Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückweisung eines Steuerberaters als Prozessbevollmächtigten nach bestandskräftigem Widerruf seiner Bestellung; zur Zurückweisung eines Belastingadviseurs als Steuerbevollmächtigten; Inländerdiskriminierung berührt nicht das Gemeinschaftsrecht
Leitsatz (NV)
- Ist die Bestellung zum Steuerberater bestandskräftig widerrufen worden, so ist er nicht mehr zu Hilfeleistung in Steuersachen befugt und im finanzgerichtlichen Verfahren als Prozessbevollmächtigter zurückzuweisen.
- Weder die gegen den den Widerruf im Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren bestätigenden Beschluss des BFH eingelegte Verfassungsbeschwerde, noch ein beantragtes Wiederaufnahmeverfahren, noch eine nach Art. 34 MRK eingelegte Beschwerde vermögen den Eintritt der Bestandskraft des Widerrufsbescheides zu hemmen.
- Unterhält ein solcher ehemaliger Steuerberater als Belastingadviseur oder als Belastingconsulent in den Niederlanden und in Belgien zwar ein Büro, ist er aber dauerhaft in der Bundesrepublik Deutschland ansässig, so ist er mangels einer grenzüberschreitenden Dienstleistung ebenso wenig im Inland zur Hilfeleistung in Steuersachen befugt und darf infolgedessen auch nicht in einem Finanzgerichtsverfahren als Prozessbevollmächtigter tätig werden (Anschluss an den VII. Senat des BFH, Beschluss vom 11. Februar 2003 VII B 330/02, BFH/NV 2003, 714).
Normenkette
EG Art. 234 Abs. 1 Buchst. a; EMRK Art. 34; EG Art. 43, 49-50, 234 Abs. 3; FGO § 62 Abs. 2 S. 2, §§ 62a, 134; StBerG § 3 Nrn. 1, 4; ZPO § 580 Nr. 5
Nachgehend
Tatbestand
I. Die Kläger und Beschwerdeführer zu 1 (Kläger) haben den Beschwerdeführer zu 2 (Beschwerdeführer) zu ihrer Vertretung vor dem Finanzgericht (FG) bevollmächtigt. Das FG hat den Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Beschluss als Prozessvertreter zurückgewiesen, weil ihm mit dem wirksamen Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater die Zulassung zur Steuerberatung entzogen worden sei und er demgemäß nicht mehr befugt sei, geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen zu leisten. Das FG hat es dahingestellt gelassen, ob der Beschwerdeführer als Belastingadviseur bzw. Belastingconsulent in den Niederlanden und in Belgien zugelassen sei, denn die Zulassung nach dortigem Recht berechtige ―auch nach der ab dem 1. Juli 2000 geltenden Fassung des Steuerberatungsgesetzes (StBerG)― nicht zur Hilfeleistung in Steuersachen im Inland.
Gegen diesen Beschluss wenden sich mit der Beschwerde sowohl die Kläger als auch der Beschwerdeführer. Auf deren Schriftsätze vom 18. November 2002 und 18. Dezember 2002 zur Begründung der Beschwerde wird Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 18. November 2002 hat der Beschwerdeführer mitgeteilt, er lege kraft der ihm erteilten Prozessvollmacht die Beschwerde für die Kläger ein und erteile zugleich "den hier tätigen Rechtsanwälten" Untervollmacht und bevollmächtige ebenfalls für sich selbst diese Rechtsanwälte.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) hält die Beschwerde der Kläger für unzulässig, weil die Beschwerde nicht ordnungsgemäß erhoben worden sei. Die Beschwerde des Beschwerdeführers sei unbegründet, da der Beschwerdeführer im Inland nicht zur Hilfe in Steuersachen befugt sei.
Das FG hat den Beschwerden nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerden sind unbegründet und deshalb durch Beschluss gemäß § 132 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
Das FG hat den Beschwerdeführer zu Recht gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 FGO als Bevollmächtigten zurückgewiesen, weil er nach den Vorschriften des StBerG nicht zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt war (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 10. September 1999 XI R 31/98, BFH/NV 2000, 326, 327).
In der Sache schließt sich der erkennende Senat den rechtlichen Ausführungen des VII. Senats des BFH im Beschluss vom 11. Februar 2003 VII B 330/02, VII S 41/02 (BFH/NV 2003, 714), der ebenfalls den Beschwerdeführer betrifft, an.
