Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung des rechtlichen Gehörs durch erst kurz vor der mündlichen Verhandlung erfolgten Hinweis zum Sachantrag?
Leitsatz (NV)
Die Kurzfristigkeit (drei Arbeitstage vor der mündlichen Verhandlung) eines dem rechtskundigen Kläger erteilten Hinweises zur sachgerechten Umstellung des Klageantrags verletzt nicht das rechtliche Gehör.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 23.10.2007; Aktenzeichen 5 K 3179/04 B) |
Tatbestand
I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--), hatte bei dem als selbstständiger Wirtschaftsprüfer und Steuerberater tätigen Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) eine Außenprüfung angeordnet. Einspruch und Klage hiergegen hatten keinen Erfolg. Nach rechtskräftigem Abschluss des Klageverfahrens durch Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde beantragte der Kläger die Aufhebung der Prüfungsanordnung wegen der nach seiner Auffassung zwischenzeitlich eingetretenen Festsetzungsverjährung für die Steuern der Streitjahre.
Gegen die Ablehnung der Aufhebung wandte sich der Kläger erneut mit Einspruch und Klage. Wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2007 vor dem Finanzgericht (FG) wies das Gericht darauf hin, dass das Rechtsschutzbedürfnis für den bis dahin angekündigten Antrag (auf Verpflichtung des Beklagten zur Aufhebung der Anordnung) entfallen sein dürfte, da sich die Prüfungsanordnung mit dem Abschluss der Prüfung und dem Bericht vom 6. Mai 2004 erledigt habe, weshalb angeregt werde, den Antrag im Sinne einer Fortsetzungsfeststellungsklage umzustellen, da die Klage andernfalls als unzulässig abgewiesen werden müsse.
In der mündlichen Verhandlung rügte der Kläger, dass für eine Rückäußerung lediglich drei Arbeitstage bis zum Verhandlungstermin verblieben seien und stellte einen Antrag auf Einräumung einer Erklärungsfrist. In der Sache hielt er an seinem Verpflichtungsantrag fest.
Das FG stellte fest, dass der Regelungsgehalt der Ablehnung des FA auf Aufhebung der Prüfungsanordnung sich mit dem Abschluss der Außenprüfung beziehungsweise mit dem Hinweis des FA, dass nach dessen Auffassung die Prüfung beendet sei, erschöpft habe. Im Hinblick auf den nicht umgestellten Antrag des Klägers wies es die Klage wegen Unzulässigkeit ab.
Im Übrigen sieht der Senat von der Wiedergabe des Tatbestandes ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist nicht begründet. Die vom Kläger geltend gemachten Gründe i.S. von § 115 Abs. 2 FGO für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Ausgehend von der den Bundesfinanzhof (BFH) gemäß § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich bindenden erstinstanzlichen Tatbestandswürdigung einer abgeschlossenen Prüfung kam es auf die Ausführungen des Klägers zum Prüfungsbeginn, zum Eintritt der Festsetzungsverjährung und zur Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung nicht an. Von grundsätzlicher Bedeutung könnte nur eine Rechtsfrage sein, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Entwicklung und Handhabung der Rechts betrifft (ständige Rechtsprechung, s. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 23 ff., m.w.N.; BFH-Beschluss vom 27. April 2007 VIII B 250/05, BFH/NV 2007, 1675). Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln, die zudem im Revisionsverfahren klärungsfähig und klärungsbedürftig ist. An einer derart qualifizierten Rechtsfrage fehlt es im Streitfall.
2. Über die nach Auffassung des Klägers im konkreten Einzelfall nicht eingetretene Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) und den Eintritt der Festsetzungsverjährung könnte im Hinblick auf das angefochtene Prozessurteil in einem Revisionsverfahren auch nicht wegen der geltend gemachten Zulassungsgründe einer Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, Alternativen 1 und 2 FGO) befunden werden.
Soweit der Kläger Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils erhebt, wird damit kein Zulassungsgrund dargetan. Dies gilt auch für die revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnende Sachverhaltswürdigung (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Februar 2000 I B 40/99, BFH/NV 2000, 874). Das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (BFH-Beschluss vom 27. März 2007 VIII B 152/05, BFH/NV 2007, 1335, m.w.N.).
3. Der vom Kläger geltend gemachte Verfahrensfehler eines verspäteten gerichtlichen Hinweises und der daraus folgenden Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt ersichtlich nicht vor. Der rechtskundige Kläger musste zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einrichten (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. Dezember 2006 IX B 139/05, BFH/NV 2007, 1084; vom 18. Dezember 2007 XI B 178/06, BFH/NV 2008, 562; vom 27. August 2008 IX B 207/07, BFH/NV 2008, 2022, jeweils m.w.N.). Dass das FA mit der Übersendung des Prüfungsberichts von einem Abschluss der Außenprüfung ausging, lag auf der Hand, so dass der Kläger auch ohne gerichtlichen Hinweis Anlass gehabt hätte, von sich aus seinen Sachantrag zu prüfen und den Antrag umzustellen --und sei es als Hilfsantrag-- oder doch zumindest auf das Erfordernis einer Antragsumstellung vorbereitet zu sein.
Die vom Kläger in diesem Zusammenhang angeführten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des BFH sind zu jeweils anders gelagerten und mit dem Streitfall nicht vergleichbaren Sachverhalten ergangen (BVerfG-Entscheidung vom 24. Januar 1961 2 BvR 402/60, BVerfGE 12, 110 zum Abwarten einer vom Gericht selbst gesetzten Frist; BVerfG-Beschlüsse vom 12. Juni 1968 2 BvR 31/68, BVerfGE 24, 23 zur angemessenen Äußerungsfrist des Prozessgegners zur Beschwerdebegründung; vom 27. September 1978 1 BvR 570/77, BVerfGE 49, 212 zur objektiv nicht ausreichenden Frist zur Erteilung erbetener Auskünfte). Das BFH-Urteil vom 21. Februar 1980 V R 71-73/79 (BFHE 130, 157, BStBl II 1980, 457) befasste sich mit einer Ausschlussfrist für das Einreichen der Prozessvollmacht, deren Dauer im Hinblick auf glaubwürdig geltend gemachte vorübergehende Hinderungsgründe (Auslandsaufenthalt des Vollmachtgebers) für die Beibringung der Vollmacht zu kurz bemessen war. Im Urteil vom 26. Oktober 1970 III R 122/66 (BFHE 101, 49, 55, BStBl II 1971, 201, 204) hatte der BFH (u.a.) über eine ausreichende Frist zur Aktenvorlage zu befinden.
Fundstellen