Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzug von Kontokorrentzinsen; Verbindung mehrerer Verfahren beim GrS
Leitsatz (amtlich)
1. Entsteht eine Kontokorrentverbindlichkeit sowohl durch betrieblich als auch durch privat veranlaßte Auszahlungen oder Überweisungen, so ist bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs.1 EStG und nach § 4 Abs.3 EStG nur der betriebliche Teil des Kredits dem Betriebsvermögen zuzurechnen. Die auf diesen Teil des Kontokorrentkredits entfallenden Schuldzinsen dürfen als Betriebsausgaben abgezogen werden.
2. Über die Verbindung mehrerer beim Großen Senat anhängiger Verfahren entscheidet der Große Senat in seiner Stammbesetzung.
Orientierungssatz
1. Eine Vorlage an den Großen Senat gemäß § 11 Abs. 3 FGO setzt voraus, daß aus dem Inhalt des Vorlagebeschlusses die Entschlossenheit des vorlegenden Senats ersichtlich ist, die Rechtsauffassung eines anderen Senats preisgeben zu wollen (vgl. Rechtsprechung: BFH, BSG).
2. Welche Schätzungsmethode dem Ziel, die Besteuerungsgrundlagen möglichst wirklichkeitsnah zu bestimmen, am besten gerecht wird, ist grundsätzlich eine Frage der Tatsachenfeststellung, an die der BFH ―gleich der Schätzung in ihrer Gesamtheit― als Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, sofern diese Feststellungen nicht auf einem Rechtsirrtum oder einem Verfahrensmangel beruhen. Den materiellen Rechtsfehlern stehen dabei Verstöße gegen die angewandte Schätzungsmethode, gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze und anerkannte Schätzungsgrundsätze gleich (vgl. BFH-Rechtsprechung).
3. Aus der Lebenserfahrung gewonnene tatsächliche Vermutungen dienen lediglich dazu, einen im Hinblick auf das Vorliegen rechtlich erheblicher Tatsachen nicht näher aufklärbaren Sachverhalt auf der Grundlage feststehender Hilfstatsachen (Beweisanzeichen) zu würdigen. Sie entbinden weder das FA noch das FG davon, die im Einzelfall gegebenen Umstände zu ermitteln (vgl. BFH-Urteil vom 20.12.1988 VIII R 121/83).
4. Die dem Steuerpflichtigen im Rahmen der Sachverhaltsermittlung durch FA oder FG zumutbare Mitwirkungspflicht erfährt u.a. dann eine Steigerung, wenn die steuerrechtliche Würdigung des Sachverhalts die Abgrenzung privater und betrieblicher Aufwendungen erfordert. Dabei hat er durch die Anführung von Tatsachen den Zusammenhang der Aufwendungen mit dem Betrieb darzutun und auf Verlangen entsprechende Nachweise (Unterlagen) vorzulegen. Der Umfang dieser Pflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Genügt der Steuerpflichtige den durch die Gestaltung seiner Verhältnisse bedingten und ihm deshalb auch zumutbaren Mitwirkungspflichten nicht in vollem Umfang, tritt hierdurch zugleich eine Begrenzung der Pflicht des FA oder des FG ein, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (vgl. BFH-Rechtsprechung; Literatur).
5. Schuldzinsen sind nur dann als Betriebsausgaben oder Werbungskosten anzuerkennen, wenn sie ―wie § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG für den Bereich der Überschußeinkünfte klarstellt― in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer der Einkunftsarten des EStG stehen.
6. Schuldzinsen können auch dann als Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn die Darlehensmittel dem Erwerb von gewillkürtem Betriebsvermögen dienen.
7. Eine betrieblich veranlaßte Verbindlichkeit behält diese Eigenschaft in der Regel bis zu ihrem Erlöschen. Eine Betriebsschuld wird jedoch in das Privatvermögen überführt, wenn der Steuerpflichtige mit dem Darlehen ein betrieblichen Zwecken dienendes Wirtschaftsgut erwirbt und dieses zu einem späteren Zeitpunkt dem Betrieb entnimmt. Gleiches gilt, wenn die Darlehensmittel ―entgegen der ursprünglichen Absicht― für private Zwecke verwende28.6.1982 II ZR 69/81). Sie wirkt jedoch wirtschaftlich wie eine solche. Der (unbeschränkt steuerpflichtige) Anteilseigner erhält aufgrund der Ausschüttung neben der Dividende einen sonstigen Vorteil i.S. des § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG (vgl. BFH-Beschluß vom 9.2.1982 I R 31/86). Der Höhe nach entspricht der sonstige Vorteil des (unbeschränkt steuerpflichtigen) Anteilseigner der bei der Kapitalgesellschaft herzustellenden Ausschüttungsbelastung.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1; FGO § 121; EStG § 4 Abs. 3; FGO § 73 Abs. 1; EStG § 4 Abs. 4; FGO § 11 Abs. 3; EStG § 5 Abs. 1; FGO § 118 Abs. 2; EStG § 5 Abs. 5; FGO § 96 Abs. 1; EStG § 12 Nr. 1; FGO § 76 Abs. 1, § 11 Abs. 2; BGB § 781; AO 1977 §§ 88, 90, 97; EStG § 9 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Nachgehend
Tatbestand
A. Sachverhalte und Anrufungsbeschlüsse
I. Der IV.Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Beschluß vom 8.September 1988 IV R 97/82 (BFHE 154, 337, BStBl II 1989, 27) dem Großen Senat gemäß § 11 Abs.4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ―hilfsweise gemäß § 11 Abs.3 FGO― die folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
Kann eine Kontokorrentverbindlichkeit, die sowohl durch betrieblich als
auch durch privat veranlaßte Überweisungs- und Auszahlungsvorgänge
entstanden ist, bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs.1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) in vollem Umfang Betriebsschuld sein mit
der Folge, daß die hierauf entfallenden Zinsaufwendungen Betriebsausgaben
sind?
Mit Beschluß vom 8.September 1988 IV R 66/87 (BFHE 154, 350, BStBl II 1989, 32) hat der IV.Senat des BFH gemäß § 11 Abs.4 FGO die Vorlagefrage auf die Gewinnermittlung nach § 4 Abs.3 EStG ausgedehnt und durch weiteren Beschluß vom 18.Januar 1990 IV R 66/87 diese Vorlage gleichfalls zusätzlich auf § 11 Abs.3 FGO gestützt.
Die Vorlage IV R 97/82 wird unter dem Aktenzeichen GrS 2/88 geführt, die Vorlage IV R 66/87 trägt das Aktenzeichen GrS 3/88.
II.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) im Verfahren GrS 2/88 ist Steuerberater. Er ermittelt seinen Gewinn nach § 4 Abs.1 EStG. In den Streitjahren 1972 bis 1975 war er Eigentümer eines Einfamilienhauses, in dem er wohnte und seine Praxis betrieb.
Der Kläger hatte in den Bilanzen für die Streitjahre Kreditschulden als betriebliche Verbindlichkeiten angesetzt. Die hierauf entfallenden Zinsen machte er bei den Einkommensteuerveranlagungen für die Streitjahre als Betriebsausgaben geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) ließ aufgrund von Feststellungen einer Betriebsprüfung nur einen Teil der Zinsaufwendungen zum Abzug zu. Dabei handelte es sich u.a. um Zinsen aus Kontokorrentverbindlichkeiten. Das FA schätzte den betrieblichen Teil der Kontokorrentschulden auf 27 v.H. Nur in diesem Umfang anerkannte es die Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben.
Das FA erließ geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) hat das FA die streitigen Schuldzinsen zu Recht in einen betrieblichen und einen privaten Anteil im Wege der Schätzung aufgeteilt und die auf die private Lebensführung entfallenden Schuldzinsen nur insoweit zum Abzug zugelassen, als dies nach der bis zum 31.Dezember 1973 geltenden Regelung des § 10 Abs.1 Nr.1 EStG zulässig war.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Zu den Kontokorrentverbindlichkeiten führt er aus, nach dem BFH-Urteil vom 24.Mai 1984 IV R 221/83 (BFHE 141, 316, BStBl II 1984, 706) seien auch die zur Tilgung der Einkommensteuer entnommenen Kredite keine Privatschulden und die hierauf entfallenden Zinsanteile Betriebsausgaben.
III.
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) im Verfahren GrS 3/88 sind verheiratet und wurden in den Streitjahren 1979 und 1981 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann (Kläger) betrieb eine freiberufliche Arztpraxis. Seinen Gewinn ermittelte er durch Einnahmen-Überschußrechnung nach § 4 Abs.3 EStG. Er unterhielt in den Streitjahren bei einer Bank ein Kontokorrentkonto, über das die beruflichen, daneben aber auch private Zahlungsvorgänge abgewickelt wurden. Zur Einkommensteuerveranlagung für die Streitjahre machte er die von ihm aufgewendeten Kontokorrentzinsen als Betriebsausgaben geltend.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) erkannte den Abzug der Zinsen nur zum Teil an. Er war der Meinung, nur die betrieblich veranlaßten Zinsaufwendungen seien als Betriebsausgaben abziehbar.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte im Streitpunkt Erfolg. Eine unterschiedliche Handhabung des Betriebsausgabenabzugs je nach der Art der Gewinnermittlung hielt das FG nicht für überzeugend.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe den Begriff der Betriebsausgaben nicht zutreffend gewürdigt.
IV.
1. a) Nach bisheriger Ansicht des IV.Senats ist die bei einer Gewinnermittlung nach § 5 Abs.1, § 4 Abs.1 EStG im Jahresabschluß festgestellte Kontokorrentschuld der betrieblichen Sphäre zuzurechnen, wenn das Kontokorrentkonto der Abwicklung des laufenden betrieblichen Geldverkehrs dient. Das gelte auch dann, wenn über das betriebliche Kontokorrentkonto außerbetriebliche Einzahlungen und Auszahlungen abgewickelt würden (BFH-Urteil vom 23.Juni 1983 IV R 192/80, BFHE 139, 50, BStBl II 1983, 725), insbesondere, wenn durch die Entstehung oder Erhöhung des betrieblichen Kontokorrentkredits private Entnahmen finanziert würden. Es bestehe eine Vermutung dafür, daß eine Kreditaufnahme über ein solches Konto betrieblich veranlaßt sei. Die grundsätzliche Zurechnung des Kontokorrentkredits zur betrieblichen Sphäre werde allerdings für gewisse Fälle eingeschränkt. Die durch Entnahme bedingten Kreditaufnahmen hätten dann keinen betrieblichen Charakter, wenn "bei wirtschaftlicher Betrachtung klar erkennbar ist, daß mit der Erhöhung des Schuldsaldos ein Kredit für außerbetriebliche Zwecke aufgenommen wird"; ein solcher Fall sei "bei außergewöhnlichen Aufwendungen zu privaten Zwecken" (etwa für den Bau eines Privathauses) anzunehmen. Nicht als "außergewöhnliche Aufwendungen zu privaten Zwecken", sondern als Aufwendung für den "typischen Lebensbedarf" hatte der vorlegende Senat in Anwendung dieser Grundsätze die Entrichtung von Einkommen- und Körperschaftsteuer angesehen; eine durch derartige Zahlungen bedingte Erhöhung des Kontokorrentkredits stehe dem betrieblichen Charakter der Schuld nicht entgegen (Urteil in BFHE 141, 316, BStBl II 1984, 706).
b) Zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs.3 EStG hat der IV.Senat mit Urteil vom 23.Juni 1983 IV R 185/81 (BFHE 139, 56, BStBl II 1983, 723) die Auffassung vertreten, daß ein Steuerpflichtiger Zinsaufwendungen für einen Kredit nur insoweit als Betriebsausgaben abziehen dürfe, als der Kredit betrieblich veranlaßt gewesen sei (§ 4 Abs.4 EStG). Diene ein Kontokorrentkonto außer zur Abwicklung des laufenden betrieblichen Geldverkehrs auch der Abwicklung von außerbetrieblichen Einnahmen und Ausgaben, so seien die Zinsen für die Inanspruchnahme eines Kontokorrentkredits nur insoweit als Betriebsausgaben abziehbar, als sie durch betrieblich veranlaßte Zahlungen entstanden seien. Soweit die Zinsen mit privat veranlaßten Zahlungen bzw. der dadurch verursachten Kreditaufnahme zusammenhingen, hätten sie keinen betrieblichen Charakter. Das führe dazu, daß bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs.3 EStG grundsätzlich alle über das Kontokorrentkonto abgewickelten Zahlungsvorgänge einzeln auf ihre betriebliche und private Veranlassung und auf die zinsmäßigen Auswirkungen zu untersuchen seien. Die Abgrenzung zwischen betrieblich und außerbetrieblich veranlaßten Zinsaufwendungen könne ―sofern nach den gegebenen Umständen nicht eine einfachere Aufteilung möglich sei― mit Hilfe der Zinszahlenstaffelmethode durchgeführt werden.