1. a) Der Beschwerdeführer war nicht nach § 3 Nr. 1 StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt, weil seine Bestellung als Steuerberater zum maßgebenden Zeitpunkt durch Bescheid des Finanzministeriums bestandskräftig widerrufen worden war. Der Widerrufsbescheid ist durch rechtskräftiges Urteil des FG bestätigt worden. Die gegen das Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der BFH mit Beschluss vom 1. August 2002 VII B 35/02 (BFH/NV 2002, 1499) als unbegründet zurückgewiesen.
b) Zutreffend hat das FG ausgeführt, das vom Beschwerdeführer angestrengte Wiederaufnahmeverfahren gegen den Beschluss des BFH in BFH/NV 2002, 1499 (§ 134 FGO i.V.m. § 580 Nr. 5 der Zivilprozessordnung ―ZPO―) berühre weder die Rechtskraft dieses Beschlusses noch die Bestandskraft des Widerrufsbescheides. Selbst wenn einer Wiederaufnahmeklage ein rechtsmittelähnlicher Charakter zukommt, so ist sie kein ordentliches Rechtsmittel, das den Eintritt der Rechtskraft des BFH-Beschlusses suspendiert (vgl. Offerhaus in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 134 FGO Rz. 5, m.w.N.). Solange die Wiederaufnahmeklage keinen Erfolg hat, bleibt es bei der Rechtskraft des BFH-Beschlusses in BFH/NV 2002, 1499 und somit auch bei der Bestandskraft des Widerrufsbescheides (vgl. BFH-Urteil vom 30. Oktober 1967 VI K 1/67, BFHE 90, 454, BStBl II 1968, 119).
c) Der gegen den Beschluss des BFH in BFH/NV 2002, 1499 eingelegten Verfassungsbeschwerde kommt als außerordentlichem Rechtsbehelf ebenfalls keine rechtskrafthemmende Wirkung zu (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― vom 18. Januar 1996 1 BvR 2116/94, BVerfGE 93, 381, Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 1996, 1736). Im Übrigen ist die vom Beschwerdeführer erhobene Verfassungsbeschwerde gemäß §§ 93a, 93b des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) nicht zur Entscheidung angenommen worden (Beschluss des BVerfG vom 4. Dezember 2002 1 BvR 2046/02).
d) Auch eine in Aussicht genommene Beschwerde nach Art. 34 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl II 1952, 685 i.d.F. des Protokolls Nr. 11, BGBl II 1995, 578) könnte schon deshalb nichts an der Rechtskraft des Beschlusses des BFH in BFH/NV 2002, 1499 ändern, weil sie ―abgesehen davon, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte keine kassatorische Entscheidung treffen kann― ebenfalls keinen Suspensiveffekt hat (vgl. Zöller/Geimer, Zivilprozessordnung, 23. Aufl., Einleitung Rdnr. 136).
2. Ebenso wenig ist der Beschwerdeführer nach § 3 Nr. 4 StBerG berechtigt, den Klägern in ihren Steuerverfahren Hilfe zu leisten. Nach den Sätzen 1 und 2 dieser Vorschrift sind Personen …, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Deutschland beruflich niedergelassen sind und dort befugt geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen nach dem Recht des Niederlassungsstaates leisten, zur Hilfeleistung in Steuersachen auch im Inland befugt, soweit sie damit eine Dienstleistung nach Art. 50 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrages von Nizza (EG) vom 26. Februar 2001 (konsolidierte Fassung: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― 2002, Nr. C 325/1) erbringen. Sie dürfen dabei nur unter der Berufsbezeichnung in den Amtssprachen des Niederlassungsstaates tätig werden, unter der sie ihre Dienste im Niederlassungsstaat anbieten. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt der Beschwerdeführer im Streitfall nicht.
Selbst wenn der Beschwerdeführer in Übereinstimmung mit § 3 Nr. 4 Satz 2 StBerG als Belastingadviseur oder Belastingconsulent ―was allerdings nach Aktenlage nicht zweifelsfrei ist― aufgetreten wäre, dürfte er den Klägern keine Hilfe in ihrem Steuerverfahren leisten, weil es sich hierbei nicht um eine grenzüberschreitende, vorübergehende Dienstleistung handelt.
Nach § 3 Nr. 4 Satz 1 StBerG ist nur die grenzüberschreitende Hilfeleistung in Steuersachen, d.h. die Hilfeleistung durch einen in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Empfängers ansässigen Dienstleister gestattet. Diese Auslegung ergibt sich aus der Bezugnahme in dieser Vorschrift auf Art. 50 EG und aus Art. 49 EG. Denn nach Art. 49 EG sind nur solche Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige von Mitgliedstaaten verboten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind. Dienstleistungen i.S. des Art. 50 EG sind zeitlich beschränkte Leistungen, die ohne dauerhafte Niederlassung (nach Art. 50 Abs. 3 EG: "vorübergehend") in dem betreffenden Mitgliedstaat erbracht werden (vgl. Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ―EuGH― vom 4. Dezember 1986 Rs. 205/84, EuGHE 1986, 3755, 3801 Rdnr. 21; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 80 AO 1977 Rz. 75 b). Sind Dienstleistungserbringer und -empfänger in demselben Mitgliedstaat ansässig, so liegt keine grenzüberschreitende Dienstleistung i.S. der Art. 49, 50 EG vor (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., 10. Aufl., § 80 AO 1977 Rz. 314). Der Dienstleister ist als Angehöriger eines anderen Mitgliedstaates in diesem Fall nicht durch die Dienstleistungsfreiheit, sondern nach den Regeln der Niederlassungsfreiheit geschützt und muss die Anforderungen an die Bestellung als Steuerberater im Mitgliedstaat seiner Niederlassung erfüllen (vgl. EuGH in EuGHE 1986, 3755, 3801 Rdnr. 22; Metzner, Anmerkung zu Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 5. Oktober 2000 6 U 97/98, Die Steuerberatung 2001, 177; Späth, Bonner Handbuch der Steuerberatung, § 3 StBerG, B 61.2); Erleichterungen bestehen insoweit allein nach § 37a Abs. 2 StBerG.
