Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn der Festsetzungsfrist für AdV-Zinsen
Leitsatz (NV)
Zur Frage, ob bei der Berechnung des Fristbeginns für die Festsetzung von Zinsen für von der Vollziehung ausgesetzte Steuerbeträge gemäß § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 AO 1977 nicht erst die Bekanntgabe des eine Nichtzulassungsbeschwerde verwerfenden Beschlusses, sondern bereits das Datum dieses Beschlusses maßgeblich ist.
Normenkette
AO 1977 §§ 47, 237 Abs. 1 S. 1, § 239 Abs. 1 S. 2 Nr. 5; FGO § 69 Abs. 4, § 115 Abs. 2 Nr. 2
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) erhobenen Divergenzrügen können nicht zur Zulassung der Revision führen, denn das angefochtene Urteil des Finanzgerichts (FG) weicht nicht von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) ab. Eine Abweichung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegt nur vor, wenn das FG in einer Rechtsfrage eine andere Auffassung als der BFH vertreten hat. Eine abweichende Beurteilung von Tatsachen oder Unterschiede in der Sachverhaltswürdigung genügen nicht. Das FG muss seiner Entscheidung vielmehr eine rechtliche Erwägung (Rechtssatz) zugrunde gelegt haben, die mit einem ebenfalls tragenden Rechtssatz einer Entscheidung des BFH nicht übereinstimmt (ständige Rechtsprechung, s. Senatsbeschluss vom 27. April 1999 III B 43/98, BFH/NV 1999, 1477, m.w.N.).
a) Keine Divergenz zum BFH-Beschluss vom 29. September 1994 VIII S 5/94 (BFH/NV 1995, 537).
Die gerügte Abweichung des FG-Urteils von dem BFH-Beschluss in BFH/NV 1995, 537 ist nicht gegeben. Eine Abweichung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO setzt u.a. voraus, dass die Divergenzentscheidung des BFH und das Urteil des FG zu gleichen, vergleichbaren oder gleichgelagerten Sachverhalten ergangen sind (BFH-Beschlüsse vom 9. Dezember 1997 I B 99/97, BFH/NV 1998, 685; vom 11. Dezember 1992 III B 28/91, BFH/NV 1993, 610; vom 30. Juni 1992 IV B 108/91, BFH/NV 1992, 821, ständige Rechtsprechung). Kernfrage des Streitfalles ist, ob das für den Beginn der Festsetzungsfrist gemäß §§ 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, 237 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) bei Aussetzungszinsen relevante Tatbestandsmerkmal der endgültigen Erfolglosigkeit des Einspruchs bzw. der Anfechtungsklage bereits durch den Beschluss über die Verwerfung einer Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig oder erst durch die Bekanntgabe dieses Beschlusses erfüllt ist. Mit dieser Kernfrage bzw. mit einem vergleichbaren Sachverhalt hat sich der BFH in dem von den Klägern zur Begründung der Divergenz herangezogenen Beschluss in BFH/NV 1995, 537 nicht befasst. Der BFH hat in dem genannten Beschluss lediglich ausgeführt, dass eine Aussetzung der Vollziehung unanfechtbarer Verwaltungsakte gemäß § 69 Abs. 4 FGO ―die Unanfechtbarkeit ergab sich aus der Tatsache, dass der BFH die in der Hauptsache erhobene Nichtzulassungsbeschwerde verworfen und damit die angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheide als Grundlage der Vollziehung bestandskräftig geworden waren― nicht in Betracht komme. Damit war im Fall der von den Klägern genannten Divergenzentscheidung eine andere Entscheidungsgrundlage gegeben. Dies hat aber zur Folge, dass eine Abweichung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO von der genannten Entscheidung des BFH nicht vorliegt (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1993, 610).
b) Keine Abweichung vom BFH-Urteil vom 6. Februar 1996 VII R 50/95 (BFHE 179, 556, BStBl II 1997, 112).