2. Der vorlegende Senat will an dieser Rechtsprechung nicht mehr uneingeschränkt festhalten. Dabei ergeben sich Unterschiede in den Begründungen zwischen der Mehrheits- und einer Minderheitsmeinung des vorlegenden Senats.
a) Zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG ist die Mehrheit der Ansicht, daß eine Kontokorrentschuld als Betriebsschuld anzusehen sei, wenn das Kontokorrentkonto der Abwicklung des laufenden betrieblichen Geldverkehrs diene; daran ändere sich nichts, wenn über dieses Konto auch private Entnahmen finanziert würden. Dies gelte unabhängig davon, ob sich eine Vermutung für die betriebliche Veranlassung der Schuld begründen lasse oder nicht. Nicht nur die auf "gewöhnliche" Privataufwendungen entfallenden Teile des Kontokorrentkredits, sondern jede privat veranlaßte Kreditaufnahme könne zu einer Betriebsschuld führen. An der bisher vertretenen Einschränkung, daß entnahmebedingte Kreditaufnahmen keinen betrieblichen Charakter hätten, "wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung klar erkennbar ist, daß mit der Erhöhung des Schuldsaldos ein Kredit für außerbetriebliche Zwecke aufgenommen wird", sei nicht mehr festzuhalten. Die Entstehung oder Erhöhung einer Kontokorrentverbindlichkeit durch private Überweisungs- und Auszahlungsvorgänge könne lediglich dann nicht mehr als betrieblich veranlaßte Kreditaufnahme angesehen werden, wenn der Betrieb überschuldet sei.
Nach der Minderheitsmeinung des vorlegenden Senats läßt sich eine Kontokorrentverbindlichkeit ohne weiteres in einen betrieblichen und einen privaten Teil zerlegen. Insoweit gelte nichts anderes als für andere Kreditverbindlichkeiten. In einem solchen Fall sei nur der betriebliche Teil des Kredits dem Betriebsvermögen zuzurechnen (Urteil vom 19.März 1981 IV R 169/80, BFHE 133, 383, BStBl II 1983, 721). Werde dagegen über das Kontokorrentkonto eine Vielzahl von betrieblichen und privaten Vorgängen abgewickelt und lasse sich wegen des Umfangs der Kontenbewegungen nicht ohne weiteres bestimmen, welcher Teil der am Ende der Verrechnungsperiode ausgewiesenen Schuld dem betrieblichen und welcher dem privaten Bereich zuzuordnen sei, so sei dies auf andere Weise festzustellen. Als ein zur Aufteilung geeignetes Verfahren komme die Zinszahlenstaffelmethode in Betracht (vgl. Urteil in BFHE 139, 56, BStBl II 1983, 723). Da sich die Anwendung dieser Methode in der Praxis als schwierig erwiesen habe, bestünden keine Bedenken, in geeigneten Fällen die Höhe des betrieblichen und des privaten Teils der Schuld im Wege der Schätzung (§ 162 Abs.1 der Abgabenordnung ―AO 1977―) zu ermitteln.
b) Zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ist der vorlegende Senat nunmehr übereinstimmend der Ansicht, daß die unterschiedliche Berücksichtigung von Zinsaufwendungen je nach Art der Gewinnermittlung nicht zutreffend sei, da die Gewinnermittlung nach § 4 Abs.3 EStG zu dem gleichen Totalergebnis führen müsse wie die Gewinnermittlung nach § 4 Abs.1 (§ 5 Abs.1) EStG (BFH-Urteil vom 16.Januar 1975 IV R 180/71, BFHE 115, 202, BStBl II 1975, 526). Daraus sei zu folgern, daß auch der Abzug von Kontokorrentzinsen bei beiden Arten der Gewinnermittlung gleich zu beurteilen sei. Die Meinungen im vorlegenden Senat gehen jedoch in der Frage auseinander, wie die Gleichheit beim Abzug der Zinsaufwendungen herzustellen sei.
Die Mehrheit des Senats vertritt die Auffassung, daß ebenso wie bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs.1 (§ 5 Abs.1) EStG eine Kontokorrentverbindlichkeit Betriebsschuld sei, wenn das Kontokorrentkonto der Abwicklung des laufenden betrieblichen Geldverkehrs diene; daran ändere sich nichts, wenn über dieses Konto auch private Entnahmen finanziert würden. Dies gelte unabhängig davon, ob sich eine Vermutung für die betriebliche Veranlassung der Schuld begründen lasse oder nicht. Nicht nur die "auf gewöhnliche" Privataufwendungen entfallenden Teile des Kontokorrentkredits, sondern jede privat veranlaßte Kreditaufnahme führe zu einer Betriebsschuld.
Die Minderheitsmeinung stützt ihre Auffassung, daß sich eine Kontokorrentverbindlichkeit ohne weiteres in einen betrieblichen und einen privaten Teil zerlegen lasse, auf die gleichen Erwägungen wie zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs.1 EStG.
3. Die grundsätzliche Bedeutung folgert der vorlegende Senat aus den unterschiedlichen Auffassungen einzelner Senate des BFH zu den Vorlagefragen, der Vielzahl kritischer Veröffentlichungen zu der bisherigen Rechtsprechung des BFH und deren teilweiser Ablehnung durch den Bundesminister der Finanzen ―BMF― (Schreiben vom 27.Juli 1987 IV B 2 - S 2134 - 1/87, BStBl I 1987, 508). Sowohl mit seiner Mehrheitsmeinung als auch mit seiner Minderheitsmeinung weiche er außerdem von den BFH-Urteilen vom 17.April 1985 I R 101/81 (BFHE 143, 563, BStBl II 1985, 510) und vom 5.Juni 1985 I R 289/81 (BFHE 144, 57, BStBl II 1985, 619) sowie von dem Urteil vom 13.Dezember 1984 VIII R 258/80 (BFH/NV 1985, 24) ab. Der I. und der VIII.Senat hätten der Abweichung nicht zugestimmt.
4. Der BMF ist dem Verfahren beigetreten. Seine Auffassung stimmt im wesentlichen mit derjenigen der Minderheitsmeinung des vorlegenden Senats überein.
5. Im Verfahren GrS 2/88 haben der Kläger und das FA zu der Vorlagefrage nicht Stellung genommen. Im Verfahren GrS 3/88 haben sich die Kläger mit Schriftsatz vom 13.Juli 1989 zur Vorlagefrage geäußert. Das FA hat auf eine Stellungnahme in diesem Verfahren verzichtet.
B. Entscheidung des Großen Senats zu
den verfahrensrechtlichen Fragen
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensverbindung und Entsendungsrecht
1. Der Große Senat beschließt in seiner Stammbesetzung (§ 11 Abs.2 Satz 1 FGO) und ohne mündliche Verhandlung (Art.1 Nr.2 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ―BFHEntlG―) darüber, welche Senate gemäß § 11 Abs.2 Satz 2 FGO berechtigt sind, einen weiteren Richter zu entsenden (vgl. BFH-Beschluß vom 28.November 1988 GrS 1/87, BFHE 154, 556, BStBl II 1989, 164, unter B I.). Er hat gleichfalls in der Stammbesetzung die Verfahren GrS 2/88 und GrS 3/88 zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden (vgl. § 73 Abs.1 FGO). Das Steuergeheimnis steht der Verbindung nicht entgegen (§ 30 Abs.4 Nr.1 i.V.m. Abs.2 Nr.1 a AO 1977; BFH-Beschluß vom 28.November 1977 GrS 2-3/77, BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105). Die Entscheidung über eine Verbindung von Verfahren hängt untrennbar mit der Entscheidung über das Entsendungsrecht einzelner Senate zusammen, da sich das Entsendungsrecht eines Senats für einen Teil der Verfahren durch die Verbindung auch auf die übrigen verbundenen Verfahren erstreckt. Ist andererseits ein Senat in mehreren beim Großen Senat anhängigen Vorlageverfahren entsendungsberechtigt, führt die Verbindung dieser Verfahren dazu, daß er nur einen weiteren Richter entsenden darf. Der Große Senat hält an der bisherigen Praxis, daß über die Verbindung von Verfahren in der erweiterten Besetzung befunden wird (BFH-Beschluß vom 25.Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, 412, BStBl II 1984, 751), nicht mehr fest.
2. Bei Prüfung der Entsendungsfrage ist der Große Senat an den vom IV.Senat in erster Linie geltend gemachten Anrufungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 11 Abs.4 FGO) nicht gebunden, da der IV.Senat die Vorlagen hilfsweise auf eine Abweichung i.S. von § 11 Abs.3 FGO gestützt hat und die Vorlagen wegen Divergenz mit Rücksicht auf das weitergehende Entsendungsrecht (§ 11 Abs.2 Satz 2 FGO) gesetzlich vorrangig sind (vgl. BFH-Beschluß vom 10.November 1980 GrS 1/79, BFHE 132, 244, BStBl II 1981, 164, B I. 1.).
3. Der Annahme einer Abweichung i.S. von § 11 Abs.3 FGO steht vorliegend nicht entgegen, daß die Mitglieder des IV.Senats hinsichtlich der Zuordnung einer Kontokorrentverbindlichkeit zum Betriebsvermögen keine einheitliche Rechtsauffassung vertreten und dies in dem Anrufungsbeschluß durch die Darstellung einer Mehrheits- und Minderheitsmeinung zum Ausdruck gebracht haben. Eine Vorlage an den Großen Senat gemäß § 11 Abs.3 FGO setzt voraus, daß aus dem Inhalt des Vorlagebeschlusses die Entschlossenheit des vorlegenden Senats ersichtlich ist, die Rechtsauffassung eines anderen Senats preisgeben zu wollen (Beschlüsse des Bundessozialgerichts ―BSG― vom 24.Juni 1985 GS 1/84, BSGE 58, 183, 187; vom 21.Juli 1977 GS 1/76, GS 2/76, BSGE 44, 151, 153; vgl. auch BFH-Beschluß vom 18.Januar 1971 GrS 5/70, BFHE 101, 18, BStBl II 1971, 244, unter I. 2. a.E.). Den Vorlagebeschlüssen läßt sich mit hinreichender Sicherheit entnehmen, daß der IV.Senat sich im Sinne der "Mehrheitsmeinung" eine im Wege der Abstimmung abschließend ermittelte Rechtsauffassung gebildet hat. Der vorlegende Senat hat sich im Zusammenhang mit der Begründung für das Vorliegen einer Divergenz auf seine Anfragen beim I. und VIII.Senat berufen. Diese Anfragen beruhen auf der späteren "Mehrheitsmeinung" des IV.Senats.
4. Ausgehend von der Rechtsauffassung, nach der grundsätzlich jede Abwicklung einer privat veranlaßten Darlehensaufnahme über das betriebliche Kontokorrentkonto zur Entstehung einer Betriebsschuld führt und die angefallenen Kontokorrentzinsen mithin in vollem Umfang Betriebsausgaben sind, ergeben sich Abweichungen gegenüber Urteilen des I., III., VIII. und IX.Senats. Diese Senate sind ―neben dem vorlegenden IV.Senat― berechtigt, einen weiteren Richter zur Sitzung des Großen Senats zu entsenden.
a) Der IV.Senat würde mit einer auf dieser Ansicht beruhenden Entscheidung von den Urteilen des I.Senats des BFH in BFHE 143, 563, BStBl II 1985, 510, in BFHE 144, 57, BStBl II 1985, 619 und vom 24.März 1987 I R 214/81 (BFH/NV 1988, 223) abweichen, denen zufolge der Schuldsaldo eines betrieblichen Kontokorrentkontos insoweit privaten Charakter besitzt, als er durch eine privat veranlaßte Kreditaufnahme ausgelöst wird.
b) Eine Divergenz besteht ferner gegenüber dem Urteil des III.Senats vom 11.Dezember 1987 III R 260/84 (BFH/NV 1988, 359). In diesem Fall war über die Revision gegen ein Urteil des FG zu entscheiden, das eine Klage, mit der die Anerkennung von Zinsen für die Aufnahme privat veranlaßter und in der Bilanz des Klägers ausgewiesener Verbindlichkeiten als Betriebsausgaben begehrt wurde, deshalb abgewiesen hatte, weil das Kapitalkonto des Betriebsinhabers stets negativ gewesen war. Der III.Senat hat das Urteil des FG aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen. Dabei hat der III.Senat die Anerkennung einer Schuld als betrieblich u.a. davon abhängig gemacht, daß die Barmittel nicht für eine außergewöhnliche private Verwendung größeren Umfangs entnommen wurden. Von diesem Obersatz will der vorlegende Senat abweichen.
c) Die vom IV.Senat mehrheitlich vertretene Rechtsauffassung weicht ferner u.a. von dem Urteil des VIII.Senats in BFH/NV 1985, 24 ab. Nach dieser Entscheidung liegt eine Privatschuld vor, wenn der Kontokorrentkredit für eine außergewöhnliche private Verwendung größeren Umfangs aufgenommen wird.
d) Schließlich besteht eine Divergenz gegenüber dem Urteil vom 7.Oktober 1986 IX R 65/82 (BFH/NV 1987, 151). Danach ist im Fall der Gewinnermittlung nach § 4 Abs.3 EStG der Abzug von Kontokorrentzinsen als Betriebsausgaben nur insoweit zulässig, als die Zahlungen, auf die die Kontokorrentschuld zurückzuführen ist, betrieblich veranlaßt sind. Das Entsendungsrecht, das nur die Vorlage betr. Gewinnermittlung nach § 4 Abs.3 EStG betrifft, erstreckt sich durch die Verbindung der Verfahren GrS 2/88 und GrS 3/88 auch auf die Vorlagesache GrS 2/88.
