Entscheidungsstichwort (Thema)
Anordnung der Bestellung eines Prozeßbevollmächtigten
Leitsatz (NV)
Die Anordnung, einen Prozeßbevollmächtigten zu bestellen (§ 62 Abs. 1 S. 2 FGO), kann ergehen, wenn die Schriftsätze eines Verfahrensbeteiligten unsachliche und beleidigende Ausführungen enthalten, die daran zweifeln lassen, ob der Beteiligte zu einer sachgerechten Prozeßführung in der Lage ist (Anschluß an Beschluß in BFH/NV 1989, 515). Dies ist der Fall, wenn die Ausführungen des Verfahrensbeteiligten im einzelnen verworren und zum Teil nicht verständlich sind, unqualifizierte Vorwürfe an den Beklagten sowie Hinweise auf vergangene Vorkommnisse steuerlicher Art enthalten, von denen nicht erkennbar ist, welche Bedeutung sie für die Einkommensbesteuerung des Streitjahres haben sollten.
Normenkette
FGO § 62 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Der Kläger und Antragsteller (Antragsteller) erhob gegen die Einspruchsentscheidung des Beklagten (Finanzamt -- FA --), durch welche dieser den Einspruch wegen Fristversäumnis als unzulässig abgewiesen hatte, am 19. Dezember 1995 persönlich Klage, mit der er begehrte, den Gewinn aus Gewerbebetrieb für 1991 niedriger anzusetzen. Zur Fristversäumnis führte er im Schriftsatz vom 20. Januar 1996 aus, dieser Vorwurf sei unwahr. Das FA könne nur die Unwahrheit sagen, sonst nichts.
Mit Beschluß vom 5. Februar 1996 hat das Finanzgericht (FG) angeordnet, daß der Antragsteller binnen vier Wochen nach Zustellung des Beschlusses einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe oder Rechtsanwalt als Bevollmächtigten bestellen muß (§ 62 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Zur Begründung verweist das FG auf seinen Beschluß vom 30. Juni 1994 in der Klagesache des Klägers ... Die Gründe, die zu diesem Beschluß bewogen hätten, hätten sich nicht geändert. Der Antragsteller sei auch nach dem bisherigen Prozeßverhalten in dem jetzt anhängigen Verfahren persönlich nicht in der Lage, das Erforderliche zu bewirken.
Der Beschluß wurde dem Antragsteller am 9. Februar 1996 zugestellt. Der Antragsteller legte dagegen am 15. Februar 1996 Beschwerde ein und beantragte am 19. Februar 1996, ihm hierfür einen Anwalt beizuordnen, da er keinen Rechtsanwalt finde, der ihn gegen Prozeßkostenhilfe (PKH) vertreten wolle und könne.
Entscheidungsgründe
Der als Antrag auf PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts zu wertende Antrag des Antragstellers ist unbegründet.
Gemäß § 142 Abs. 1 FGO i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) wird einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten erbringen kann, auf Antrag PKH gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei summarischer Prüfung für den Eintritt des Erfolges eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht; eine abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten ist insoweit jedoch nicht erlaubt (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 23. Januar 1991 II S 15/90, BFHE 163, 123, BStBl II 1991, 366, m. w. N.).
An der Erfolgsaussicht fehlt es allerdings nicht schon deshalb, weil die vom Antragsteller selbst eingelegte Beschwerde wegen Nichteinhaltung des Vertretungszwangs gemäß Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) unzulässig ist. Der mittellose Beteiligte wird in der Regel bis zur Entscheidung über seinen PKH-Antrag als jemand angesehen, der ohne sein Verschulden an der wirksamen Einlegung des Rechtsmittels verhindert ist (vgl. BFH-Beschluß vom 20. April 1988 X S 13/87, BFH/NV 1988, 728, m. w. N.). Sofern PKH bewilligt wird, müßte dem Antragsteller unter bestimmten Voraussetzungen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (vgl. BFH- Beschluß vom 7. Juli 1994 VIII S 1/94, BFH/NV 1995, 92).
Die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt allerdings voraus, daß der Antragsteller beim Rechtsmittelgericht innerhalb der maßgeblichen Rechtsmittelfrist den Antrag auf Bewilligung der PKH stellt und die erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemäß § 117 Abs. 2 und 4 ZPO unter Beifügung der entsprechenden Belege vorlegt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluß vom 13. Juli 1995 VII S 1/95, BFH/NV 1996, 10 unter 3. a.).
Der Senat kann offenlassen, ob diesem Erfordernis dadurch Genüge getan ist, daß sich entsprechende Erklärungen des Antragstellers vom 18. Dezember 1995 bzw. 13. Januar 1996 bei den dem BFH vorliegenden Akten befinden. Der Antrag auf Gewährung von PKH ist jedenfalls deshalb abzulehnen, weil für die Beschwerde keine hinreichenden Erfolgsaussichten bestehen.
Ob das Gericht eine Anordnung nach § 62 Abs. 1 Satz 2 FGO trifft, liegt in seinem Ermessen; sie kann vom Beschwerdegericht deshalb nur darauf überprüft werden, ob das Gericht von unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen ist oder von seinem Ermessen in zweckwidriger Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. BFH-Beschluß vom 14. November 1988 IV B 77/88, BFH/NV 1989, 515). Die Anordnung setzt voraus, daß der Beteiligte selbst nicht in der Lage ist, seine Rechte wahrzunehmen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn dem Beteiligten die Fähigkeit zum schriftlichen oder mündlichen Vortrag fehlt (BFH-Beschluß vom 3. Februar 1995 VIII B 162/94, BFH/NV 1995, 900, m. w. N.). Sie kann auch ergehen, wenn die Schriftsätze eines Verfahrensbeteiligten unsachliche und beleidigende Ausführungen enthalten, die daran zweifeln lassen, ob der Beteiligte zu einer sachgerechten Prozeßführung in der Lage ist (Beschluß in BFH/NV 1989, 515).
Bei der gebotenen summarischen Prüfung ist der angefochtene Beschluß des FG nicht zu beanstanden. Das FG stützt seine Entscheidung im wesentlichen darauf, daß die Ausführungen des Antragstellers im einzelnen verworren und zum Teil nicht verständlich seien. Zu unqualifizierten Vorwürfen an den Beklagten gesellten sich Hinweise auf vergangene Vorkommnisse steuerlicher Art, die der Antragsteller anders sehe und bewerte als der Beklagte und von denen nicht erkennbar sei, welche Bedeutung sie für die Einkommensbesteuerung des Streitjahres haben sollten. Diese Ausführungen des FG werden durch die Schriftsätze des Antragstellers im vorliegenden Klageverfahren betreffend Einkommensteuer 1991 bestätigt.
Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen; Gerichtsgebühren sind nicht entstanden (§ 142 FGO i. V. m. § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO, § 1 Abs. 1 Buchst. c i. V. m. § 11 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes).
Fundstellen
Haufe-Index 421415 |
BFH/NV 1996, 766 |