfungsanordnung vom 11. Dezember 2006 für den Zeitraum 2001 ist unbegründet.
Gemäß § 121 Satz 1 FGO i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen oder --was im Streitfall nicht in Betracht kommt-- die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen, wenn --bei summarischer Prüfung-- gewichtige Umstände Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Ist der Verwaltungsakt --wie im Streitfall-- bereits Gegenstand eines anhängigen Revisionsverfahrens, können ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit nur anerkannt werden, wenn unter Berücksichtigung der besonderen Voraussetzungen des Revisionsverfahrens und der beschränkten Prüfungsmöglichkeiten des Revisionsgerichts, insbesondere seiner Bindung an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (§ 118 Abs. 2 FGO), ernstlich mit der Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes gerechnet werden kann. Die Erfolgsaussichten sind auf der Grundlage der sich im Revisionsverfahren stellenden Rechtsfragen zu prüfen (BFH-Beschlüsse vom 4. Februar 1997 VII S 29/96, BFH/NV 1997, 588; vom 24. Januar 2001 I S 10/00, BFH/NV 2001, 806).
Hiervon ausgehend bestehen an der Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung vom 11. Dezember 2006 für den Zeitraum 2001 keine ernstlichen Zweifel. Die Prüfungsanordnung ist nicht mit Ablauf des Jahres 2006 rechtswidrig geworden.
a) Nach der Rechtsprechung des BFH ist es nicht grundsätzlich ausgeschlossen, eine Prüfung für solche Steuern oder gesonderten Feststellungen anzuordnen, für die nach Aktenlage Verjährung für die Festsetzung oder die Feststellung anzunehmen ist, weil sich die Frage der Verjährung vielfach erst nach der Klärung des Sachverhalts durch die Außenprüfung zuverlässig beantworten lässt. Anders verhält es sich nur, wenn der Eintritt der Verjährung auf der Hand liegt, weil es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Frist für die Festsetzung oder Feststellung ausnahmsweise noch nicht abgelaufen sein könnte (BFH-Urteil vom 10. April 2003 IV R 30/01, BFHE 202, 206, BStBl II 2003, 827, unter 1. der Gründe; BFH-Beschluss vom 15. Mai 2007 I B 10/07, BFH/NV 2007, 1624).
b) Im Streitfall liegt der Eintritt der Verjährung nicht auf der Hand; vielmehr ist für das Jahr 2001 die Frist für die Festsetzung der zu prüfenden Steuern und die einheitliche und gesonderte Feststellung nicht abgelaufen.
Die Festsetzungsfrist für die zu prüfenden Steuern begann nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) mit Ablauf des Jahres, in dem die Steuererklärungen und Feststellungserklärungen abgegeben wurden. Das war nach den Feststellungen des FG vor dem Ablauf des Jahres 2003 der Fall. Ob die Erklärungen für das Jahr 2001 (zumindest teilweise) bereits im Jahr 2002 beim FA eingingen, ist nicht entscheidungserheblich. Denn in diesem Fall hätte zwar die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 2002 begonnen und wäre die --für die hier zu prüfenden Steuerarten geltende-- vierjährige Frist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) mit Ablauf des Jahres 2006 verstrichen. Jedoch ist vorliegend der Ablauf dieser Frist seit dem Beginn der Prüfung im Dezember 2006 nach § 171 Abs. 4 Satz 1 1. Alternative AO gehemmt. Entsprechendes gilt für die Frist für die einheitliche und gesonderte Feststellung (§ 181 Abs. 1 AO).
aa) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die auf Grund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO drei Monate verstrichen sind. Dies gilt nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat (§ 171 Abs. 4 Sätze 1 und 2 AO). Diese Vorschrift gilt für die Feststellungsfrist sinngemäß (§ 181 Abs. 1 AO).
bb) Die Prüfung hat vorliegend im Jahr 2006 begonnen.
(1) Für eine Ablaufhemmung durch den Beginn einer Außenprüfung ist nach ständiger Rechtsprechung erforderlich, dass eine förmliche Prüfungsanordnung erlassen wurde und --wenn auch nur stichprobenweise-- tatsächlich Prüfungshandlungen für die in der Prüfungsanordnung genannten Steuerarten und Besteuerungszeiträume vorgenommen wurden (z.B. BFH-Urteile vom 4. November 1992 XI R 32/91, BFHE 170, 291, BStBl II 1993, 425; vom 24. April 2003 VII R 3/02, BFHE 202, 32, BStBl II 2003, 739, unter II.4.a der Gründe).