5. Der I., III., IV., VIII. und IX.Senat haben auf Anfrage des Großen Senats von ihrem Entsendungsrecht Gebrauch gemacht.
II. Weitere Verfahrensfragen
Über die weiteren Verfahrensfragen entscheidet der Große Senat in seiner erweiterten Besetzung.
1. Eine mündliche Verhandlung ist nicht erforderlich. Ob der Große Senat eine mündliche Verhandlung anberaumt, steht in seinem Ermessen (Art.1 Nr.2 BFHEntlG). Den Beteiligten wurde Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Die Beteiligten haben keine mündliche Verhandlung beantragt. Eine weitere Förderung des Verfahrens durch mündliche Verhandlung ist nicht zu erwarten.
2. Die vorgelegten Rechtsfragen sind entscheidungserheblich.
Legt man im Verfahren GrS 2/88 die Mehrheitsmeinung des IV.Senats zugrunde, ist die Revision des Klägers begründet. Bei einer Aufteilung der Schuldzinsen unter dem Gesichtspunkt teils betrieblicher, teils privater Veranlassung (so im Grundsatz die Auffassung des I.Senats) ist die Revision unbegründet oder müßte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG führen.
Folgt man in der Sache GrS 3/88 der Auffassung der Mehrheitsmeinung, daß bei einem Steuerpflichtigen mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs.3 EStG eine Kontokorrentverbindlichkeit, die sowohl durch betrieblich als auch privat veranlaßte Überweisungs- und Auszahlungsvorgänge entstanden ist, in vollem Umfang Betriebsschuld sein könne und die hierauf entfallenden Zinsaufwendungen Betriebsausgaben seien, ist die Revision des FA unbegründet. Geht man von der Auffassung der bisherigen BFH-Rechtsprechung aus, ist die Revision begründet. Das FG-Urteil müßte aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.
3. Der I. und der VIII.Senat haben auf Anfrage (§ 2 Abs.2 der Geschäftsordnung des BFH) erklärt, daß sie der im Vorlagebeschluß GrS 2/88 vertretenen Rechtsauffassung nicht zustimmen. Allein diese Erklärungen sind rechtserheblich (BFH-Beschlüsse vom 21.Oktober 1985 GrS 2/84, BFHE 145, 147, BStBl II 1986, 207, B I. 2.; vom 12.Juni 1978 GrS 1/77, BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620, C II. 2.). Damit erübrigt es sich auch, weitere Stellungnahmen einzuholen (vgl. Beschluß des Großen Senats vom 24.Juni 1985 GrS 1/84, BFHE 144, 124, BStBl II 1985, 587).
C. Entscheidung des Großen Senats über die
vorgelegte Rechtsfrage
I. Auffassungen der Rechtsprechung, des Schrifttums und der Finanzverwaltung
1. Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
Nach Wegfall des Sonderausgabenabzugs für private Schuldzinsen ab dem Veranlagungszeitraum 1974 durch das Steueränderungsgesetz 1973 (StÄndG 1973) vom 26.Juni 1973 (BGBl I, 676, BStBl I 1973, 545) waren die Ansichten zur steuerrechtlichen Qualifikation von Kontokorrentverbindlichkeiten in der Rechtsprechung des BFH geteilt.
a) Nach der ―bis zum Ergehen der anhängigen Vorlagebeschlüsse― vom IV.Senat vertretenen Auffassung bedurfte es dabei der Unterscheidung nach der Art der Gewinnermittlung:
Im Fall der Überschußrechnung gemäß § 4 Abs.3 EStG seien alle über das Kontokorrentkonto abgewickelten Zahlungsvorgänge einzeln auf ihre betriebliche oder private Veranlassung zu untersuchen (vgl. hierzu A.IV.1.b, sowie Urteile in BFHE 133, 383, BStBl II 1983, 721; in BFHE 139, 56, BStBl II 1983, 723). Sofern sich jedoch für "gemischte" Zinsaufwendungen keine Merkmale, die eine objektiv und leicht nachprüfbare Trennung ermöglichten, finden ließen, gelte auch insoweit das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr.1 Satz 2 EStG (Urteil vom 13.März 1986 IV R 118/84, BFH/NV 1986, 466). Anders sei die Frage zu entscheiden, wenn der Gewinn nach § 4 Abs.1 EStG ermittelt werde (siehe hierzu A.IV.1.a). Die Rechtsprechung des IV.Senats ist durch die Urteile des VIII.Senats in BFH/NV 1985, 24, vom 12.September 1985 VIII R 336/82 (BFHE 145, 327, BStBl II 1986, 255), vom 25.Juni 1985 VIII R 338/82 (BFH/NV 1986, 88) und durch das Urteil des III.Senats in BFH/NV 1988, 359 bestätigt worden.
b) Demgegenüber ist nach Auffassung des I.Senats (Urteile in BFHE 143, 563, BStBl II 1985, 510; in BFHE 144, 57, BStBl II 1985, 619 und in BFH/NV 1988, 223) auch die Zuordnung einer Kontokorrentverbindlichkeit zum Betriebs- oder Privatvermögen grundsätzlich vom Anlaß ihrer Entstehung abhängig. Eine solche Verbindlichkeit könne ―gleich der Behandlung sonstiger nicht kontokorrentgebundener Kredite― nur dann als Betriebsschuld qualifiziert werden, wenn der sie auslösende Vorgang im betrieblichen Bereich liege. Würden Entnahmen aus Darlehensmitteln finanziert, so sei eine betriebliche Veranlassung nicht gegeben.
Eine hiernach dem Privatvermögen zuzuordnende Verbindlichkeit könne jedoch unter bestimmten Voraussetzungen durch Umschuldung zu einer Betriebsschuld werden. Dabei sei davon auszugehen, daß der Steuerpflichtige berechtigt sei, einerseits sämtliche in seinem Betrieb als Einnahmen erzielten Betriebsmittel zu entnehmen und andererseits alle anfallenden Betriebsausgaben und Anschaffungskosten durch Darlehen zu finanzieren. Demgemäß könne er auch laufend Barmittel entnehmen, um sie zur Tilgung des aufgenommenen (privaten) Kontokorrentkredits zu verwenden und in gleicher Höhe ein neues Darlehen aufnehmen, um auf diese Weise sein Betriebsvermögen umzuschichten. Wirtschaftlich gesehen könne der Steuerpflichtige anstelle der Tilgung des einen und der Neuaufnahme des anderen Darlehens auch den Verwendungszweck des ersten Darlehens verändern, um auf diese Weise seine Privatschuld durch eine Betriebsschuld zu ersetzen. Eine solche Umschuldung sei steuerrechtlich anzuerkennen, wenn eine entsprechende Absicht, z.B. durch die bilanzielle Behandlung der Darlehensverbindlichkeit, hinreichend klar zum Ausdruck komme.
2. Auffassungen des Schrifttums
a) Nach Aufhebung des Sonderausgabenabzugs für private Schuldzinsen durch das StÄndG 1973 haben die unterschiedlichen Auffassungen der Urteile des BFH Eingang in zahlreiche Stellungnahmen des Schrifttums gefunden. Nach einer Auffassung sollen negative Salden solcher Konten entsprechend der für das Veranlassungsprinzip maßgebenden Verwendung der Darlehensmittel qualifiziert werden (Sauer, Die steuerliche Betriebsprüfung ―StBp― 1976, 234; Mackenstein, Steuerwarte 1976, 113; Hirth, Steuerwarte 1976, 114; Flies, StBp 1979, 31; Weber-Grellet in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 4 D 274 f.; Clausen in Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 1986/87, S.351 ff., S.360; Meilicke, Steuerberater-Jahrbuch 1981/82, S.223 ff., S.232; Paus, Deutsche Steuer-Zeitung ―DStZ― 1985, 60). Dem steht die Ansicht gegenüber, daß Kredite, die in ein betriebliches Kontokorrentkonto eingestellt werden, grundsätzlich zur Entstehung von Betriebsschulden führen. Die Begründungen für diese Auffassung sind allerdings unterschiedlich: Von einigen Autoren wird dabei auf den betrieblichen Charakter eines solchen Kontos (so Korn, Kölner Steuerdialog 1982, 4711, 4714, m.w.N.) sowie auf die Notwendigkeit der Gleichbehandlung mit den Fällen hingewiesen, in denen der Steuerpflichtige im Anschluß an eine Entnahme eine als betrieblich anzuerkennende Verbindlichkeit eingehe. Deshalb sei auch dann, wenn die Kreditmittel unmittelbar der Finanzierung einer Entnahme dienten, davon auszugehen, daß der Betriebsinhaber nicht die aufgenommenen Kreditmittel, sondern Teile seines Eigenkapitals entnehme (Kreile/Söffing, DStZ/A 1977, 259 ff., 260; Kottke, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1977, 523, 525; ähnlich Trimpop, Finanz-Rundschau ―FR― 1976, 578). Nach anderen Stimmen in der Literatur ist hingegen die Entscheidung des Steuerpflichtigen über die Änderung der Finanzierungsstruktur seines Betriebs deshalb als betrieblich veranlaßt anzusehen, weil es dem Unternehmer freistehe, das Verhältnis von Eigen- und Fremdkapital zu bestimmen (so grundsätzlich Beater, Steuer und Wirtschaft ―StuW― 1989, 170, 174). Hieraus sowie aus dem Gesichtspunkt, daß angesichts der Abhängigkeit sämtlicher Finanzierungsvorgänge eines Wirtschaftssubjekts eine entscheidungsorientierte Zuordnung bestimmter Kreditmittel zu bestimmten Vermögensgegenständen nicht möglich sei, wird schließlich ein Recht des Steuerpflichtigen abgeleitet, Kreditverbindlichkeiten primär der Sphäre der Einkunftserzielung zuzuordnen (Siegel, StuW 1985, 207; Bareis, StuW 1986, 118; Brewi/Schön, DStR 1978, 99).
Trotz dieser Unterschiede in der Begründung stimmen die vorstehend dargelegten Auffassungen darin überein, daß sie den betrieblichen Charakter entnahmebedingter Kredite nicht schrankenlos anerkennen. Allerdings ergibt sich zu der Frage nach den Kriterien einer solchen Eingrenzung kein einheitliches Meinungsbild. Einige Autoren nehmen eine Schuldaufnahme aus privaten Gründen erst dann an, wenn und soweit im Betrieb unter Berücksichtigung stiller Reserven keine entnahmefähigen Mittel vorhanden sind (Brewi/Schön, a.a.O., S.101, 103; Trimpop, a.a.O.; Korn, Kölner Steuerdialog 1984, 5479, 5481). Zum Teil soll auf andere Gesichtspunkte abzustellen sein (Wacker in Unternehmung und Steuer, Festschrift für P. Scherpf, S.83 ff., 94; Siegel, a.a.O., S.214; Frost/Kaufmann in Frotscher, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 4 Anm.365; Bareis, a.a.O., S.121 ff.; Rudolph, DStZ 1988, 211, 215 ff.; Herden, DStZ 1981, 463, 469; Beater, a.a.O., S.178 ff.; Kottke, a.a.O.; Sauer, StRK-Anmerkung, Einkommensteuergesetz 1975, § 4 Abs.4 Rechtsspruch 132; Lempenau, Der Betrieb ―DB― 1987, 113, 114).
b) Die frühere Rechtsprechung des IV.Senats ist im Schrifttum, ungeachtet der grundsätzlichen Auffassungsunterschiede zwischen den einzelnen Autoren auch kritisiert worden.
