Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an Beschwerdebegründung; Anpassung des Behinderten ‐ Pauschbetrages; Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Begründungsfrist
Leitsatz (NV)
Ein Verschulden im Sinne des § 56 Abs. 1 FGO ist, wenn es um eine Fristversäumnis eines Steuerberaters geht, nur dann zu verneinen, wenn die äußerste, den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt angewendet worden ist.
Normenkette
FGO § 54 Abs. 2, § 56 Abs. 1-2
Verfahrensgang
FG Nürnberg (Urteil vom 09.12.2003; Aktenzeichen I 176/2002) |
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wegen der Höhe des Behindertenpauschbetrages gemäß § 33b Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Streitjahr 1999 mit Urteil vom 9. Dezember 2003, welches ihrem Prozessbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 18. Dezember 2003 zugestellt worden ist, als unbegründet abgewiesen. Die Revision ließ das FG nicht zu. Dem Urteil ist eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung beigefügt.
Mit ihrer fristgerecht eingelegten Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision wiesen die Kläger zunächst nur auf die grundsätzliche Bedeutung des Verfahrens im Hinblick auf die Höhe der seit Jahren nicht mehr betragsmäßig angepassten Behindertenpauschbeträge und das vom FG nicht berücksichtigte Verfahren einer beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) unter Az. 2 BvR 1059/03 eingelegten Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. März 2003 III B 84/01 (BFH/NV 2003, 1164) hin und stellten die Nachreichung einer Begründung in Aussicht.
Mit per Telefax am gleichen Tage beim BFH eingegangenem Schriftsatz vom 20. Februar 2004 reichten die vertretenen Kläger die angekündigte Beschwerdebegründung ein und machten grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie die Notwendigkeit der Fortbildung des Rechts geltend.
Mit Schreiben vom 26. Februar 2004, welches dem Prozessvertreter am 1. März 2004 zugestellt worden ist, wies die Senatsvorsitzende auf den Ablauf der Begründungsfrist bereits am 18. Februar 2004 sowie auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hin. Einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand haben die Kläger nicht gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).
Die Kläger haben innerhalb der gesetzlichen Begründungsfrist (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO) keine Zulassungsgründe i.S. des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO entsprechend den gesetzlichen Anforderungen nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO hinreichend substantiiert dargelegt.
Wegen Versäumung der Begründungsfrist kann ihnen auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.
1. Nach § 116 Abs. 1 FGO kann gegen die Nichtzulassung der Revision durch das FG innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim BFH Beschwerde eingelegt werden (§ 116 Abs. 2 Satz 1 FGO).
Die Kläger haben fristgerecht Nichtzulassungsbeschwerde erhoben.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist indes innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils auch zu begründen.
a) Soweit die Kläger im Schriftsatz vom 13. Januar 2004 lediglich auf eine grundsätzliche Bedeutung des Verfahrens und die Nichtberücksichtigung des beim BVerfG unter Az. 2 BvR 1059/03 anhängigen Verfassungsbeschwerdeverfahrens gegen den Beschluss des BFH in BFH/NV 2003, 1164, mit dem der Senat eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur regelmäßigen Anpassung der Behindertenpauschbeträge an die gestiegenen Lebenshaltungskosten verneint hat, hingewiesen hat, haben sie die Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 1. Alternative FGO nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargetan (zu den Darlegungsanforderungen BFH-Beschluss vom 17. Oktober 2001 III B 65/01, BFH/NV 2002, 217).
b) Die Frist für die Begründung der Beschwerde lief gemäß § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung und § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs am Mittwoch, dem 18. Februar 2004, ab.
Die Beschwerdebegründung vom 20. Februar 2004 ist indes erst am selben Tag per Telefax beim BFH eingegangen und somit nach Ablauf der --nicht verlängerten-- Begründungsfrist.
3. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Begründungsfrist ist den Klägern nicht zu gewähren.
a) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 Abs. 1 FGO ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Einen solchen Antrag haben die Kläger trotz des Hinweises der Senatsvorsitzenden in dem ihrem Prozessvertreter am 1. März 2004 zugestellten Schreiben auf die Versäumung der Begründungsfrist und auf § 56 FGO nicht gestellt.
b) Ist innerhalb der zwei Wochen betragenden Antragsfrist die versäumte Rechtshandlung --hier die Beschwerdebegründung-- nachgeholt worden, so kann allerdings unter den Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 FGO auch ohne Antrag Wiedereinsetzung gewährt werden (vgl. § 56 Abs. 2 Sätze 1, 3 und 4 FGO).
Ein Verschulden i.S. des § 56 Abs. 1 FGO ist, wenn es um die Fristversäumung eines Steuerberaters geht, nur zu verneinen, wenn die äußerste, den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt angewendet worden ist (BFH-Beschluss vom 24. Juni 2002 X B 190/01, BFH/NV 2002, 1554, m.w.N.).
Die Kläger bzw. ihr Prozessvertreter sind ordnungsgemäß durch die dem angefochtenen Urteil beigefügte Rechtsmittelbelehrung über die einzuhaltenden Fristen für die Einlegung und die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde belehrt worden. Wiedereinsetzungsgründe sind weder aus den Akten ersichtlich (vgl. dazu auch BFH-Beschluss vom 6. April 1995 VIII B 61/94, BFH/NV 1996, 137) noch haben die Kläger irgendwelche Gründe für ein fehlendes Verschulden geltend gemacht.
Fundstellen