Im Allgemeinen muss davon ausgegangen werden, dass Maßnahmen eines Außenprüfers zur Ermittlung eines Steuerfalles Prüfungshandlungen sind, und zwar auch dann, wenn sie "nur" auf die Vorlage von Aufzeichnungen, Büchern, Geschäftspapieren u.ä. gerichtet sind. Hierzu können auch Schreiben des Prüfers an den Steuerpflichtigen gehören (BFH-Urteil vom 2. Februar 1994 I R 57/93, BFHE 173, 487, BStBl II 1994, 377, unter II.B.1. der Gründe). Dies gilt insbesondere, wenn Prüfungshandlungen in den Geschäftsräumen nicht möglich sind, etwa weil dem Prüfer der Zutritt verwehrt wird.
(2) Nach diesen Grundsätzen sind die Schreiben vom 18. Dezember 2006 und 20. Dezember 2006 Prüfungshandlungen für den Besteuerungszeitraum 2001. Denn darin haben die Prüfer die Vorlage von bestimmten --auf den Zeitraum 2001 bezogenen-- Unterlagen verlangt. Demnach kommt es nicht darauf an, welche weiteren Anfragen die Prüfer stellten, und ist bereits deswegen --entgegen der Auffassung der Antragstellerin-- unerheblich, wie die Prüfer von den angefragten Vorgängen erfahren haben.
Eine Scheinhandlung liegt --anders als die Antragstellerin meint-- auch nicht deswegen vor, weil die vorhergehende Prüfung noch nicht abgeschlossen war. Denn hieraus ergibt sich nicht ohne Weiteres, dass mit der Fortführung der nunmehr angeordneten Prüfung nicht zu rechnen ist. Hierfür bedürfte es indessen besonderer Feststellungen, die das FG nicht getroffen hat. Im Streitfall konnte das FA die Prüfung vielmehr nicht fortsetzen, weil die Antragstellerin den Prüfern den Zutritt zu den Geschäftsräumen verweigerte.
Ob --wovon die Antragstellerin mit Hinweis auf Kruse in Tipke/Kruse (a.a.O., § 171 AO Rz 39) ausgeht-- der Ernsthaftigkeit einer Prüfung grundsätzlich entgegensteht, wenn derselbe Prüfer gleichzeitig mit der Prüfung mehrerer Unternehmen eines Konzerns beginnt, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich. Denn dies gilt jedenfalls dann nicht, wenn die Prüfer --wie von der Antragstellerin selbst vorgetragen-- bereits an der laufenden Prüfung beteiligt sind.
cc) Ferner kann sich das FA nicht auf den Beginn der Prüfung berufen, wenn die Festlegung des Prüfungsbeginns nicht bestandskräftig geworden ist und rechtswidrig war (vgl. BFH-Urteile vom 18. Dezember 1986 I R 49/83, BFHE 149, 104, BStBl II 1987, 408, unter 3.2. und 3.4. der Gründe; vom 18. Oktober 1988 VII R 123/85, BFHE 154, 446, BStBl II 1989, 76, unter I.1. und 2. der Gründe).
(1) Nach § 197 Abs. 1 Satz 1 AO ist dem Steuerpflichtigen der voraussichtliche Beginn der Prüfung angemessene Zeit vor deren Beginn bekannt zu geben, wenn der Prüfungszweck dadurch nicht gefährdet wird.
Die Angemessenheit hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei ist der Zweck des § 197 Abs. 1 Satz 1 AO zu berücksichtigen, nämlich dem Steuerpflichtigen die Vorbereitung auf die Prüfung zu ermöglichen. Er soll sich ohne unzumutbaren Aufwand auf die Prüfung einstellen können (BFH-Beschluss vom 26. Januar 2000 IV B 97/99, BFH/NV 2000, 821). Maßgeblich ist, welche Vorbereitungshandlungen die konkrete Prüfung vom Steuerpflichtigen verlangt (BFH-Beschluss vom 4. Februar 1988 V R 57/83, BFHE 152, 217, BStBl II 1988, 413, unter II.2.c bb der Gründe). Insbesondere kommen dabei die Freimachung von Räumen und das Freihalten von Terminen in Betracht (BFH-Urteil vom 19. Juni 2007 VIII R 99/04, BFHE 218, 1, BStBl II 2008, 7, unter II.3. der Gründe, m.w.N.).