Die vom IV.Senat angenommene Vermutung für die betriebliche Veranlassung einer über das Kontokorrentkonto abgewickelten Kreditaufnahme sei ohne Rechtsgrundlage (Tipke, Steuerrecht, 11.Aufl., 1987, S.260; Lang, StRK-Anmerkung, Einkommensteuergesetz 1975, § 4 Abs.4 Rechtsspruch 16; zustimmend Meilicke, NWB Fach 3, 5663, 5664; a.A. Weber-Grellet in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 4 D 274).
Die Kritik richtet sich ferner gegen das bei Steuerpflichtigen mit Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich zur Aussonderung privat veranlaßter Kreditaufnahmen für maßgeblich erachtete Merkmal der "außergewöhnlichen privaten Verwendung größeren Umfangs" (Frost/Kaufmann in Frotscher, a.a.O., § 4 Anm.268; Paus, DStZ 1985, 60, 63; Weber-Grellet in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 4 D 274; Siegel, a.a.O., S.207, 210 ff.).
Schließlich sei es auch nicht zu rechtfertigen, daß ―abweichend von der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich― Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nach § 4 Abs.3 EStG ermitteln, nur diejenigen Kontokorrentzinsen als Betriebsausgaben abziehen dürften, die auf betrieblich veranlaßte Zahlungsvorgänge entfielen (Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 9.Aufl., § 4 Anm.43 c und d, m.w.N.; Wolff-Diepenbrock in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, §§ 4, 5 Rdnr.2189, m.w.N.; Lempenau, a.a.O., S.115; Offergeld, DB 1984, 1168; Wirtz, DStR 1987, 184, 190; Groh, FR 1986, 393 ff., 394 f., 396 f.; Heidrich, Betriebs-Berater ―BB― 1984, 314; Bordewin in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, §§ 4 bis 5 Rz.51 g a.E.).
c) Auch die sog. Umschuldungs-Rechtsprechung des I.Senats hat in der Literatur zum Teil Zustimmung, zum Teil Widerspruch gefunden.
3. Auffassung der Finanzverwaltung
Die bisherige Rechtsprechung des IV.Senats des BFH hat auch die Finanzverwaltung angewandt (vgl. Abschn.14 a Abs.3 und 17 Abs.1 Satz 13 der Einkommensteuer-Richtlinien ―EStR― 1984; Verfügung der Oberfinanzdirektion ―OFD― Köln vom 9.Januar 1986 - S 2144 - 27 - St 113, DB 1986, 513; a.A. noch die von Kottke, a.a.O., S.525 wiedergegebene Verfügung der OFD Hamburg vom 5.Mai 1977 S 2144 - 5/77 - St 21, S 2522 - 5/77 - St 21). Die Finanzverwaltung hat in dem BMF-Schreiben vom 27.Juli 1987 IV B 2 - S 2134 - 1/87 (BStBl I 1987, 508) außerdem die folgende Ansicht vertreten: Würden im Betrieb erzielte Einnahmen zur Tilgung eines privaten Darlehens entnommen und ein neues Darlehen zur Finanzierung von betrieblichen Aufwendungen aufgenommen, so seien die Verwendung der betrieblichen Mittel zur Tilgung der Privatschuld und die Neuaufnahme der Betriebsschuld steuerrechtlich anzuerkennen. Bei betrieblichen Kontokorrentkonten, über die auch private Zahlungen abgewickelt würden, könne ausnahmsweise unterstellt werden, daß durch die laufenden Geldeingänge vorrangig die privaten Schuldanteile getilgt würden. Dies soll nach dem Schreiben des BMF vom 11.Mai 1988 IV B 2 - S 2134 - 17/88 (BB 1988, 1168) auch im Falle der Gewinnermittlung durch Überschußrechnung (§ 4 Abs.3 EStG) gelten (vgl. auch Verfügungen der OFD Münster vom 14.Juni 1988 - S 2144 - 52 - St 11 - 31, FR 1988, 441 und vom 17.Februar 1989 - S 2144 - 52 - St 11 - 31, FR 1989, 214).
II. Auffassung des Großen Senats
Entsteht eine Kontokorrentverbindlichkeit sowohl durch betrieblich als auch durch privat veranlaßte Auszahlungen oder Überweisungen, so ist nach Auffassung des Großen Senats bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs.1, § 5 und nach § 4 Abs.3 EStG nur der betriebliche Teil des Kredits dem Betriebsvermögen zuzurechnen. Nur die auf diesen Teil des Kredits entfallenden Schuldzinsen dürfen als Betriebsausgaben abgezogen werden.
1. Der Gesetzgeber hat den bis 1973 möglichen Abzug von privaten Schuldzinsen (§ 10 Abs.1 Nr.1 EStG in den bis dahin geltenden Fassungen) durch das Steueränderungsgesetz 1973 beseitigt. An diese rechtspolitische Entscheidung des Gesetzgebers sind die Gerichte gebunden. Sie haben diese Entscheidung ―soweit ihr nicht abweichende Regelungen entgegenstehen― bei der Rechtsanwendung folgerichtig zu beachten und Wertungswidersprüche zu vermeiden.
Dieser vom Gesetzgeber vorgegebene Auftrag erhält durch verfassungsrechtliche Erwägungen besonderes Gewicht. Das Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat in seiner Entscheidung vom 13.März 1979 2 BvR 72/76 (BVerfGE 50, 386 //393//, BStBl II 1979, 322 //324//) darauf hingewiesen, daß durch die nicht immer genaue Grenzziehung zwischen privater und betrieblicher Nutzung "unrechtmäßige Steuervorteile" erlangt werden könnten. Dem sei durch entsprechende Handhabung der steuerrechtlichen und strafrechtlichen Bestimmungen zu begegnen. Im Beschluß vom 13.Juni 1988 1 BvR 68/88 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ―HFR― 1989, 316) hat das BVerfG diese Aussage wiederholt. Dabei hat es offengelassen, "ob die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BFH, BStBl II 1985, 510, 512; 619, 621 …) eröffnete Möglichkeit der Umschuldung von Privat- in Betriebsschulden und die zugelassene Abwicklung privater, grundsätzlich nicht abzugsfähiger Lebenshaltungskosten … mit der Folge einer unverminderten Abzugsfähigkeit der Zinsen aus einem erhöhten Schuldenstand diesem verfassungsrechtlichen Petitum stets hinreichend genügt".
Der Große Senat gelangt in seiner nachstehend begründeten Entscheidung zu einem Ergebnis, das den Aussagen des BVerfG Rechnung trägt und Gesichtspunkte der Praktikabilität berücksichtigt.
2. Betriebsausgaben sind Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind (§ 4 Abs.4 EStG). Eine solche Veranlassung ist dann gegeben, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind (BFH-Beschlüsse vom 21.November 1983 GrS 2/82, BFHE 140, 50, BStBl II 1984, 160, 163; vom 27.November 1989 GrS 1/88, BFHE 158, 563, BStBl II 1990, 160). Nach der Rechtsprechung des BFH liegen Werbungskosten ―über den unmittelbaren Wortlaut des § 9 Abs.1 EStG hinaus― dann vor, wenn zwischen den Aufwendungen und der jeweiligen Einkunftsart ein Veranlassungszusammenhang besteht (BFH-Beschlüsse vom 27.November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213, 216; vom 28.November 1977 GrS 2-3/77, BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105; BFH-Urteile vom 1.Oktober 1982 VI R 192/79, BFHE 136, 488, BStBl II 1983, 17 ―betreffend § 19 EStG―; vom 21.Juli 1981 VIII R 154/76, BFHE 134, 113, BStBl II 1982, 37 ―betreffend § 20 EStG―; vom 23.Oktober 1984 IX R 48/80, BFHE 143, 313, BStBl II 1985, 453 ―betreffend § 21 EStG―; vom 21.Juli 1981 VIII R 32/80, BFHE 134, 124, BStBl II 1982, 41 ―betreffend § 22 EStG―, jeweils m.w.N.).
Dementsprechend sind auch Schuldzinsen nur dann als Betriebsausgaben oder Werbungskosten anzuerkennen, wenn sie ―wie § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.1 EStG für den Bereich der Überschußeinkünfte klarstellt (von Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 9 C 1; Prinz in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 9 Anm.357 m.w.N.)― in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer der Einkunftsarten des EStG stehen (s. hierzu § 21a Abs.3 Nr.1 EStG).
a) Das Vorliegen eines solchen wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen den Schuldzinsen und dem Betrieb ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH und nach Ansicht des Großen Senats grundsätzlich danach zu beurteilen, ob die Zinsen für eine Verbindlichkeit geleistet werden, die durch den Betrieb veranlaßt ist und deshalb zum Betriebsvermögen gehört. Maßgebend ist somit der tatsächliche Verwendungszweck des Darlehens (vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei von Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 9 C 30 ff.).
b) Der im Schrifttum erhobene Einwand, eine Zurechnung von Finanzierungskosten zu bestimmten Investitions- oder Konsumentscheidungen sei bei komplexen Entscheidungssituationen, also z.B. im Falle des zeitlichen Zusammentreffens einer betrieblichen Anschaffung mit einer Geldverwendung für private Zwecke, nicht möglich, ist für das Einkommensteuerrecht nicht tragend. Zwar mag es im Einzelfall zutreffen, daß für die Aufnahme eines Kredits nicht nur der unmittelbar hiermit verfolgte Zweck, sondern darüber hinaus noch weitere Umstände, wie z.B. die sonstigen Vermögensverhältnisse des Steuerpflichtigen oder die von ihm ins Auge gefaßten weiteren Investitions- oder Konsumentscheidungen, bestimmend sind. Hieraus kann jedoch nicht auf die Gleichwertigkeit dieser Beweggründe für das Einkommensteuerrecht geschlossen werden.
aa) Prägend für das deutsche Einkommensteuergesetz ist die Unterscheidung zwischen der durch die einzelnen Einkunftsarten definierten Erwerbssphäre und der der Besteuerung entzogenen Privatsphäre (Einkommensverwendung). Demgemäß bedarf es der Trennung zwischen den den jeweiligen Einkünften zuzuordnenden Erwerbsaufwendungen (Betriebsausgaben, Werbungskosten) einerseits und den ―grundsätzlich nicht abziehbaren― Kosten der Lebensführung andererseits. Anhand welcher Kriterien eine solche Zuordnung vorzunehmen ist, kann, wie der Große Senat bereits in seinem Beschluß in BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105 dargelegt hat, nicht mittels der für andere Rechtsgebiete entwickelten speziellen Zurechnungslehren beurteilt werden. Denn ebenso wie diese Zurechnungsgrundsätze Ausdruck einer eigenständigen Wertung der jeweiligen gesetzlichen Regelungen sind, so muß ―angesichts der das Einkommensteuergesetz kennzeichnenden Trennung von Erwerbs- und Privatsphäre― auch die Frage, ob Aufwendungen durch eine der Einkunftsarten veranlaßt sind, selbständig beurteilt werden.
bb) Nach dem Regelungsziel des Einkommensteuergesetzes sind Aufwendungen dann als durch eine Einkunftsart veranlaßt anzusehen, wenn sie hierzu in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Maßgeblich dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die ―wertende― Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen "auslösenden Moments" (vgl. Offerhaus, BB 1979, 617, 620; Wassermeyer, StuW 1982, 352, 358; von Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 9 B 202; Prinz in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 9 Anm.140; Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 4 Anm.7 b), zum anderen die Zuweisung dieses maßgeblichen Bestimmungsgrundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre. Ergibt diese Prüfung, daß die Aufwendungen nicht oder in nur unbedeutendem Maße auf privaten, der Lebensführung des Steuerpflichtigen zuzurechnenden Umständen beruhen, so sind sie als Betriebsausgaben oder Werbungskosten anzuerkennen und ―vorbehaltlich einer entgegenstehenden gesetzlichen Regelung― abziehbar. Andernfalls greifen die von der Rechtsprechung des BFH zu § 12 EStG entwickelten Grundsätze ein. Daß danach Schuldzinsen anhand des tatsächlichen Verwendungszwecks der Darlehensmittel der Erwerbs- oder Privatsphäre zuzuordnen sind, beruht auf diesen das steuerrechtliche Veranlassungsprinzip kennzeichnenden Merkmalen.