Auch hinsichtlich des BFH-Urteils in BFHE 179, 556, BStBl II 1997, 112 ist die gerügte Abweichung nicht gegeben. In der genannten Divergenzentscheidung hat sich der BFH im Kern mit der Frage des Erlöschens von materiell-rechtlichen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis befasst. Er hat hierbei insbesondere festgestellt, dass es im Falle des Erlöschens eines materiell-rechtlichen Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis durch Festsetzungsverjährung nicht darauf ankomme, ob und in welcher Höhe dieser Anspruch durch Steuerbescheid festgesetzt worden ist. Demgegenüber befasst sich das angefochtene Urteil des FG im Kern nicht mit der Frage, ob nach § 47 AO 1977 im Falle des Eintretens eines Erlöschensgrundes der abstrakte Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis oder lediglich der durch Verwaltungsakt festgesetzte Anspruch erlischt, sondern welche Voraussetzungen an den Fristbeginn nach § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. § 237 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 zu knüpfen sind. Damit war auch im Fall des von den Klägern genannten Divergenzurteils in BFHE 179, 556, BStBl II 1997, 112 eine andere Entscheidungsgrundlage gegeben.
c) Keine Divergenz zum Senatsbeschluss vom 22. Januar 1988 III B 134/86 (BFHE 152, 212, BStBl II 1988, 484).
In seinem Beschluss in BFHE 152, 212, BStBl II 1988, 484 hat der erkennende Senat erkannt, dass die Entscheidung der Frage, ob ein Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheid sich durch den Erlass eines entsprechenden Jahressteuer-Bescheides erledige, nicht in einem Verfahren gegen den nach Abschluss des Einspruchsverfahrens gegen den Vorauszahlungsbescheid gemäß § 237 AO 1977 erlassenen Zinsbescheid herbeigeführt werden könne. In diesem Zusammenhang hat der Senat ausgeführt, dass § 237 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 jede Art der Erledigung, nicht nur die durch Einspruchs- oder gerichtliche Entscheidung meine. Diese Rechtsansicht hat das FG in dem angefochtenen Urteil nicht in Frage gestellt. Denn im Streitfall ging die Erledigung auf eine erfolglose Anfechtungsklage zurück. Diese ist aber bereits nach dem Wortlaut des § 237 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 als Erledigungsgrund normiert. Die von dem FG im angefochtenen Urteil problematisierte Frage, wann eine Anfechtungsklage endgültig keinen Erfolg gehabt hat, ist demgegenüber in der Senatsentscheidung in BFHE 152, 212, BStBl II 1988, 484 nicht angesprochen. Eine Abweichung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO von dem genannten Senatsbeschluss liegt daher nicht vor.
d) Keine Abweichung vom BFH-Beschluss vom 13. Februar 1997 VII S 35/96 (BFH/NV 1997, 462).
Die gerügte Abweichung vom BFH-Beschluss in BFH/NV 1997, 462 ist nicht gegeben. Das FG stellt nicht in Frage, dass, wie in der vorgeblichen Divergenzentscheidung ausgeführt wird, ein erstinstanzliches Urteil mit der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde i.S. des § 115 Abs. 5 Satz 3 FGO rechtskräftig und der angefochtene Einspruchsbescheid bestandskräftig werde. Das FG geht lediglich davon aus, dass bei der Berechnung des Fristbeginns für die Festsetzungsfrist gemäß § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 AO 1977 nicht das Datum des die Nichtzulassungsbeschwerde verwerfenden Beschlusses, sondern erst die Bekanntgabe dieses Beschlusses maßgeblich ist. Damit weicht das FG nicht von dem genannten BFH-Beschluss in BFH/NV 1997, 462 ab.
Im Übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 17. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2447, BStBl I 2000, 3) ohne Angabe von Gründen.
Fundstellen
Haufe-Index 447419 |
BFH/NV 2001, 291 |