Die Finanzverwaltung sieht nach § 5 Abs. 4 Satz 2 BpO 2000 vor, dass in der Regel bei Großbetrieben vier Wochen und in anderen Fällen zwei Wochen angemessen sind.
Bei einer Erweiterung des Prüfungszeitraums kann die Frist in der Regel kürzer sein als bei der erstmaligen Anordnung der Prüfung oder unter Umständen sogar ganz entfallen (BFH-Beschlüsse in BFHE 152, 217, BStBl II 1988, 413, unter II.2.c bb der Gründe; vom 8. Februar 2006 I B 101/05, BFH/NV 2006, 912).
Denn in diesem Fall sind in der Regel keine weiteren Vorbereitungsmaßnahmen erforderlich, weil sich der Steuerpflichtige bereits auf die bestehende Prüfung vorbereiten musste; die mit der Durchführung der Außenprüfung verbundene generelle Belastung des Steuerpflichtigen wird dadurch nicht wesentlich erhöht (vgl. BFH-Urteile in BFHE 218, 1, BStBl II 2008, 7, unter II.3. der Gründe; vom 14. September 1993 VIII R 56/92, BFH/NV 1994, 677, unter II.2.d der Gründe, und BFH-Beschluss vom 27. Oktober 2003 III B 13/03, BFH/NV 2004, 312, m.w.N. zu den Anforderungen an die Begründung einer Ermessensentscheidung bei einer erweiternden Prüfungsanordnung).
Aus diesem Grund kann --entgegen der Auffassung der Antragstellerin-- auch bei einer Anschlussprüfung grundsätzlich die Frist verkürzt werden, wenn die vorhergehende Prüfung noch andauert.
Anders als die Antragstellerin meint, laufen damit die regelmäßigen Fristen des § 5 Abs. 4 Satz 2 BpO 2000 nicht leer. Zwar soll u.a. bei Großbetrieben und Konzernen i.S. des § 13 BpO 2000 der Prüfungszeitraum an den vorhergehenden Prüfungszeitraum anschließen (§ 4 Abs. 2 Satz 1 BpO 2000). Jedoch bedeutet dies nicht, dass die in § 5 Abs. 4 Satz 2 BpO 2000 genannten Fristen stets verkürzt werden könnten. Vielmehr ist dies dann möglich, wenn die vorhergehende Prüfung noch andauert. Die Antragstellerin hat selbst vorgetragen, dass Außenprüfungen bei anderen Betrieben mit vergleichbarer Größe in der Regel nur ca. drei bis sechs Monate dauerten.
(2) Im Streitfall ist --entgegen der Auffassung des FA-- nicht auf die Frist in der Prüfungsanordnung vom 30. Oktober 2006 abzustellen. Unerheblich ist, ob dieser Bescheid überhaupt bekanntgegeben und damit wirksam geworden ist, denn jedenfalls ist er durch die Prüfungsanordnung vom 11. Dezember 2006 ersetzt und gleichzeitig ein neuer Termin für den Prüfungsbeginn (18. Dezember 2006) festgelegt worden.
(3) Das FG hat nach den dargelegten Grundsätzen zu Recht entschieden, dass das FA die Frist des § 5 Abs. 4 Satz 2 BpO 2000 verkürzen und den Prüfungsbeginn am 11. Dezember 2006 auf den 18. Dezember 2006 festlegen durfte, weil die vorhergehende Prüfung bei der Antragstellerin noch andauerte.
Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des FG hat die Antragstellerin auch nicht substantiiert vorgetragen, sie hätte Vorkehrungen treffen müssen, die eine längere als die vom FA eingeräumte Vorbereitungsfrist erfordert hätten.
(4) Ohne Erfolg rügt die Antragstellerin in diesem Zusammenhang die Verletzung des § 76 Abs. 2 FGO. Nach dieser Vorschrift hat der Vorsitzende darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
Die Antragstellerin meint, das FG habe diese Hinweispflicht verletzt, indem es unterlassen habe, "die Antragstellerin aufzufordern, weiter zur Frage des benötigten Vorbereitungsaufwandes der Antragstellerin im Hinblick auf die bevorstehende Betriebsprüfung vorzutragen, um beurteilen zu können, ob die vom FA gesetzte Frist angemessen" gewesen sei.
