Entscheidungsstichwort (Thema)
Frist für Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts
Leitsatz (NV)
- Der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts gem. § 78b Abs. 1 ZPO i.V.m. § 155 FGO muß innerhalb der Rechtsmittelfrist beim Prozeßgericht gestellt werden.
- Zu den Erfolgsaussichten einer Nichtzulassungsbeschwerde.
Normenkette
FGO §§ 155, 115; ZPO § 78b
Gründe
1. Der Antrag auf Beiordnung eines vor dem Bundesfinanzhof (BFH) vertretungsberechtigten Prozeßvertreters für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Einlegung der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) hat keinen Erfolg.
a) Nach § 78b Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) hat das Prozeßgericht --hier der BFH-- einer Partei auf ihren Antrag für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, soweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, die Partei einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Diese Vorschrift ist seit Einführung des Vertretungszwangs vor dem BFH durch das Gesetz zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sinngemäß anzuwenden (BFH-Beschluß vom 18. November 1977 III S 6/77, BFHE 123, 433, BStBl II 1978, 57).
b) Der Antrag ist unzulässig, weil der Kläger und Antragsteller (Kläger) diesen Antrag nicht innerhalb der Beschwerdefrist (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO) gestellt hat. Der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts gemäß § 78b Abs. 1 ZPO i.V.m. § 155 FGO muß innerhalb der Rechtsmittelfrist beim Prozeßgericht gestellt werden (vgl. BFH-Beschluß vom 7. Juli 1992 VI B 124/91, BFH/NV 1993, 118). Wird diese Frist versäumt, so kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht (BFH-Beschluß vom 20. Februar 1997 VII S 2/97, BFH/NV 1997, 431). Das Urteil des FG ist lt. der Postzustellungsurkunde am 14. Mai 1999 durch Niederlegung zugestellt worden. Der vom Kläger am 15. Juni 1999 gestellte Antrag ist damit verspätet.
Im übrigen ist den Ausführungen des Klägers auch nicht zu entnehmen, daß er unverschuldet gehindert war, innerhalb der Rechtsmittelfrist den Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts zu stellen.
2. Aber selbst wenn man dem Vortrag des Klägers folgt, daß das Urteil des FG erst am 15. Mai 1999 zugestellt worden ist, wäre der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts abzulehnen.
a) Der Kläger hat zwar ausgeführt, daß er selbst keinen zur Vertretung bereiten Prozeßbevollmächtigten habe finden können. Der Antrag wäre jedoch unbegründet, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung aussichtslos erscheint.
Für eine Nichtzulassungsbeschwerde, wie sie der Kläger in seinem Schriftsatz vom 15. Juni 1999 begründet hat, bestünde keine Erfolgsaussicht. Die erforderliche Erfolgsaussicht fehlt auch dann, wenn der Senat --ungeachtet der Ausführungen des Klägers im einzelnen-- anhand des FG-Urteils selbst prüft (s. hierzu z.B. den BFH-Beschluß vom 7. September 1995 III S 1/95, BFH/NV 1996, 322), ob die Zulassung der Revision in Betracht kommt.
b) Es ist nicht erkennbar, daß der Kläger sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache berufen könnte. Das FG hat seiner Entscheidung die höchstrichterliche Rechtsprechung zu den im Streitfall einschlägigen Fragen des Verlustabzugs (§ 10d des Einkommensteuergesetzes --EStG--) zugrunde gelegt. Der Antrag des Klägers enthält keinerlei Ausführungen dazu, weshalb es im Interesse der Allgemeinheit liegen könnte, in einer neuerlichen (Revisions-)Entscheidung des BFH zu den Voraussetzungen eines Verlustfeststellungsbescheides gemäß § 10d EStG Stellung zu nehmen (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Neue klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfragen, die im Streitfall entscheidungserheblich sein könnten, sind durch den Kläger weder aufgeworfen noch erkennbar.
c) Die Entscheidung des FG weicht auch offensichtlich nicht von einer Entscheidung des BFH oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ab (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Der vom Kläger behauptete klare Widerspruch zur Rechtsprechung des BFH ist weder belegt noch erkennbar. Soweit der Kläger auf das Urteil des BFH vom 31. Juli 1996 XI R 4/96 (BFH/NV 1997, 180) verweist, hat das FG dieses Urteil zitiert und die tragenden rechtlichen Erwägungen dieser Entscheidung auf den Streitfall angewandt. Der BFH hat in diesem Urteil entschieden, daß vor dem 31. Dezember 1990 entstandene Verlustabzüge bei Änderungen, die sich aufgrund anderer tatsächlicher oder rechtlicher Beurteilung ergeben, noch korrigiert werden können, sofern der entsprechende Steuerbescheid noch geändert werden kann. Für den Veranlagungszeitraum 1990 hat das FG aus Gründen des Vertrauensschutzes sogar zugunsten des Klägers einen Verlust festgestellt, obwohl der Einkommensteuerbescheid 1990 bestandskräftig geworden war.
d) Die Ausführungen des Klägers lassen auch keinen Verfahrensmangel erkennen.
Insbesondere hat das FG nicht gegen § 96 Abs. 2 FGO und das Verbot von Überraschungsentscheidungen verstoßen. Auf die Erledigungserklärung des Klägers für die Veranlagungszeiträume 1988 und 1989 ist es in seinem Urteil eingegangen und hat festgestellt, daß anhand der Angaben des Klägers ein positiver Gesamtbetrag der Einkünfte errechnet worden ist.
Eine Zulassung der Revision wegen Verfahrensmangels ergibt sich auch nicht im Zusammenhang mit der Ablehnung der Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO durch das FG; denn es ist nicht erkennbar, daß die Entscheidung des FG darauf beruht, daß der Kläger nicht darauf hingewiesen wurde, das Aktenzeichen des behaupteten Verfahrens vor dem BVerfG anzugeben. Das FG hat es als entscheidend angesehen, daß der Kläger seiner Bezeichnungs- und Substantiierungspflicht hinsichtlich der Vorgreiflichkeit des behaupteten Verfassungsbeschwerdeverfahrens nicht nachgekommen ist. Auch in dem Antrag auf Wiedereinsetzung zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde wird nicht deutlich, inwieweit ein für den Streitfall vorgreifliches Verfahren beim BVerfG anhängig ist.
Schließlich läßt sich den Ausführungen des Klägers zu den Nebenkosten für das Jahr 1990 kein Verfahrensmangel entnehmen. Soweit er darauf hinweist, daß er die Vorauszahlungen an die Mieter aufgrund eines landgerichtlichen Urteils zurückzahlen mußte, ist im Hinblick auf die Grundsätze der Vereinnahmung und Verausgabung (vgl. § 11 EStG) nicht das Jahr 1990 betroffen.
3. Die Entscheidung über den Antrag auf Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten ist gerichtsgebührenfrei (vgl. BFH-Beschluß vom 18. Dezember 1998 III S 4/98, BFH/NV 1999, 944).
Fundstellen
Haufe-Index 424714 |
BFH/NV 2000, 479 |