3. Die steuerrechtliche Qualifikation von Schulden und Schuldzinsen nach dem Veranlassungsprinzip verdrängt gemäß § 4 Abs.1 und 4 i.V.m. § 5 Abs.1 und § 6 EStG einen handelsrechtlich darüber hinausgreifenden Bilanzausweis (BFH-Urteile vom 30.Juni 1987 VIII R 353/82, BFHE 151, 360, BStBl II 1988, 418; in BFHE 143, 563, BStBl II 1985, 510, m.w.N.; Beisse, BB 1980, 637; Wassermeyer in Söhn ―Herausgeber―, Die Abgrenzung der Betriebs- oder Berufssphäre von der Privatsphäre im Einkommensteuerrecht, 1980, DStJG, Bd.3, S.315 ff., 317; Schmidt, a.a.O., § 5 Anm.12 a; Nieland in Littmann/Bitz/Meincke, a.a.O., §§ 4, 5 Anm.336; zur handelsrechtlichen Zulässigkeit der Bilanzierung von Privatschulden vgl. Hüttemann in Handbuch des Jahresabschlusses in Einzeldarstellungen, Abteilung III/8 ―1988― "Verbindlichkeiten", Anm.50 ff.). Aus der steuerrechtlichen Qualifikation folgt im einzelnen:
a) Schuldzinsen können ―allgemeinen Grundsätzen folgend― nicht allein kraft einer Willensentscheidung, d.h. durch die nach außen dokumentierte Wertung des Steuerpflichtigen, es liege eine Betriebsschuld vor, sondern nur dann als Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn mit den Darlehensmitteln betrieblich veranlaßte Aufwendungen getätigt werden (ständige Rechtsprechung vgl. BFH-Urteile vom 12.September 1985 VIII R 336/82, BFHE 145, 327, BStBl II 1986, 255; in BFHE 143, 563, BStBl II 1985, 510; vom 1.Juni 1978 IV R 109/74, BFHE 125, 254, BStBl II 1978, 618, m.w.N.; vgl. Beisse, a.a.O., 640). Dies gilt auch, wenn die Darlehensmittel dem Erwerb von gewillkürtem Betriebsvermögen dienen. Auch in diesem Fall ist die Qualifikation der Verbindlichkeit als Betriebsschuld nicht Folge eines Willküraktes im beschriebenen Sinne. Sie ergibt sich vielmehr aus der steuerrechtlichen Anerkennung der ―gewillkürten― Zurechnung eines aktiven Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen einerseits u n d dem ―durch die tatsächliche Verwendung der Darlehensmittel hergestellten― Zurechnungszusammenhang zwischen diesem Wirtschaftsgut und der Kreditaufnahme andererseits (vgl. BFH-Urteile vom 11.Februar 1955 III 8/55 U, BFHE 60, 311, BStBl III 1955, 119; vom 18.Oktober 1972 I R 237/70, BFHE 107, 423, BStBl II 1973, 136).
b) Eine betriebliche Verbindlichkeit behält diese Eigenschaft in der Regel bis zu ihrem Erlöschen (BFH-Urteil vom 7.Mai 1965 VI 217/64 U, BFHE 82, 548, BStBl III 1965, 445; zur Behandlung von Schulden und Schuldzinsen nach Aufgabe oder Veräußerung eines Betriebs vgl. BFH-Urteile vom 11.Dezember 1980 I R 119/78, BFHE 133, 22, BStBl II 1981, 460; vom 19.Januar 1982 VIII R 150/79, BFHE 135, 193, BStBl II 1982, 321; vom 21.November 1989 IX R 10/84, BFHE 159, 68, BStBl II 1990, 213; Schmidt, a.a.O., § 16 Anm.56 b, m.w.N.). Aufgrund des steuerrechtlichen Zurechnungszusammenhangs zwischen finanziertem Gegenstand und Kreditaufnahme ist in der Rechtsprechung des BFH jedoch anerkannt, daß eine Betriebsschuld in das Privatvermögen überführt wird, wenn der Steuerpflichtige mit dem Darlehen ein betrieblichen Zwecken dienendes Wirtschaftsgut erwirbt und dieses zu einem späteren Zeitpunkt dem Betrieb entnimmt (BFH-Urteile vom 24.August 1956 III 218/54 S, BFHE 63, 334, BStBl III 1956, 325; in BFHE 82, 548, BStBl III 1965, 445). Gleiches gilt, wenn die Darlehensmittel ―entgegen der ursprünglichen Absicht― für private Zwecke verwendet werden (vgl. BFH-Urteil vom 10.Mai 1972 I R 220/70, BFHE 105, 480, BStBl II 1972, 620). Dieser Zurechnungszusammenhang bedingt auch, daß ein Darlehen, das dem Erwerb eines zunächst privat genutzten Wirtschaftsgutes diente, mit der Einlage dieses Wirtschaftsguts in den Betrieb zur Betriebsschuld wird (BFH-Urteile in BFHE 63, 334, BStBl III 1956, 325; vom 18.Juli 1968 IV 124/65, NV).
c) Der Große Senat hat in seinem Beschluß vom 26.Oktober 1987 GrS 2/86 (BFHE 153, 523, BStBl II 1988, 348 ―C.I.1.a aa―) ausgeführt, daß mit Ausnahme der Rechnungsabgrenzungsposten (§ 5 Abs.4 EStG) nur Wirtschaftsgüter in den Bestandsvergleich nach § 4 Abs.1 EStG Eingang finden (vgl. auch den Regelungszusammenhang § 4 Abs.1, § 5 Abs.1 und 5, § 6 Abs.1 EStG). Daher gehören auch betriebliche Verbindlichkeiten zu den ―zu passivierenden― Wirtschaftsgütern (BFH-Urteile vom 25.August 1989 III R 95/87, BFHE 158, 58, BStBl II 1989, 893; vom 19.Februar 1981 IV R 41/78, BFHE 133, 510, BStBl II 1981, 730; zustimmend Schmidt, a.a.O., § 5 Anm.17, § 4 Anm.42 b aa; zur handelsrechtlichen Unterscheidung zwischen Vermögensgegenständen und Schulden vgl. § 39 Abs.1, § 40 Abs.2 des Handelsgesetzbuches ―HGB― a.F.; §§ 240, 246, 252 HGB n.F.; dazu BTDrucks 10/4268, S.96).
d) Werden Darlehensmittel nur teilweise für betriebliche Zwecke, im übrigen aber für Kosten der Lebensführung oder für durch andere Einkunftsarten veranlaßte Zwecke verwendet, so kann die Verbindlichkeit ―ungeachtet dessen, daß sie auf einer einheitlichen zivilrechtlichen Vertragsgrundlage beruht― nur in dem der Verwendung des Darlehens für betriebliche Zwecke entsprechenden Umfang bilanziert werden. Dies hat zur Folge, daß die für den Kredit entrichteten Zinsen nur anteilig als Betriebsausgaben abziehbar sind (BFH-Urteile vom 22.August 1958 III 213/57 U, BFHE 67, 328, BStBl III 1958, 401; vom 30.Juli 1964 IV 109/60, HFR 1965, 454; vom 24.November 1967 VI R 71/66, BFHE 91, 37, BStBl II 1968, 177; vom 28.Januar 1987 I R 85/80, BFHE 150, 120, BStBl II 1987, 616).
Ein Darlehen, das zur Ablösung eines Kredits aufgenommen wurde, ist daher nur insoweit als Betriebsschuld passivierbar, als die getilgte Kreditschuld dem Betriebsvermögen zuzurechnen war (Urteil in BFHE 63, 334, BStBl III 1956, 325; vgl. zur Umschuldung von Darlehen, die in vollem Umfang dem Betriebsvermögen angehören, auch BFH-Urteile in BFHE 82, 548, BStBl III 1965, 445; vom 11.Dezember 1980 I R 198/78, BFHE 133, 27, BStBl II 1981, 462). Entsprechendes gilt, wenn mehrere ―steuerrechtlich unterschiedlich zu qualifizierende― Verbindlichkeiten durch ein selbständiges Schuldanerkenntnis (§ 781 des Bürgerlichen Gesetzbuches ―BGB―) ersetzt werden (sog. Novation; vgl. BFH-Urteil vom 6.Februar 1987 III R 203/83, BFHE 149, 163, BStBl II 1987, 423). Dieser Beurteilung widerspricht es nicht, daß aufgrund eines solchen Vertrages eine Verpflichtung entsteht, deren Wirksamkeit durch Mängel der zugrunde liegenden Schuldverhältnisse im Regelfall (vgl. aber auch § 656 Abs.2, § 762 Abs.2 BGB) nicht berührt wird. Vielmehr kann eine zivilrechtlich abstrakte Verpflichtung gerade deshalb, weil sie auf einer Vereinbarung beruht, deren rechtlicher Inhalt ―im Gegensatz zu kausalen Verträgen― den wirtschaftlichen Zweck und den Anlaß einer solchen Abrede verlassen hat (inhaltliche Abstraktion; vgl. Soergel/Häuser, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 11.Aufl., 1985, Anm.3 f. vor §§ 780, 781), nur nach Maßgabe der Schulden einer Einkunftsart des Einkommensteuerrechts zugeordnet werden, an deren Stelle sie tritt.
e) Aus dem für die Zuordnung von Schulden und Schuldzinsen zur Einkunftssphäre maßgeblichen Kriterium des tatsächlichen Verwendungszwecks eines Kredits ergibt sich schließlich, daß es für das Vorliegen eines solchen Zusammenhangs unbeachtlich ist, ob der Steuerpflichtige mit Darlehen finanzierte Aufwendungen auch durch eigene Mittel hätte bestreiten können (BFH in BFHE 139, 50, BStBl II 1983, 725) oder ob der Betrieb über aktives Betriebsvermögen oder stille Reserven verfügt, die zur Deckung der Betriebsschulden herangezogen werden könnten (BFH-Beschluß vom 23.Juli 1986 I B 25/86, BFHE 147, 416, BStBl II 1987, 328). Hierauf aufbauend ist der betriebliche Charakter von Schulden auch dann anerkannt worden, wenn der Unternehmer zunächst Barmittel dem Betrieb entnimmt und im Anschluß hieran betriebliche Aufwendungen durch Darlehen finanziert. Der Große Senat stimmt diesen Rechtsgrundsätzen zu.
4. Die vorstehend dargelegten Rechtsgrundsätze sind auch für Kontokorrentschulden zu beachten.
a) Nach § 355 Abs.1 HGB liegt ein Kontokorrent (laufende Rechnung) vor, wenn jemand mit einem Kaufmann derart in Geschäftsverbindung steht, daß die aus der Verbindung entspringenden beiderseitigen Ansprüche und Leistungen zuzüglich der Zinsen in Rechnung gestellt und in regelmäßigen Zeitabständen durch Verrechnung und Feststellung des für den einen oder anderen Teil sich ergebenden Überschusses ausgeglichen werden.
aa) Als rechtliche Grundlage einer solchen Geschäftsverbindung kommt u.a. der Girovertrag in Betracht, mit dem die Rechtsbeziehungen zwischen dem Girokunden und einem Kreditinstitut (vgl. § 1 Abs.1 des Gesetzes über das Kreditwesen ―KWG―) zum Zwecke der Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und Abrechnungsverkehrs (§ 1 Abs.1 Satz 2 Nr.9 KWG) ―einschließlich möglicher Barein- oder -auszahlungen (dazu Canaris in Staub, HGB, Großkommentar, Bankvertragsrecht, 1.Teil, 4.Aufl., 1988, Anm.301)― geregelt werden.