Bei den richterlichen Hinweispflichten nach § 76 Abs. 2 FGO geht es weniger um die Sachaufklärung durch das Gericht als darum, Schutz und Hilfestellung für die Beteiligten zu geben, deren Eigenverantwortlichkeit dadurch aber nicht eingeschränkt oder beseitigt wird. Liegt die rechtliche Bedeutung bestimmter Tatsachen und die daraus folgende Erforderlichkeit, diese Tatsachen bei Gericht vorzubringen und zu substantiieren, auf der Hand, so stellt ein unterlassener Hinweis jedenfalls dann keine gegen § 76 Abs. 2 FGO verstoßende Pflichtverletzung dar, wenn der Kläger steuerlich beraten und im Prozess entsprechend vertreten war (BFH-Beschluss vom 4. August 1999 VIII B 51/98, BFH/NV 2000, 204, m.w.N.). Wie bereits dargelegt, kommt es für die Frage der Angemessenheit auf die Verhältnisse des Einzelfalls und damit auch --wie von der Antragstellerin selbst vorgetragen-- auf den konkreten Vorbereitungsaufwand an. Der fachkundig vertretenen Antragstellerin musste daher bewusst sein, dass sie hierzu hätte vortragen müssen.
Unerheblich ist, ob der Berichterstatter --wie die Antragstellerin vorbringt-- im Erörterungstermin vom 28. November 2007 geäußert hat, die Beteiligten hätten nach seinem Empfinden ausreichend Stellung genommen. Denn abgesehen davon, dass diese von der Antragstellerin behauptete Aussage allgemein gehalten ist und sich nicht konkret auf den Vorbereitungsaufwand der Antragstellerin bezieht, durfte die rechtskundig vertretene Antragstellerin nicht darauf vertrauen, der Vollsenat werde der Auffassung des Berichterstatters folgen (vgl. BFH-Beschluss vom 28. November 2006 X B 160/05, BFH/NV 2007, 480, unter II.1.d der Gründe). Darüber hinaus konnte der Berichterstatter auch nicht wissen, ob besondere Umstände bei der Antragstellerin zu einem erhöhten Vorbereitungsaufwand führten.
dd) Die Prüfung ist zwar nach ihrem Beginn für mehr als sechs Monate unterbrochen worden. Jedoch hat das FA die Unterbrechung nicht zu vertreten. Denn nach den Feststellungen des FG verwehrte die Antragstellerin den Prüfern den Zutritt zu den Geschäftsräumen. Die Antragstellerin war hierzu nicht befugt, weil sie die angeforderten Unterlagen in ihren Geschäftsräumen zur Verfügung stellen musste (§ 200 Abs. 2 Satz 1 1. Alternative AO).
Diese Mitwirkungspflicht trifft den Steuerpflichtigen im Rahmen einer Außenprüfung (vgl. BFH-Urteil vom 15. September 1992 VII R 66/91, BFH/NV 1993, 76, unter 2.a der Gründe; BFH-Beschluss vom 4. April 2005 VII B 305/04, BFH/NV 2005, 1226, unter II.2.b der Gründe). Die Außenprüfung hatte die Antragstellerin auf Grund der Prüfungsanordnung vom 11. Dezember 2006 und der Festlegung des Prüfungsbeginns auf den 18. Dezember 2006 ab diesem Zeitpunkt zu dulden. Die Vollziehung dieser Verwaltungsakte wurde durch die eingelegten Rechtsbehelfe nicht gehemmt (§ 361 Abs. 1 Satz 1 AO, § 69 Abs. 1 Satz 1 FGO); die Vollziehung wurde auch nicht ausgesetzt. Für die Wirksamkeit der Verwaltungsakte kommt es auf deren Rechtmäßigkeit nicht an (§ 124 Abs. 2 AO).
Soweit die Antragstellerin vorträgt, den Prüfern nur am 18. Dezember 2006 und 20. Dezember 2006 den Zutritt zu den Geschäftsräumen verweigert zu haben, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden kann (§ 118 Abs. 2 FGO).
ee) Aus dem Schriftsatz des FA vom 20. Februar 2009 ergeben sich für die hier zu entscheidende Streitsache keine neuen Gesichtspunkte. Über Rechtsfragen betreffend die Prüfungsfortsetzung im Jahr 2009 hat der Senat nicht zu befinden.
Fundstellen