Entscheidungsstichwort (Thema)
Urteilsberichtigung
Leitsatz (NV)
- Gegen die Ablehnung eines Antrags auf Urteilsberichtigung ist grundsätzlich die Beschwerde gegeben.
- Übersieht das FG bei einer Steuerberechnung im Urteil, dass für die Veranlagungszeiträume 1983 bis 1985 ein erhöhter Kinderfreibetrag anzusetzen war, so liegt darin keine offenbare Unrichtigkeit i.S. von § 107 Abs. 1 FGO, sondern ein materieller Rechtsfehler.
Normenkette
FGO § 107; EStG 1990 § 54; EStG 1994 § 52 Abs. 32
Gründe
1. Die Beschwerde ist zulässig. Nach § 107 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten in einem finanzgerichtlichen Urteil jederzeit, auch noch nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils, zu berichtigen. Ein die Berichtigung ablehnender Beschluss kann nach allgemeinen Grundsätzen mit der Beschwerde gemäß § 128 Abs. 1 FGO angefochten werden (Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 29. Juni 1989 IV B 12/88, BFH/NV 1990, 246). Der Senat kann offen lassen, ob er der in dem BFH-Beschluss vom 10. Juli 1996 XI B 134/95 (BFH/NV 1997, 48) vertretenen Auffassung folgen würde, dass einer Beschwerde gegen die Ablehnung einer Urteilsberichtigung regelmäßig das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehle, wenn gegen das Urteil kein Rechtsmittel eingelegt worden sei (ablehnend Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 107 FGO Rz. 7). Denn ein solcher Sachverhalt liegt hier nicht vor.
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Finanzgericht (FG) hat den Antrag auf Urteilsberichtigung zu Recht zurückgewiesen.
Voraussetzung für eine Berichtigung nach § 107 Abs. 1 FGO ist, dass das Urteil im Rubrum, im Tenor, im Tatbestand oder in den Gründen einen Schreib- oder Rechenfehler oder eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit enthält. Die Berichtigung darf nur der Verwirklichung des vom Gericht erkennbar Gewollten dienen, nicht aber die gewollte Entscheidung inhaltlich korrigieren. Eine offenbare Unrichtigkeit i.S. von § 107 Abs. 1 FGO ist nur dann gegeben, wenn es sich um ein "mechanisches" Versehen handelt, aufgrund dessen ―wie bei einem Schreib- oder Rechenfehler― das wirklich Gewollte nicht zum Ausdruck gelangt ist. Bereits die Möglichkeit eines Rechtsirrtums, Denkfehlers oder unvollständiger Sachverhaltsermittlung schließt die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit aus (ständige Rechtsprechung, vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 107 Anm. 4, m.w.N.).
Im Streitfall ist dem FG kein mechanischer Fehler, sondern ein Fehler bei der Bildung des Entscheidungswillens unterlaufen. Es hat bei der von ihm durchgeführten Steuerberechnung übersehen, dass hinsichtlich der Streitjahre 1983 und 1984 nach § 54 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1990 i.V.m. § 52 Abs. 32 EStG i.d.F. ab 1994 ein erhöhter Kinderfreibetrag anzusetzen war. Infolgedessen hat das FG in dem Urteil hierüber keine Ausführungen gemacht. Damit liegt nicht eine Diskrepanz zwischen dem erklärten und dem gewollten Urteilsinhalt, sondern ein Fehler im Bereich der materiellen Rechtsfindung vor, der nicht nach § 107 Abs. 1 FGO berichtigt werden kann (vgl. BFH-Beschluss vom 13. November 1990 VII B 76/90, BFH/NV 1991, 609). Deshalb kann auch den Hilfsanträgen der Kläger nicht entsprochen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 629813 |
BFH/NV 2001, 1420 |