bb) Durch den mit dem Girovertrag typischerweise verbundenen ―häufig auch als Kontokorrentabrede bezeichneten― Kontokorrentvertrag (Urteil des Bundesgerichtshofs ―BGH― vom 18.April 1989 XI ZR 133/88, Wertpapier-Mitteilungen ―WM― 1989, 807 m.w.N.) wird der Bestand und die Rechtsnatur der "in Rechnung" gestellten Forderungen und Leistungen zwar nicht berührt, ihre selbständige Geltendmachung jedoch ausgeschlossen (Baumbach/Duden/Hopt, HGB, Kommentar, 28.Aufl., 1989, § 355 Anm.3 A). Der Kontokorrentvertrag enthält ferner eine antizipierte Verrechnungsvereinbarung; insbesondere beim Bankkontokorrent ist diese Abrede nicht auf eine laufende Verrechnung der in das Kontokorrent eingestellten Posten gerichtet (Staffelkontokorrent; vgl. BGH-Urteile vom 28.Juni 1968 I ZR 156/66, BGHZ 50, 277; vom 9.Dezember 1971 III ZR 58/69, WM 1972, 283), sondern ―in Übereinstimmung mit § 355 Abs.1 und 2 HGB (vgl. auch Nr.14 Abs.1, 15 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken i.d.F. vom 1.Januar 1988 und Nr.11 Abs.1, Nr.12 Abs.1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkassen, jeweils abgedruckt in Baumbach/Duden/Hopt, a.a.O., S.1254 ff., 1291 ff.)― regelmäßig dahin zu verstehen, daß sich die Verrechnung am Ende der Rechnungsperiode vollzieht (Periodenkontokorrent; BGH-Urteil vom 4.Mai 1979 I ZR 127/77, BGHZ 74, 253; in WM 1989, 807). Dabei werden ―soweit keine abweichende Vereinbarung getroffen worden ist (Baumbach/Duden/Hopt, a.a.O., § 355 Anm.3 c)― im Wege der verhältnismäßigen Gesamtaufrechnung die Posten der größeren Seite des Kontokorrents grundsätzlich in dem Verhältnis getilgt, in dem die Summe der Buchungen der kleineren Seite zur Summe der Buchungen der größeren Seite steht (Urteil des BGH vom 2.November 1967 II ZR 46/65, BGHZ 49, 24; Hefermehl in Schlegelberger, Handelsgesetzbuch, 5.Aufl., 1976, Bd.IV, § 355 Anm.54 m.w.N. der Rechtsprechung des BGH). Wird der im Rechnungsabschluß ―unter Berücksichtigung der angefallenen Zinsen, Provisionen und Spesen― ermittelte Periodensaldo anerkannt, so entsteht hierdurch ein abstrakter Saldoanspruch (§ 781 BGB), der an die Stelle der untergegangenen Einzelforderungen (bzw. ihres Saldos) tritt (Novation; Urteil des BGH in BGHZ 50, 277; a.A. Baumbach/Duden/Hopt, a.a.O., § 355 Anm.3 A; Hefermehl in Schlegelberger, a.a.O., § 355 Anm.58 m.w.N.).
cc) Da das Kontokorrent in erster Linie der Erleichterung des Geschäftsverkehrs dient, wird mit dem Abschluß des Kontokorrentvertrags eine Verpflichtung der Bank zur Kreditgewährung nicht begründet. Das Kreditinstitut kann eine Überziehung des Kontokorrentkontos ―ohne vorherige Abrede― lediglich dulden (sog. Überziehungskredit; Canaris in Staub, Großkommentar, HGB, 3.Aufl., 1981, Bd.III/3 Rdnr.1349) oder mit dem Bankkunden im Einzelfall die Gewährung eines Kontokorrentkredits vereinbaren (H.P.Westermann in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2.Aufl., 1988, vor § 607 Anm.20 a.E.). Häufig wird jedoch ―insbesondere zur Gewährung von Krediten für Handel und Industrie― ein Krediteröffnungsvertrag geschlossen (BGH-Urteil vom 24.Januar 1985 IX ZR 65/84, BGHZ 93, 315), nach dem der Bankkunde berechtigt ist, den Kontokorrentkredit (Gelddarlehen) innerhalb der festgelegten Debetgrenze (Kreditlimit) in Teilbeträgen durch Barabhebung, Überweisung oder Scheck in Anspruch zu nehmen. Sowohl die Gewährung als auch die Rückzahlung des Kredits geschieht dabei in laufender Rechnung (Hefermehl in Schlegelberger, a.a.O., § 355 Anm.7). Die Kreditzusage selbst wird nach der in der Praxis gebräuchlichen sog. Einkonten-Methode lediglich auf dem Kontoblatt vermerkt; die Kreditgewährung tritt nur durch Belastungsbuchungen des Kontokorrents in Erscheinung (vgl. Erman in Gedächtnisschrift für R.Schmidt, 1966, 261; Hefermehl in Schlegelberger, a.a.O., § 355 Anm.7; Schönle, Bank- und Börsenrecht, 2.Aufl., 1976, § 11 I S.143).
b) Weder das Rechtsinstitut des Kontokorrents noch seine buchmäßige Behandlung rechtfertigen es, Verbindlichkeiten deshalb als Betriebsschulden anzusehen, weil sie in eine solche Rechnung eingestellt werden. Maßgeblich für ihre steuerrechtliche Qualifikation sind vielmehr das Veranlassungsprinzip und die sich hieraus ergebenden Folgerungen.
aa) Eine gemischte Kontokorrent-Verbindlichkeit kann nicht deshalb insgesamt als Betriebsschuld angesehen werden, weil das Kontokorrentkonto überwiegend der Abwicklung des betrieblichen Geschäftsverkehrs dient. Hieraus kann insbesondere keine Vermutung für den betrieblichen Anlaß der Kreditaufnahme oder -erweiterung abgeleitet werden. Aus der Lebenserfahrung gewonnene tatsächliche Vermutungen dienen lediglich dazu, einen im Hinblick auf das Vorliegen rechtlich erheblicher Tatsachen nicht näher aufklärbaren Sachverhalt auf der Grundlage feststehender Hilfstatsachen (Beweisanzeichen) zu würdigen. Sie entbinden damit weder das FA noch das FG davon, die im Einzelfall gegebenen Umstände zu ermitteln (BFH-Urteil vom 20.Dezember 1988 VIII R 121/83, BFHE 156, 339, BStBl II 1989, 585 m.w.N.).
bb) Entgegen einzelner Stimmen im Schrifttum hat das betriebliche Kontokorrentkonto auch keine Zuordnungsfunktion in dem Sinne, daß die in das Kontokorrent eingestellten Darlehensverbindlichkeiten als Betriebsschulden beurteilt werden müßten. Verbindlichkeiten dürfen nicht allein durch eine Willensentscheidung des Steuerpflichtigen dem Betriebsvermögen zugeordnet werden. Damit ist auch bei Verwendung nur eines Teils der dem Steuerpflichtigen auf einheitlicher Vertragsgrundlage zur Verfügung stehenden Darlehensmittel für private Zwecke einer Bilanzierung der gesamten Rückerstattungsverpflichtung die Grundlage entzogen.
cc) Eine andere Beurteilung ist auch nicht nach dem Gedanken der sog. Entnahmefinanzierung gerechtfertigt, nach dem der durch die private Verwendung entstandene Teil einer Kontokorrentschuld gleich dem Sachverhalt als Betriebsschuld zu behandeln ist, daß der Steuerpflichtige zunächst seinem Unternehmen Barmittel entnimmt und im Anschluß hieran betriebliche Aufwendungen mittels Kredit finanziert (BFH in BFHE 71, 667, BStBl III 1960, 497; BFHE 139, 50, BStBl II 1983, 725).
Der Große Senat verkennt nicht, daß insbesondere dann, wenn über das betriebliche Kontokorrentkonto ein umfangreicher Zahlungsverkehr abgewickelt wird und zum Zeitpunkt der privat veranlaßten Kreditaufnahme im Betrieb entnahmefähige Barmittel in ausreichendem Umfang vorhanden sind, beide Fallgestaltungen Berührungspunkte aufweisen können. Gleichwohl kann hierin keine Rechtfertigung für eine rechtliche Gleichstellung gesehen werden. Eine Gleichstellung beider Sachverhalte in tatsächlicher Hinsicht scheidet bereits deshalb aus, weil der Besteuerung der verwirklichte, nicht hingegen ein gedachter (fiktiver) Sachverhalt zugrunde zu legen ist (BVerfG-Beschluß in HFR 1989, 316; BFH-Beschluß in BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348 C.I.3.c; BFH-Urteile vom 2.April 1987 IV R 92/85, BFHE 149, 567, BStBl II 1987, 621; vom 13.Dezember 1985 VI R 190/82, BFHE 145, 549, BStBl II 1986, 486; vom 19.Mai 1983 IV R 138/79, BFHE 138, 248, BStBl II 1983, 380; Beisse, StuW 1981, 1, 11).
5. Die gebotene Aufteilung der für gemischte Kontokorrentkonten entrichteten Schuldzinsen ist grundsätzlich nach der sog. Zinszahlenstaffelmethode vorzunehmen. Dies schließt es indes nicht aus, daß der betrieblich bzw. privat veranlaßte Teil der Kontokorrentzinsen auch im Wege der Schätzung ermittelt wird.
a) Nach der Zinszahlenstaffelmethode werden die Zinsen nicht für jeden Posten des Kontokorrents einzeln (Postenmethode), sondern bezogen auf die jeweiligen Soll- oder Habensalden (Zwischensaldo) berechnet. Diese Berechnungsart geht von der finanzmathematischen Gleichung zur Ermittlung der Zinsen eines Kapitals aus
K x p x t
―Z = ――――-
100 x 360
(Z = Zinsen; K = Kapital; p = Zinsfuß; t = Tage)―
und formt diese in
K x t 360
eine Zinszahl ――- und in einen Zinsdivisor ―-
100 p
um. Die Zinszahlen werden von dem jeweiligen Zwischensaldo
für die Zeit (Tage) seiner unveränderten Dauer (Wertstellung)
gesondert berechnet (Zinszahlenstaffel). Die Zinszahlensummen der Soll- und Habenseite werden am Ende der Rechnungsperiode addiert und durch den Zinsdivisor geteilt (Hefermehl in Schlegelberger, a.a.O., § 355 Anm.39; Canaris in Staub, a.a.O., § 355 Anm.50). An einem Beispiel (vgl. Gablers Wirtschaftslexikon, 12.Aufl., Bd.L bis Z, Spalten 2883 f.) verdeutlicht, bedeutet dies:
Staffelförmige Zinsberechnung
19.. D Betrag Tage Zinszahlen
Geschäftsvorfall C DM Soll Haben
―――――――――――――――――――――――――――――――-
Juni 30. Saldovortrag C 5 687 25 1 422
Juli 25. Abhebung D 1 400
――-
C 4 287 49 2 101
Sept. 14 Überweisung D 716
――-
C 3 571 64 2 285
Nov. 17. Einzahlung C 2 023
――-
C 5 594 31 1 734
Dez. 19. Scheck D 3 100
――-
C 2 494 11 274
―- ――-
- 180 7 816
――-
C 2 494
Dez. 31. Zinsen C 32,57 1 1/2 % Zinsen auf
―――― Nr.7816
Dez. 31. Saldo C 2 526,57.
b) Gegen die Maßgeblichkeit der Zinszahlenstaffelmethode läßt sich nicht einwenden, daß sich ―wie dargelegt― die Verrechnung der Posten eines Bankkontokorrents regelmäßig erst am Ende der vereinbarten Rechnungsperiode im Wege der verhältnismäßigen Gesamtaufrechnung vollzieht und damit die dem Bankkunden übermittelten Tagesauszüge keinen Rechnungsabschluß i.S. des § 355 Abs.1 und 2 HGB, sondern einen (buchungstechnischen) Zwischensaldo der laufenden Rechnung ausweisen. Denn diese Zwischensalden sind nicht nur insofern von rechtlicher Bedeutung, als ein hiernach sich ergebendes Guthaben für den Kunden jederzeit verfügbar ist. Sie bilden vor allem nach ständiger, allgemein als Rechtens anerkannter Übung und damit gewohnheitsrechtlich die Grundlage für die Berechnung der bei einem Girokonto angefallenen Zinsen. Das hat zur Folge, daß der Bankkunde Schuldzinsen nur insoweit zu entrichten hat, als diese Zwischensalden negativ sind (BGH-Urteil vom 17.Januar 1989 XI ZR 54/88, WM 1989, 126, 128, m.w.N.; vgl. auch BFH-Urteil vom 31.Mai 1967 I 208/63, BFHE 89, 191, BStBl III 1967, 607).
c) Diese Berechnungsmethode (Zinszahlenstaffelrechnung) ist grundsätzlich auch der Ermittlung der privaten und betrieblichen Schuldzinsenanteile zugrunde zu legen. Dabei ist jeder einzelne Debet-Zwischensaldo entsprechend den privaten und betrieblichen (beruflichen) Auszahlungen (Sollbuchungen) aufzuteilen; die darauf entfallenden Kreditzinsen sind in Staffelform zu errechnen.