Im Streitfall bestehen keine Zweifel, dass sowohl die Kläger als auch der Beschwerdeführer in Deutschland ansässig sind und dass die Dienstleistung (Prozessführung) ebenfalls hier erbracht worden ist. Sofern der Beschwerdeführer außerdem ggf. in den Niederlanden und Belgien ein Büro unterhält, ist dies in diesem Zusammenhang schon deswegen unbeachtlich, weil sich daraus keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer statt in Deutschland in den Niederlanden oder Belgien niedergelassen sein könnte und in Deutschland lediglich vorübergehend i.S. des Art. 50 Abs. 3 EG geschäftsmäßig Dienstleistungen erbringt.
Der Senat sieht in der unterschiedlichen Behandlung von "niedergelassenen europäischen Rechtsanwälten" und "europäischen niedergelassenen Steuerberatern" durch § 3 Nr. 1 StBerG entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers keine dem EG-Vertrag widersprechende diskriminierende Behandlung der europäischen Steuerberater gegenüber den europäischen Rechtsanwälten. Dem EG-Vertrag ist insoweit keine Vorschrift zu entnehmen, die eine Gleichbehandlung vorschreibt (vgl. die ausführliche Begründung im Beschluss des BFH vom 11. Februar 2003 VII B 330/02, VII S 41/02, a.a.O.).
Davon abgesehen verlangt die durch den EG-Vertrag geschützte Niederlassungsfreiheit (Art. 43 ff. EG) nur, dass die ―diese regelnden― Bestimmungen des einzelnen Mitgliedstaates in nicht diskriminierender Weise angewendet werden, aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, geeignet sind, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. Jürgen Bröhmer in Calliess/ Ruffert, Kommentar des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 2. Aufl., Art. 43 EG-Vertrag Rz. 27, m.w.N. zur Rechtsprechung des EuGH). Diese Grundsätze werden durch die Vorschriften des StBerG eingehalten. Die Bestimmungen des StBerG gelten, von den in § 37a Abs. 2 StBerG für Personen mit Auslandsdiplomen vorgesehenen Erleichterungen abgesehen, einheitlich für alle Personen, die im Inland ständig steuerberatend tätig werden wollen. Das BVerfG hat in seinen Beschlüssen vom 15. Februar 1967 1 BvR 569, 589/62 (BVerfGE 21, 173, 179) und vom 27. Januar 1982 1 BvR 807/80 (BStBl II 1982, 281, 286) ausgeführt, die Regelungen des StBerG über die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen seien im Allgemeininteresse geboten. An dieser Einschätzung dürfte sich im Hinblick auf das zunehmend komplizierter gewordene deutsche Steuerrecht nichts geändert haben (vgl. auch BFH-Urteil vom 19. Juli 1994 VII R 107/93, BFHE 175, 192, BStBl II 1994, 875).
In Anbetracht der vorgenannten Gesichtspunkte ist davon auszugehen, dass weder die in Art. 43 ff. EG gewährleistete Niederlassungsfreiheit noch die durch Art. 49 ff. EG gewährleistete Dienstleistungsfreiheit beeinträchtigt wird. Insoweit bestehen auch keine Zweifel an der Auslegung der maßgebenden Vorschriften des EG-Vertrages (Art. 234 Abs. 1 Buchst. a EG), so dass ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 Abs. 3 EG entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht geboten ist.
Soweit der Beschwerdeführer behauptet, § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG verstoße gegen die europarechtlichen Grundsätze des Gleichbehandlungsgebotes bzw. des Diskriminierungsverbotes, weil seine Berufsfreiheit anders als in den anderen Mitgliedstaaten von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen abhängig gemacht werde, stellt sich diese Frage in diesen Beschwerdeverfahren nicht. Über den Widerruf der Bestellung des Beschwerdeführers als Steuerberater wegen Vermögensverfalls ist in einem eigenständigen Verfahren ―wie ausgeführt― rechtskräftig entschieden worden. Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das finanzgerichtliche Urteil, durch das der Widerruf bestätigt worden ist, hat der VII. Senat des BFH als unzulässig verworfen und u.a. unter Bezugnahme auf die dort zitierte Rechtsprechung des EuGH ausgeführt, dass Fragen sog. Inländerdiskriminierung keine Angelegenheit des Gemeinschaftsrechts, sondern allein des nationalen Rechts sind (Beschluss in BFH/NV 2002, 1499, 1501).
3. Die namens der Kläger erhobene Beschwerde gegen die Zurückweisung des Beschwerdeführers als Prozessbevollmächtigten ist aus den gleichen Gründen jedenfalls unbegründet wie die entsprechende Beschwerde des Beschwerdeführers.
Fundstellen
Haufe-Index 940517 |
BFH/NV 2003, 1094 |