Leitsatz (amtlich)
1. Hat das FA im Zusammenhang mit der Entscheidung über den Einspruch gegen einen vorläufigen Steuerbescheid diesen in derselben Einspruchsentscheidung für endgültig erklärt, so ist hiergegen die Klage nur zulässig, wenn das FA der Erhebung der Klage zugestimmt hat (§ 45 Abs. 1 Satz 1 FGO).
2. Liegt die Zustimmung des FA nicht vor und kann sie nach Sachlage auch nicht angenommen werden (vgl. BFH-Entscheidung VI R 261/67 vom 19. August 1969, BFHE 96, 458, BStBl II 1970, 11), so ist die gegen die Einspruchsentscheidung gerichtete Klage insoweit als Einspruch zu behandeln, als sie sich gegen die Endgültigkeitserklärung richtet (§ 45 Abs. 1 Satz 2 FGO).
Normenkette
FGO § 45 Abs. 1
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Klägerin und Steuerpflichtige) gab trotz mehrfacher Aufforderung keine Vermögenserklärung und Vermögensaufstellung auf den 1. Januar 1969 ab. Das FA schätzte deshalb die Besteuerungsgrundlagen nach § 217 AO. Gegen den nach § 100 Abs. 2 AO für vorläufig erklärten Einheitswert- und Vermögensteuerbescheid legte die Beschwerdeführerin Einspruch ein. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück und erklärte zugleich die Veranlagung für endgültig. Die Einspruchsentscheidung wurde am ... zugestellt. Die Beschwerdeführerin hat mit Telegramm Klage erhoben. Die Klage wurde trotz Aufforderung nicht begründet. Zu der vom FG angeordneten mündlichen Verhandlung war für die Beschwerdeführerin niemand erschienen.
Das FA wies die Klage ab und ließ die Revision ohne Rücksicht auf die Höhe des Streitwerts nicht zu.
Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin telegrafisch Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt und dazu vorgetragen: In der angefochtenen Einspruchsentscheidung sei die Veranlagung für endgültig erklärt worden. Soweit die Klage diese Verfügung betreffe, hätte der Rechtsbehelf als Einspruch behandelt werden müssen, da das FA keine Zustimmung zur Sprungklage gegeben habe. Durch das angefochtene Urteil sei deshalb § 45 FGO verletzt.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Das FG hat den Streitwert mit 600 DM ermittelt. Bedenken hiergegen sind von den Beteiligten nicht erhoben worden. Der erkennende Senat geht mangels ausreichender Sachanträge der Beschwerdeführerin auch für den vorliegenden Rechtsbehelf von demselben Streitwert aus.
Die Beschwerde ist aber nicht begründet.
Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann.
Die Beschwerdeführerin hat ihre Beschwerde auf eine Verletzung des § 45 FGO gestützt. Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt der in § 229 AO bezeichneten Art ohne Vorverfahren zulässig, wenn die Behörde, die ihn erlassen hat, innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift zustimmt. Stimmt das FA der Erhebung der Klage nicht zu, so ist die Klage nach § 45 Abs. 1 Satz 2 FGO als Einspruch zu behandeln.
Im Streitfall ist das Vorverfahren gegen den vorläufigen Vermögensteuerbescheid ohne Erfolg durchgeführt worden. Damit war nur die Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage gegen diesen vorläufigen Bescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung geschaffen (§ 44 Abs. 1 FGO). Das FA hat aber in der Einspruchsentscheidung zugleich den vorläufigen Steuerbescheid für endgültig erklärt. Es hat damit einen neuen selbständig anfechtbaren Verwaltungsakt erlassen. Verfahrensvoraussetzung für die Erhebung einer Klage "gegen die Einspruchsentscheidung" war insoweit das Vorverfahren über die Endgültigkeitserklärung des Vermögensteuerbescheids oder die Zustimmung des FA zur Sprungklage (vgl. Entscheidung des BFH VI R 261/67 vom 19. August 1969, BFHE 96, 458, BStBl II 1970, 11). Keine dieser Voraussetzungen liegt im Streitfall vor. Allerdings hatte der BFH in der vorgenannten Entscheidung VI R 261/67 (a. a. O.) im Hinblick auf die dort gegebenen besonderen Umstände des Streitfalls eine Zustimmung des FA zur Sprungklage angenommen und damit das Fehlen einer Prozeßvoraussetzung verneint. Dieser Sachverhalt läßt sich jedoch mit dem vorliegenden Streitfall nicht vergleichen. Das FA hat zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben, daß es mit der Erhebung einer Sprungklage einverstanden wäre. Gegen die Annahme einer stillschweigenden Zustimmung spricht schon die Tatsache, daß das FA mangels einer näheren Klagebegründung sich nicht mit der materiellen Rechtslage auseinandersetzen konnte. Allerdings enthielt die Einspruchsentscheidung eine Rechtsmittelbelehrung, in welcher als zulässiges Rechtsmittel die Klage angegeben war. Daß die Beschwerdeführerin bei dieser Sachlage ihren Rechtsbehelf als Klage bezeichnet hat, kann ihr nicht angelastet werden. Die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung hat jedoch nur zur Folge, daß eine Rechtsbehelfsfrist nicht in Lauf gesetzt wird. Bei dieser Rechtslage wird das FA nunmehr über die als Einspruch zu behandelnde Klage gegen die Endgültigkeitserklärung des Vermögensteuerbescheids zu entscheiden haben.
Soweit das FG über die Klage gegen den vorläufigen Bescheid in der Form der Einspruchsentscheidung entschieden hat, greift die von der Beschwerdeführerin erhobene Rüge der Verletzung des § 45 FGO nicht durch, da insoweit die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO - hier: Durchführung des Vorverfahrens - erfüllt sind. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 70166 |
BStBl II 1973, 227 |
BFHE 1973, 484 |