Dazu ist das Kontokorrentkonto entsprechend den privaten und betrieblichen (beruflichen) Sollbuchungen rechnerisch in zwei Unterkonten aufzuteilen. Auf dem einen Unterkonto sind die privat veranlaßten, auf dem anderen sind die betrieblich (beruflich) veranlaßten Sollbuchungen einzustellen.
Jede Habenbuchung ist ―soweit der Steuerpflichtige nichts anderes bestimmt oder nichts anderes vereinbart worden ist― im Grundsatz entsprechend dem Verhältnis aufzuteilen, in dem im Zeitpunkt ihrer Wertstellung die Debetsalden beider Unterkonten zueinander stehen. Entsprechend dieser Aufteilung ist jede Habenbuchung dem einen oder dem anderen Unterkonto gutzuschreiben. Weist nur ein Unterkonto einen Debetsaldo aus, ist eine Habenbuchung nur auf diesem Konto vorzunehmen.
Der Grundsatz der verhältnismäßigen Aufteilung jeder Habenbuchung besteht deshalb, weil im Rahmen eines Kontokorrents jede kontokorrentgebundene Verbindlichkeit bei der Gesamtaufrechnung am Ende der Kontokorrentperiode verhältnismäßig (im Verhältnis der Summe aller Habenbuchungen zur Summe aller Sollbuchungen) getilgt wird, sofern der Schuldner nichts anderes bestimmt oder die Vertragsparteien keine abweichenden Vereinbarungen getroffen haben.
Diese auf der grundsätzlichen Gleichwertigkeit der zur Verrechnung gestellten Forderungen und Verbindlichkeiten beruhende Beurteilung (vgl. Urteil des Reichsgerichts ―RG― vom 14.November 1903 I 244/03, RGZ 56, 19, 23) wird durch die Berechnung der Zinsen entsprechend dem jeweiligen Zwischensaldo nicht in Frage gestellt.
Beispiel nach Kempermann/Ditzen, DStZ 1985, 63, 64:
Datum Anteil in Anteil in Zinszahlen
(Wertstellung) v.H. v.H. für den
Betrieblicher Privater privaten
Kontenanteil Kontenanteil Kontenteil
Zinstage
――――――――――――――――――――――――――――――――
31.12. ./. 20 - 0 - 2 0
2.1. PE ./. 3 500
PE ./. 100
―――― ――――-
2.1.Saldo./. 20 - ./. 3 600 - 1 36
3.1. BA ./. 380 - - -
―――― ――――-
3.1.Saldo./. 400 10 ./. 3 600 90 1 36
4.1. BE
500,― + 50 + 450
―――― ――――-
4.1.Saldo./. 350 10 ./. 3 150 90 3 95
7.1. BA ./. 900 -
―――― ――――-
7.1.Saldo./.1 250 28,4 ./. 3 150 71,6 23 725
31.1. BE
1 000,― + 284 + 716
―――― ――――-
31.1.Saldo./. 966 28,4 ./. 2 434 71,6 - -
======= ========= ― ―-
Summe Zinstage/zahlen: 30 892
== ===
Privat veranlaßte Zinsen (Zinssatz sei 14,5 v.H.) für den Monat
Januar:
892 x 14,5
――――― = 35,93 DM
360
d) Bei der Anwendung der Zinszahlenstaffelmethode zur Aufteilung der Zinsen eines gemischten Kontokorrentkontos mit Debetsaldo in einen privat veranlaßten und einen betrieblich veranlaßten Teil muß berücksichtigt werden, daß in der Praxis eine Aufteilung eines gemischten Bankkontokorrents durch Führung von zwei Unterkonten in den Büchern der kontoführenden Bank nicht üblich ist, weil für Banken ―nach ihrer Interessenlage― kein Bedürfnis dafür besteht, die Kontokorrentkonten ihrer Kunden in ein privates und ein betriebliches Unterkonto aufzuteilen. Aus diesem Grunde haben die Banken bisher im allgemeinen auch keine entsprechenden banktechnischen Verfahren für die Führung solcher Unterkonten entwickelt. Deshalb reicht es für die Aufteilung der Zinsen eines gemischten Kontokorrentkontos in einen privat veranlaßten und einen betrieblich veranlaßten Teil aus, wenn die Aufteilung des gemischten Kontokorrents in zwei Unterkonten in der Buchführung des betreffenden Steuerpflichtigen festgehalten wird.
e) Ist ein Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet und reicht das von ihm Geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden aus, so wird diejenige Schuld getilgt, welche der Schuldner bei seiner Leistung bestimmt (Gedanke des § 366 Abs.1 BGB). Daraus folgt, daß beim Vorliegen mehrerer Geldschulden gegenüber einem Gläubiger, von denen ein Teil privat, ein anderer betrieblich veranlaßt ist, der Schuldner bestimmen kann, daß eine von ihm erbrachte Geldleistung, die nicht zur Tilgung aller Schulden ausreicht, zuerst zur Tilgung der privat veranlaßten Schulden verwendet werden soll.
Diese bei der Gesamtabrechnung getroffene Bestimmung des Schuldners schlägt auf die für die Zinszahlenstaffelmethode notwendige Verrechnung jeder Habenbuchung mit dem bei deren Wertstellung vorhandenen Zwischensaldo in der gleichen Weise durch, wie dies bei der im Grundsatz geltenden verhältnismäßigen Tilgung (s. oben unter c) a.E.) der Fall ist. Hat der Schuldner danach bestimmt, daß für die Berechnung der Zinsen eines gemischten Kontokorrents mit Debetsaldo jede Habenbuchung zunächst dem Unterkonto gutzuschreiben ist, auf dem die privat veranlaßten Sollbuchungen erfaßt werden, so verändert sich das oben unter c) wiedergegebene Beispiel wie folgt:
Datum Anteil in Privater Anteil in Zinszahlen
(Wertstellung) v.H. Kontenteil v.H. für den
Betrieblicher privaten
Kontenanteil Kontenteil
Zinstage
――――――――――――――――――――――――――――――――-
31.12. ./. 20 - 0 - 2 0
2.1. PE ./. 3 500
PE ./. 100
――――- ――――-
2.1.Saldo./. 20 - ./. 3 600 - 1 36
3.1. BA ./. 380 - - -
――――- ――――-
3.1.Saldo./. 400 10 ./. 3 600 90 1 36
4.1. BE
500,― + 500
――――- ――――-
4.1.Saldo 400 ./. 3 100 88,6 3 93
7.1. BA ./. 900 -
――――- ――――-
7.1.Saldo./.1 300 29,6 ./. 3 100 70,4 23 713
31.1. BE
1 000,― + 1 000
――――- ――――-
31.1.
Saldo ./.1 300 38,2 ./. 2 100 61,8 - -
======== ========= ― ―-
Summe Zinstage/zahlen: 30 878
== ===
Privat veranlaßte Zinsen (Zinssatz sei 14,5 v.H.) für den Monat
Januar:
878 x 14,5
――――― = 35,36 DM
360
f) Der Große Senat folgt damit nicht uneingeschränkt der vom I.Senat des BFH befürworteten wirtschaftlichen Umschuldung privater Darlehen (vgl. dazu C.I.1.b). Hiernach soll eine private Darlehensschuld aufgrund des Umstandes, daß der Betrieb über entnahmefähige Mittel in entsprechender Höhe verfügt, als betrieblicher Kredit anzusehen sein, vorausgesetzt, daß die Absicht der Umschuldung z.B. durch eine entsprechende Bilanzierung hinreichend klar zum Ausdruck kommt. Diese Auffassung ist mit der Zuordnung von Verbindlichkeiten zum Betriebs- oder Privatvermögen nach dem Veranlassungsprinzip, d.h. der Maßgeblichkeit der Mittelverwendung, unvereinbar. Im Sinne der in dem BMF-Schreiben vom 27.Juli 1987 IV B 2 - S 2134 - 1/87 (BStBl I 1987, 508) enthaltenen Verwaltungsanweisung kann indes bei gemischten Kontokorrentkonten ―soweit die Vertragsparteien nichts anderes vereinbart haben― unterstellt werden, daß durch laufende Geldeingänge (Habenbuchungen) vorrangig die privaten Schuldenteile getilgt werden. Der Grundgedanke dieser Verwaltungsanweisung stimmt mit Überlegungen überein, die hinsichtlich der vorrangigen Tilgung privater Schulden in den Urteilen des I.Senats in BFHE 143, 563, BStBl II 1985, 510, in BFHE 144, 57, BStBl II 1985, 619 und in BFH/NV 1988, 223 enthalten sind.
g) Die Zinszahlenstaffelmethode führt rechnerisch zu eindeutigen Ergebnissen. Sie berücksichtigt im besonderen auch das Zeitmoment (BFH in BFHE 139, 56, BStBl II 1983, 723). Auch unter dem Gesichtspunkt der fiktiven Kontenteilung als Rechenmethode bereitet sie keine Schwierigkeiten (vgl. Korn, KÖSDI 1984, 5479, 5483; Siegel, a.a.O., 211; Kempermann/Ditzen, DStZ 1985, 63, 64; Paus, DStZ 1985, 60, 61).
Die Zinszahlenstaffelmethode kann auch dann zur Anwendung kommen, wenn während der Kontokorrentperiode für das gemischte Kontokorrentkonto keine Unterkonten geführt werden, aus der Buchführung oder den Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen (z.B. durch Verwendung besonderer Symbole oder durch Verbuchung auf besonderen Konten) aber entnommen werden kann, welche der einzelnen auf dem Kontokorrentkonto erfaßten Sollbuchungen betrieblich und welche privat veranlaßt worden sind, so daß ohne unverhältnismäßigen Zeitaufwand nachträglich eine Zinszahlenstaffelrechnung erstellt werden kann, die eine zutreffende Aufteilung der Zinsen ermöglicht.
h) Soweit die Anwendung der vorstehend dargelegten Grundsätze über die Trennung betrieblich und privat veranlaßter Zinsaufwendungen im Einzelfall mit einem für die Finanzbehörde oder für das FG unzumutbaren Ermittlungsaufwand verbunden ist, sind diese berechtigt und verpflichtet, den betrieblichen Zinsanteil zu schätzen. Eine solche Schätzung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Steuerpflichtige nicht in der Lage ist, bei einem Kontokorrentkonto mit umfangreichem Zahlungsverkehr eine Zinszahlenstaffelrechnung in der oben unter e) dargestellten Weise vorzulegen. Legt er sie vor, hat sich die Schätzung an ihr auszurichten.
aa) In der Rechtsprechung des BFH ist anerkannt, daß die dem Steuerpflichtigen im Rahmen der Sachverhaltsermittlung durch Finanzbehörde oder FG zumutbare Mitwirkungspflicht (§ 90 AO 1977 i.V.m. § 76 Abs.1 Satz 2 FGO) u.a. dann eine Steigerung erfährt, wenn die steuerrechtliche Würdigung des Sachverhalts die Abgrenzung privater und betrieblicher Aufwendungen erfordert. Dabei hat er durch die Anführung von Tatsachen den Zusammenhang der Aufwendungen mit dem Betrieb darzutun und auf Verlangen entsprechende Nachweise (Unterlagen) vorzulegen (§ 97 AO 1977 i.V.m. § 76 Abs.1 Satz 3 FGO). Der Umfang dieser Pflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (BFH-Urteile vom 5.Juli 1962 IV 332/60, HFR 1963, 11; vom 14.Oktober 1954 IV 352/53 U, BFHE 59, 383, BStBl III 1954, 358; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9.Aufl., § 90 AO 1977 Anm.36 und 40 b).
Werden nur wenige private Verbindlichkeiten in ein Kontokorrent eingestellt oder innerhalb kurzer Zeit die Debetsalden ausgeglichen, so wird es regelmäßig sowohl dem Steuerpflichtigen als auch der Finanzbehörde oder dem FG möglich sein, die auf diese Verbindlichkeiten entfallenden Zinsanteile nach der Zinszahlenstaffelmethode noch nachträglich auszusondern. Sind Abgrenzungen in größerem Umfang oder für einen längeren Zeitraum erforderlich, weil über das Kontokorrentkonto ein umfangreicher Geschäftsverkehr und eine größere Anzahl privat veranlaßter Aufwendungen abgewickelt wird, hat der Steuerpflichtige Unterlagen zu beschaffen, die eine Aussonderung des auf die privaten Verbindlichkeiten entfallenden Zinsaufwands ermöglichen.
Genügt der Steuerpflichtige den durch die Gestaltung seiner Verhältnisse bedingten und ihm deshalb auch zumutbaren Mitwirkungspflichten (vgl. dazu allgemein Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 90 AO 1977 Anm.38, m.w.N.) nicht oder nicht in vollem Umfang, tritt hierdurch zugleich eine Begrenzung der Pflicht der Finanzbehörde oder des FG ein, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (vgl. dazu allgemein BFH-Urteile in BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462; vom 9.September 1986 VIII R 100/83, BFH/NV 1987, 105, m.w.N.) mit der Folge, daß der betrieblich veranlaßte Zinsanteil zu schätzen ist.
bb) Einer Schätzung des betrieblichen Teils der Kontokorrentzinsen steht § 12 Nr.1 Satz 2 EStG nicht entgegen.
Nach der Auslegung des § 12 Nr.1 Satz 2 EStG durch die Rechtsprechung des BFH (BFH-Beschlüsse vom 19.Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17; in BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105; vom 27.November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213) sind Aufwendungen für die Lebensführung selbst dann nicht teilweise als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar, wenn sie den Beruf oder die Tätigkeit des Steuerpflichtigen fördern (Aufteilungs- und Abzugsverbot). Eine Ausnahme hiervon ist nur anzuerkennen, wenn objektive Merkmale und Unterlagen eine zutreffende und leicht nachprüfbare Trennung der Aufwendungen ermöglichen und außerdem der berufliche Nutzungsanteil nicht von untergeordneter Bedeutung ist. Fehlt es an einem solchen Aufteilungsmaßstab, kommt eine griffweise Schätzung des beruflichen Teils und der von der Bestimmung des § 12 Nr.1 Satz 2 EStG betroffenen Aufwendungen nicht in Betracht.
Danach ist es zwar geboten, Aufwendungen, die mittels eines Kontokorrentkredits finanziert werden, daraufhin zu überprüfen, ob ihre Zurechnung zur Einkunftssphäre nicht nach § 12 Nr.1 Satz 2 EStG ausgeschlossen ist, so daß auch die hierdurch veranlaßten Zinsen weder als Betriebsausgaben noch als Werbungskosten abgezogen werden können. Dieser Fall ist z.B. gegeben, wenn ein Darlehen für eine nicht ausschließlich beruflich veranlaßte Studienreise in Anspruch genommen wird. Werden jedoch ―wofür der Steuerpflichtige die objektive Feststellungslast trägt― in ein Kontokorrentkonto betrieblich (oder beruflich) veranlaßte Verbindlichkeiten eingestellt, so handelt es sich bei den hierfür entrichteten Schuldzinsen um Aufwendungen, deren betriebliche Veranlassung außer Frage steht. Daß sie mit den im übrigen angefallenen Kontokorrentzinsen zu einer Summe zusammengefaßt werden, beruht nicht auf der untrennbaren Vermischung der die jeweiligen Aufwendungen bestimmenden Erwägungen, sondern ist die Folge der gemeinsamen Abrechnung und Verrechnung steuerrechtlich unterschiedlich zu qualifizierender Verbindlichkeiten und der dafür entrichteten Zinsen.
Nach diesem Verständnis hat der BFH betrieblich oder privat veranlaßte Telefongesprächsgebühren (Urteile vom 19.Dezember 1977 VI R 198/76, BFHE 124, 428, BStBl II 1978, 287; vom 9.November 1978 VI R 195/77, BFHE 126, 418, BStBl II 1979, 149) und Beratungshonorare eines Rechtsanwalts (Urteil vom 31.Juli 1985 VIII R 345/82, BFHE 145, 139, BStBl II 1986, 139) auch dann als Betriebsausgaben oder Werbungskosten anerkannt, wenn diese Aufwendungen zusammen mit Kosten der Lebensführung abgerechnet wurden. Ebenso wie es in diesen Fällen erforderlichenfalls einer Schätzung des betrieblichen (beruflichen) Aufwendungsanteils durch das FA oder das FG bedarf, ist auch der betrieblich oder beruflich veranlaßte Teil von Kontokorrentzinsen entsprechend der steuerrechtlichen Qualifikation der in eine solche Rechnung eingestellten Verbindlichkeiten zu schätzen.
cc) Welche Schätzungsmethode dem Ziel, die Besteuerungsgrundlagen möglichst wirklichkeitsnah zu bestimmen, am besten gerecht wird, ist grundsätzliche eine Frage der Tatsachenfeststellung, an die der BFH ―gleich der Schätzung in ihrer Gesamtheit― als Revisionsgericht nach § 118 Abs.2 FGO gebunden ist, sofern diese Feststellungen nicht auf einem Rechtsirrtum oder einem Verfahrensmangel beruhen. Den materiellen Rechtsfehlern stehen dabei Verstöße gegen die angewandte Schätzungsmethode, gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze und anerkannte Schätzungsgrundsätze gleich (BFH-Urteile vom 18.Dezember 1984 VIII R 195/82, BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226; vom 10.Oktober 1986 VI R 12/83, BFH/NV 1987, 698; vom 24.November 1988 IV R 150/86, BFH/NV 1989, 416).
Mit dieser beschränkten revisionsrechtlichen Prüfungskompetenz wäre es nicht zu vereinbaren, wollte der Große Senat zu denkbaren Schätzmethoden, die für die Ermittlung des betrieblich veranlaßten Schuldzinsenanteils eines unterschiedlichen Zwecken dienenden Kontokorrentkredits in Betracht kommen, abschließend Stellung nehmen. Es wäre auch ausgeschlossen, die Vielfalt möglicher Sachverhaltsgestaltungen in eine solche Betrachtung einzubeziehen.
Der Große Senat weist gleichwohl darauf hin, daß beispielsweise eine schätzungsweise Aufteilung des insgesamt angefallenen Zinsaufwands nach dem ―unter Umständen überschlägig ermittelten― Verhältnis betrieblicher und privater Auszahlungen dann rechtlich nicht zu beanstanden sein wird, wenn das Konto in den fraglichen Besteuerungszeiträumen ganz überwiegend einen Debetzwischensaldo aufwies und mangels abweichender Feststellungen nicht davon ausgegangen werden kann, daß die privaten Aufwendungen schwerpunktmäßig zu Zeitpunkten getätigt wurden, zu denen dem Steuerpflichtigen entsprechende Guthaben zur Verfügung standen (sog. Verhältnismethode; gleicher Ansicht Küffner, DStR 1983, 441, 446; Hirth, Steuerwarte 1976, 114, 115; Paus, DStZ 1985, 60; Schmidt, DStR 1985, 200, 203). Erweist sich jedoch im Einzelfall eine solche Annahme deshalb als nicht gerechtfertigt, weil die Debetzwischensalden im wesentlichen durch betriebliche oder vorzugsweise durch private Auszahlungen entstanden sind oder weil beide Verwendungen zu erheblich voneinander abweichenden Zeitpunkten die Sollsalden bestimmt haben, so ist diesen Umständen bei einer Schätzung Rechnung zu tragen. Dies kann etwa durch die Unterteilung in geeignete Zeitabschnitte (Schätzungszeiträume) geschehen.
i) Der Aufteilung der Kontokorrentschuld und der Kontokorrentzinsen nach Maßgabe der Zinszahlenstaffelmethode oder aufgrund einer Schätzung bedarf es nicht, wenn der Steuerpflichtige zwei (oder mehr) Kontokorrentkonten unterhält und die betrieblich sowie die außerbetrieblich veranlaßten Auszahlungen über unterschiedliche Konten abgewickelt werden. In diesem Fall bildet entsprechend Nr.2 Abs.2 Satz 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken grundsätzlich jedes Kontokorrentkonto ein selbständiges Kontokorrent, es sei denn, die Auslegung des Parteiwillens ergibt, daß tatsächlich nur der Gesamtsaldo geltend gemacht werden darf (vgl. BGH-Urteile vom 14.Dezember 1951 I ZR 93/50, LM § 355 HGB Nr.3, und vom 25.Januar 1982 VIII ZR 324/80, WM 1982, 329; Baumbach/Duden/Hopt, a.a.O., (8) AGB-Banken, Anm.2). Das der Abwicklung der außerbetrieblichen Auszahlungen dienende Kontokorrentkonto gehört dann regelmäßig zum Privatvermögen, während das dem betrieblichen Zahlungsverkehr gewidmete Kontokorrentkonto dem Betriebsvermögen zuzuordnen ist. Unter dieser Voraussetzung sind die auf dem betrieblichen Kontokorrentkonto anfallenden Schuldzinsen regelmäßig auch dann Betriebsausgaben, wenn Beträge vom betrieblichen auf das private Kontokorrentkonto überwiesen werden, dadurch auf dem privaten Kontokorrentkonto Verbindlichkeiten getilgt werden und ein negatives betriebliches Kontokorrentkonto entsteht. Bei den Überweisungen vom betrieblichen auf das private Kontokorrentkonto handelt es sich um Entnahmen aus dem Betriebsvermögen (vgl. BFH-Urteil vom 19.Juni 1975 VIII R 13/74, BFHE 116, 478, BStBl II 1975, 811), die die betriebliche Veranlassung des dadurch ausgelösten Mittelbedarfs grundsätzlich nicht berühren.
6. Die dargelegten Gesichtspunkte gelten sinngemäß auch für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs.3 EStG; denn auch bei dieser Gewinnermittlungsart ist die Entscheidung, ob Verbindlichkeiten dem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen zuzuordnen und demgemäß die hierauf entfallenden Schuldzinsen als Betriebsausgaben abziehbar sind, nach dem Veranlassungsprinzip (§ 4 Abs.4 EStG) zu bestimmen. Maßgebend ist somit der tatsächliche Verwendungszweck der Darlehensmittel. Dies ist auch für die Zuordnung gemischter Kontokorrentverbindlichkeiten zum Betriebsvermögen zu beachten.
7. Die Rechtsauffassung des Großen Senats hat auch Auswirkungen auf die Überschußeinkünfte (§ 2 Abs.1 Nr.4 bis 7, Abs.2 Nr.2 EStG), insbesondere die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG).
Nach dem BFH-Urteil vom 18.November 1980 VIII R 194/78 (BFHE 132, 522, BStBl II 1981, 510, 515) ist ein Kontokorrentkredit nur dann eine Schuld, die mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in wirtschaftlichem Zusammenhang steht und zur Abzugsfähigkeit von Kreditzinsen führt, wenn die Verschuldung ausschließlich auf Zahlungen zurückzuführen ist, die der Vermietung und Verpachtung dienen.
An dieser rechtlichen Wertung kann nicht mehr festgehalten werden. Wenn § 12 Nr.1 Satz 2 EStG bei gemischten Kontokorrentkonten einer Aufteilung in betrieblich und privat veranlaßte Schuldzinsen nicht entgegensteht, dann kann die Vorschrift auch eine Aufteilung der nicht betrieblich veranlaßten Schuldzinsen in solche, die durch eine andere Einkunftsart und solche, die durch keine Einkunftsart veranlaßt sind, nicht ausschließen. Das muß auch dann gelten, wenn mangels Vorliegens eines Gewerbebetriebs Schuldzinsen nur im "privaten" Bereich anfallen, zum Teil aber durch die Erzielung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, Kapitalvermögen und/oder Vermietung und Verpachtung veranlaßt sind.
8. Soweit aufgrund dieses Beschlusses die bisherigen Rechtsauffassungen des BFH zur steuerrechtlichen Behandlung gemischter Kontokorrentkonten zum Nachteil der Steuerpflichtigen aufgegeben werden, haben die Behörden der Finanzverwaltung zu prüfen, ob im Einzelfall oder allgemein Vertrauensschutz durch Übergangsregelungen zu gewähren ist (§ 163 Abs.1, § 227 Abs.1 AO 1977 i.V.m. Art.108 Abs.7 des Grundgesetzes).
D. Der Große Senat entscheidet die Vorlagefragen wie folgt:
Entsteht eine Kontokorrentverbindlichkeit sowohl durch betrieblich als auch durch privat veranlaßte Auszahlungen oder Überweisungen, so ist bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs.1 EStG und nach § 4 Abs.3 EStG nur der betriebliche Teil des Kredits dem Betriebsvermögen zuzurechnen. Die auf diesen Teil des Kontokorrentkredits entfallenden Schuldzinsen dürfen als Betriebsausgaben abgezogen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 62982 |
BFH/NV 1990, 84 |
BStBl II 1990, 817 |
BFHE 161, 290 |
BFHE 1991, 290 |
BB 1990, 2080 |
BB 1990, 2080-2084 (LT) |
DB 1990, 2242-2249 (LT) |
DStR 1990, 705 (KT) |
HFR 1991, 11 (LT) |